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Abstract
Die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten im Rat der EU (ECOFIN-Rat) haben sich am 14. 5. 2024 über die Richtlinie des Rates über schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern (FASTER-RL) geeinigt. Bevor die FASTER-RL im ABl der EU veröffentlicht wird und in Kraft tritt, ist noch eine juristische Sprachprüfung und der formale Beschluss des Rates ausständig. Danach sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Bestimmungen der FASTER-RL bis zum 31. 12. 2028 in nationales Recht umzusetzen. Die nationalen Vorschriften sollen jedoch erst ab dem 1. 1. 2030 anwendbar sein.
Die FASTER-RL zielt darauf ab, die Quellensteuerentlastungsverfahren innerhalb der EU effizienter zu gestalten und gleichzeitig Steuerbetrug und Steuermissbrauchsfälle zu vermeiden. Im Kern enthält die FASTER-RL Bestimmungen zur Einführung einer gemeinsamen und digitalen Bescheinigung der steuerlichen Ansässigkeit (eTRC) und zur Einführung von Quellensteuerentlastungsverfahren („System der Quellensteuererleichterung“ oder „Schnellerstattungssystem“). Die Abwicklung der neu eingeführten Schnellverfahren für die Quellensteuer wird eine starke Beteiligung von zertifizierten Finanzintermediären erfordern und ihnen bedeutende Aufgaben und Verpflichtungen auferlegen. Außerdem sieht die FASTER-RL eine Ausnahme von der Umsetzungsverpflichtung der Quellensteuerentlastungsverfahren für jene Mitgliedstaaten vor, die bereits über ein umfassendes System der Steuererleichterung an der Quelle verfügen und eine Marktkapitalisierungsquote iHv 1,5 % nicht überschreiten. Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über die wesentlichen Eckpfeiler der FASTER-RL geben.
Gemeinsame Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit
Mit der FASTER-RL wird eine gemeinsame digitale EU-Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) eingeführt. Derartige digitale Ansässigkeitsbescheinigungen sollen standardisiert sein und von allen EU-Mitgliedstaaten als Nachweis der Ansässigkeit für Verfahren zur Entlastung der Quellensteuer anerkannt werden. Zusätzlich können die EU-Mitgliedstaaten die digitalen Ansässigkeitsbescheinigungen auch zum Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit für andere Zwecke einsetzen.
Die digitale Ansässigkeitsbescheinigung soll von den EU-Mitgliedstaaten innerhalb von 14 Kalendertagen ab Antragstellung ausgestellt werden und für ein Kalenderjahr oder das Wirtschaftsjahr, für das sie ausgestellt wird, gelten. Die eTRC wird jedoch für jenen Zeitraum ganz oder teilweise ungültig, für den dem ausstellenden EU-Mitgliedstaat Nachweise vorliegen, dass die Person, auf die sich die eTRC bezieht, nicht in seinem Hoheitsgebiet steuerlich ansässig ist.
Quellensteuerentlastungsverfahren
Nach der FASTER-RL sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Entlastung von der überschüssigen Quellensteuer auf Dividenden zu gewähren, die für öffentlich gehandelte Aktien ausgeschüttet werden. EU-Mitgliedstaaten, die eine Entlastung von überschüssiger Quellensteuer auf Zinsen für öffentlich gehandelte Anleihen vorsehen, können die Quellensteuerentlastungsverfahren optional auch auf derartige Fälle erstrecken.
Nach der vereinbarten Fassung besteht jedoch nur für jene EU-Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Einführung der Quellensteuerentlastungsverfahren, wenn sie über kein umfassendes System der Steuererleichterung an der Quelle verfügen oder ihre Marktkapitalisierungsquote im Verhältnis zur Gesamtmarktkapitalisierung innerhalb der EU in den letzten vier verfügbaren Veröffentlichungen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die bei Ablauf der Umsetzungsfrist verfügbar sind, in jedem Jahr 1,5 % oder mehr beträgt. Sofern diese Quote jedoch in vier aufeinanderfolgenden Jahren nach Ende der Umsetzungsfrist überschritten wird oder sich das bestehende Quellensteuerentlastungsverfahren derart ändert, dass es nicht mehr umfassend genug ist, werden alle in der FASTER-RL vorgesehenen Bestimmungen innerhalb von fünf Jahren unwiderruflich anwendbar.
