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DBA Österreich-China (1991): Art 12 Abs 3
DBA Österreich-China (1991): Art 26
Abstract
Die vorliegende EAS-Auskunft beschäftigt sich mit der Frage, ob bestimmte IT-Dienstleistungen (Zurverfügungstellung von Software, Software-as-a-Service [SaaS] und Infrastructure-as-a-Service [Iaas]) unter „Benutzung oder das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen“ iSd Art 12 Abs 3 DBA Österreich-China (idF DBA) zu subsumieren sind. Aufgrund einer im Jahr 2017 vorgenommenen Änderung im UN-MK geht das BMF davon aus, dass der Begriff „Ausrüstungen“ in Art 12 Abs 3 des DBA keine immateriellen Vermögensgegenstände erfasst. Wird einem Kunden technische Infrastruktur für die Nutzung von Betriebssystemen bereitgestellt (IaaS), handelt es sich bei der Infrastruktur zwar wohl zunächst um eine „Ausrüstung“ iSd Bestimmung. Jedoch muss der Nutzer auch die Verfügungsmacht über die „Ausrüstung“ innehaben. Liegt dies nicht vor, gelangt Art 7 des DBA zur Anwendung.
EAS 3436 vom 1. 6. 2022
Sachverhalt
Ein in Österreich ansässiges Unternehmen erbringt gegenüber einem in China ansässigen verbundenen Unternehmen verschiedene zugeschnittene IT-Dienstleistungen. Dabei handelt es sich etwa um die Nutzbarmachung von Software (Software-as-a-Service, SaaS) sowie die Bereitstellung und Wartung der notwendigen IT-Infrastruktur für Betriebssysteme (Infrastructure-as-a-Service, IaaS). Es stellt sich die Frage, ob die dafür vom österreichischen Unternehmen bezogenen Vergütungen als Lizenzgebühren iSd Art 12 Abs 3 des DBA einzustufen sind und China folglich eine Quellensteuer iHv 10 % gem Art 12 Abs 2 des DBA einbehalten darf.
Anfragebeantwortung des BMF
Gem Art 12 Abs 3 des DBA umfasst der Begriff der „Lizenzgebühren“ auch Vergütungen, „die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen […] gezahlt werden“. Dieser Wortlaut wurde iRd Updates 1992 aus dem OECD-MA entfernt, findet sich jedoch bis heute im UN-MA. Der Begriff „Ausrüstungen“ wurde weder im OECD-MA 1977 (also vor dem Update 1992) definiert, noch findet sich eine Definition im UN-MA 2021. Fraglich ist, ob der Begriff „Ausrüstungen“ auch immaterielle Vermögenswerte umfasst. In früheren Anfragebeantwortungen wurde dies seitens des BMF stets bejaht (s EAS 971 v 14. 11. 1996, EAS 980 v 2. 12. 1996, EAS 1499 v 26. 7. 1999, EAS 3393 v 3. 10. 2017, EAS 3397 v 18. 1. 2018).
Seit dessen Überarbeitung im Jahr 2017 legt der UN-MK jedoch fest, dass Immaterialgüter („intellectual property“) nicht vom Begriff „Ausrüstungen“ erfasst sein sollen (UN-MK zu Art 12 UN-MA 2021, Rz 19). Ebenso stellt der UN-MK für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals auf das Erfordernis einer Verfügungsmacht über den Ausrüstungsgegenstand ab (UN-MK zu Art 12 UN-MA 2021, Rz 21 und OECD-MK zu Art 12 OECD-MA 2017). „Vor diesem Hintergrund“ ist — nach Ansicht des BMF — bei klassischen Softwareüberlassungen über externe Datenträger oder bei SaaS nicht von der Benutzung einer „Ausrüstung“ auszugehen. Bei Software handelt es sich nämlich um ein immaterielles Wirtschaftsgut, das gemäß den Ausführungen im UN-MK nicht vom Begriff „Ausrüstungen“ erfasst sein soll. Insofern kann die vom BMF in den EAS 971, EAS 980, EAS 1499, EAS 3393 sowie EAS 3397 geäußerte Ansicht für Zahlungen, die nach der Veröffentlichung der vorliegenden EAS (vom 1. 6. 2022) erfolgen, nicht mehr aufrechterhalten werden.