Ist der Anwendungsbereich der Quellensteuerentlastungsverfahren erfüllt, müssen die EU-Mitgliedstaaten entweder eines oder eine Kombination der beiden folgenden Schnellverfahren umsetzen:
- | System der Quellensteuererleichterung: Bei diesem System wird der ermäßigte Steuersatz oder die Steuerbefreiung gemäß dem einschlägigen DBA oder den innerstaatlichen gesetzlichen Bestimmungen bereits zum Zeitpunkt der Zahlung von Dividenden oder Zinsen angewandt; |
- | Schnellerstattungssystem: Bei diesem System wird die überschüssige Quellensteuer erstattet. Die Erstattungsanträge sollen von den zertifizierten Finanzintermediären innerhalb von zwei Monaten nach dem Monat, in dem die Dividenden oder Zinsen ausgeschüttet wurden, eingereicht werden. Anschließend sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die überschüssige Quellensteuer innerhalb von 60 Kalendertagen nach Ablauf der Frist für die Antragstellung des Schnellerstattungssystems zu erstatten. Werden diese Erstattungen nicht innerhalb dieser Fristen bearbeitet, haben die EU-Mitgliedstaaten ihre Bestimmungen zu Verzugszinsen anzuwenden, sofern die nationalen Rechtsvorschriften solche Bestimmungen enthalten. |
EU-Mitgliedstaaten können unter gewissen Umständen Anträge auf derartige Entlastungen ganz oder teilweise ausschließen. Ausschlussgründen liegen ua vor, wenn die Dividendenzahlung für das zugrunde liegende Wertpapier an eine finanzielle Vereinbarung (zB Wertpapierleihgeschäfte oder Pensionsgeschäfte) geknüpft ist, die nicht vor dem Ex-Dividenden-Tag abgewickelt wurde, abgelaufen ist oder auf andere Weise beendet wurde. Darüber hinaus sieht die FASTER-RL auch eine Schwellenwertausnahme vor, wonach die EU-Mitgliedstaaten beide Quellensteuerentlastungsverfahren ausschließen können, wenn die Dividendenzahlung einen Bruttobetrag von 100.000 € pro eingetragenen Eigentümer und pro Zahlungstag übersteigt. In Bezug auf Anleger, die nicht direkt in Wertpapiere investieren, sondern über Organismen für gemeinsame Anlagen (wie zB Investmentfonds), sieht die FASTER-RL besondere Bestimmungen vor.
Für Quellensteuerentlastungsverfahren, die nicht in den Anwendungsbereich der FASTER-RL fallen (zB Quellensteuern auf Dividenden, die auf nicht öffentlich gehandelte Aktien ausgeschüttet werden), sollen weiterhin die (bereits bestehenden) Quellensteuerentlastungsverfahren gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten gelten.
Die Rolle der zertifizierten Finanzintermediäre
Die Abwicklung der Quellensteuerentlastungsverfahren gemäß der FASTER-RL erfordert die Mitwirkung von zertifizierten Finanzintermediären. Diese sind für die Antragstellung der Quellensteuerentlastungsverfahren im Auftrag der eingetragenen Eigentümer verantwortlich und mit zahlreichen Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Anspruchsberechtigung des eingetragenen Eigentümers betraut. Derartige zertifizierte Finanzintermediäre sind in einem nationalen Register des jeweiligen EU-Mitgliedstaates anzuführen. Als zertifizierte Finanzintermediäre kommen zwei Gruppen in Betracht. Einerseits sind große Institute iSd Art 4 Abs 1 Nr 146 der VO (EU) 575/2013 und Zentralverwahrer iSd Art 2 Abs 1 Nr 1 der VO (EU) 909/2014, die Dividenden- und ggf Zinszahlungen im jeweiligen EU-Mitgliedstaat abwickeln, verpflichtend als zertifizierte Finanzintermediäre in das nationale Register des betreffenden EU-Mitgliedstaates einzutragen. Andererseits können sich auch kleinere Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig als zertifizierte Finanzintermediäre registrieren lassen. Überdies sieht die FASTER-RL vor, dass die zertifizierten Finanzintermediäre mit Strafen sanktioniert werden und für den gesamten oder teilweisen Verlust der Quellensteuer haften, wenn sie den ihnen auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommen.
Conclusio
Die FASTER-RL sieht drei wesentliche Eckpfeiler vor, die das Quellensteuerentlastungsverfahren einfacher und sicherer gestalten sollen. Neben der Ausstellung von digitalen Ansässigkeitsbescheinigungen sollen die Quellensteuerentlastungsverfahren effizienter gestaltet werden. Zertifizierten Finanzintermediären wird hierbei eine maßgebliche Mitwirkungspflicht auferlegt. Durch die Einführung der digitalen Ansässigkeitsbescheinigung werden sich wohl auch zahlreiche Änderungen für die bestehende Verwaltungspraxis in Österreich ergeben. Einerseits müssten ausländische Investoren ihre steuerliche Ansässigkeit nicht mehr durch unterschiedliche Formulare nachweisen. Vielmehr sollte die digitale Ansässigkeitsbescheinigung von den Behörden der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten für einen entsprechenden Nachweis ausreichen. Andererseits erhalten österreichische Investoren die Möglichkeit, die von Ö ausgestellten digitalen Ansässigkeitsbescheinigungen für ihre ausländischen Quellensteuerverfahren einzusetzen. Die verpflichtende Anwendung der Quellensteuerentlastungsverfahren aus österreichischer Perspektive wird auch von der Entwicklung der Marktkapitalisierungsquote abhängig sein. Auf Basis der von der EU veröffentlichten Daten aus dem Jahr 2022 würde Ö derzeit diese Schwelle nicht überschreiten (1,28 %). Die konkrete Umsetzungspflicht Ö wäre zudem davon abhängig, ob die bestehenden Quellensteuerentlastungsverfahren als umfassend iSd FASTER-RL qualifiziert werden können.