Weiters stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Bereitstellung von Infrastruktur über eine Cloud (IaaS) unter „Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Ausrüstungen“ fällt oder eine Dienstleistung darstellt. Zwar wird die Infrastruktur wohl idR als „Ausrüstung“ zu qualifizieren sein. Jedoch muss der Nutzer auch — wie bereits oben dargestellt — Verfügungsmacht über den Server erlangen. Liegt eine derartige Verfügungsmacht nicht vor, ist von einer Dienstleistungserbringung und somit der Anwendbarkeit des Art 7 des DBA auszugehen (Verweis auf EAS 3401 v 30. 4. 2018).
Bei einem Vertrag, der verschiedene Leistungskomponenten aufweist („gemischter Vertrag“), sind die Leistungsentgelte (bspw Lizenzgebühren und Entgelte für Dienstleistungen) aufzuteilen und die jeweils relevanten Verteilungsnormen anzuwenden. Nur wenn ein Leistungsbestandteil eine Nebenleistung zur Hauptleistung darstellt oder bspw alle Leistungsentgelte ohnehin als (verschiedene Arten von) Lizenzgebühren zu qualifizieren sind, kann eine Aufteilung unterbleiben.
Die Frage, ob China im konkreten Fall der unterschiedlichen IT-Dienstleistungen ein Quellensteuerrecht zusteht, beantwortet das BMF nicht. Dies hängt von einer sorgfältigen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ab. Sollte es dabei zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Vertragsstaaten und folglich zu Doppelbesteuerungsfällen kommen, sind diese im Wege eines Verständigungsverfahrens gem Art 26 des DBA zu klären.
Conclusio
Die abkommensrechtliche Qualifikation von Vergütungen für die Überlassung von Software oder IaaS ist nicht trivial: Zwar sollen — nach Ansicht des BMF mit Verweis auf den UN-MK — nur materielle Vermögensgegenstände vom Begriff der „Ausrüstungen“ iSd Art 12 Abs 3 UN-MA 2021 erfasst sein. Es scheint jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass derartige Vergütungen dennoch unter Art 12 Abs 3 UN-MA fallen, nämlich als „Vergütungen […] für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten“ (s dazu Aigner/Aigner/Buzanich in Aigner/Kofler/Tumpel [Hrsg], DBA2 [2019] Art 12, Rz 50 ff). Dies wird auch von der vorliegenden EAS nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus können derartige Vergütungen auch unter andere Verteilungsnormen eines DBA fallen: Handelt es sich bspw um Spezialsoftware, die für bestimmte Kundenbedürfnisse maßgeschneidert entwickelt wurde, könnte eine Verteilungsnorm für technische Dienstleistungen (Art 12A UN-MA) zur Anwendung gelangen (s auch Valta in Reimer/Rust [Hrsg], Klaus Vogel on Double Taxation Conventions5 [2022] Art 12, Rz 177). Auch könnte die Zurverfügungstellung von (Standard-)Software oder SaaS als automatisierte digitale Dienstleistung unter den neuen Art 12B UN-MA fallen (s UN-MK zu Art 12B UN-MA 2021, Rz 58[f] bzw [h]). Zudem findet sich seit dem Update 2021 im UN-MK auch ein Alternativvorschlag zur Aufnahme von Vergütungen für Software in den Lizenzgebührenbegriff des Art 12 Abs 3 UN-MA (s UN-MK zu Art 12 UN-MA 2021, Rz 16).
Zuletzt ist an vorliegender EAS-Auskunft auch bemerkenswert, dass das BMF aufgrund einer Änderung des UN-MK die Rechtsansicht für zukünftige Zahlungen (auch iRd 1991 abgeschlossenen DBA Österreich-China) ändert. Dies entspricht dem dynamischen Verständnis der Verwaltungspraxis, die jeweils aktuelle Fassung des OECD-MK (bzw in diesem Fall UN-MK) zur Auslegung des jeweiligen DBA heranzuziehen. Vor allem aufgrund rechtsstaatlicher Argumente wird diese dynamische Auffassung im Schrifttum jedoch kritisiert (s zB Kofler in Bendlinder/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht2 [2018] Kap X, Rz 12).