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„Ein-Stern-Bewertung“ einer Rechtsanwaltskanzlei

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

ABGB idF BGBl I 2020/148: § 20

EMRK: Art 10

ZPO: § 184, § 272

Bei dem Unternehmenseintrag der Kl (Anwälte einer Rechtsanwaltskanzlei), die über die Suchmaschine der Bekl abrufbar ist, findet sich eine 1-Stern-Bewertung eines Nutzers mit einem pseudonymen Nutzernamen ohne Textkommentar. Ob dieser Nutzer Mandant der Kl war oder sonst mit ihren Leistungen in Kontakt gekommen war, konnte nicht festgestellt werden. Der Aufforderung der Kl zur Löschung dieser Bewertung kam die Bekl nicht nach.

Der unrichtige Eindruck, der anonym Bewertende sei ein Mandant der Kl gewesen oder sonst in für eine Bewertung relevanter Weise mit ihren Leistungen in Kontakt gekommen, ist iVm der „Ein-Stern-Bewertung“ geeignet, potentielle Mandanten abzuschrecken und damit den Kredit der Kl iSd § 1330 Abs 2 ABGB zu gefährden. Bei einer derartigen Persönlichkeitsrechtsverletzung kann gem § 20 Abs 3 ABGB (hier idF des HiNBG, BGBl I 2020/148) auch der “Vermittler“ – hier die Betreiberin der Suchmaschine, die die Vornahme der Bewertungen ermöglicht (Hostproviderin) – auf Unterlassung und Beseitigung geklagt werden. Ein auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch gegen den Vermittler setzt aber (wie jener gegen den Äußernden) voraus, dass er unwahre Tatsachen verbreitet hat, deren sachlicher Kern nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt.  Wenn die behauptete Rufschädigung nicht gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung umfasst (wie hier), trifft nach stRsp den Kl nach allgemeinen Regeln die Beweislast, dh, er hat die Tatsachenverbreitung und deren Ursächlichkeit für die Gefährdung oder Verletzung zu beweisen und darüber hinaus auch die Tatsachenunrichtigkeit. Dass die bekl Providerin trotz Abmahnung durch die Kl keine materiell-rechtliche Nachforschungsobliegenheit dahin trifft, ob der Bewertende Mandant der Kl gewesen oder sonst mit ihren Leistungen in Kontakt gekommen sei, entspricht der Rsp.

OGH 18. 6. 2024, 6 Ob 120/23z

Entscheidung

Keine Nachforschungspflicht betr den Tatsachenkern

Im vorliegenden Fall hat das BerufungsG die Beweislastregeln in nicht korrekturbedürftiger Weise angewendet (dazu sogleich). Die Unwahrheit des behaupteten Tatsachenkerns der Äußerung des Bewertenden steht nicht fest und es besteht bereits deshalb keine Unterlassungspflicht nach § 1330 Abs 2 ABGB.

Schon aus diesem Grund ist hier nicht relevant, ob die Bekl nach Abmahnung eine materiell-rechtliche Nachforschungsobliegenheit traf, ob und allenfalls zu welchem Zeitpunkt sie ausreichende Klarheit über die behauptete Rechtsverletzung erhielt bzw ob sie (auch) Medieninhaberin sei und in dieser Eigenschaft die gebotene Sorgfalt nach dem Haftungsausschlussgrund des § 6 Abs 3 Z 3a MedienG außer Acht gelassen habe.

Nach Ansicht des BerufungsG lagen weder die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr noch für eine Ermittlungspflicht der Bekl vor. Es handle sich um keine Tatfrage, die allein in der Sphäre der Bekl läge und nur ihr bekannt sei. Die Bekl verfüge nach den Feststellungen selbst nicht über den Klarnamen des Nutzers. Für die Registrierung sei lediglich die Angabe des (pseudonymen) Nutzernamens und einer E-Mail-Adresse erforderlich, wobei bekanntlich auch anonyme E-Mail-Adressen verwendet werden können, die de facto nicht unbedingt erreichbar seien. Der Bekl wäre es daher kaum oder nur mit größtem Aufwand möglich gewesen, verlässlich zu ermitteln, ob der Bewerter tatsächlich Mandant der Kl war bzw mit diesen in einem für die Bewertung relevanten Kontakt stand.

Darin ist keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Nach den Feststellungen hatte die Bekl keine Kenntnis über die strittigen Tatsachen. Ebenso kann berücksichtigt werden, dass selbst bei (ohnehin nicht gesicherter) Erreichbarkeit des Bewertenden eine Reaktion durch ihn auf eine Nachfrage der Bekl ungewiss wäre und es keine Gewähr für Richtigkeit allfälliger Auskünfte des Bewertenden gäbe.

Abweichendes deutsches Recht

Nur ergänzend hält der OGH fest, dass zwar nach der in der Revision zitierten Rsp des deutschen BGH nach deutscher Rechtslage bei Beanstandungen von kreditschädigenden Bewertungen in Bewertungsplattformen eine Prüfpflicht des Providers iS einer Ermittlung und Beurteilung des gesamten Sachverhalts angenommen wird, deren Verletzung Voraussetzung für eine Haftung des Providers als mittelbarer Störer ist (vgl BGH VI ZR 34/15 Rn 24 [Ärztebewertungsportal]; BGH VI ZR 1244/20 Rn 28 [Hotelbewertungsportal]). Auch nach dieser Rsp folgt der Unterlassungsanspruch jedoch nicht bereits aus der bloßen Verletzung dieser Nachforschungspflicht des Providers, sondern es ist erforderlich, dass dem beanstandeten Werturteil die Tatsachengrundlage fehlt (vgl BGH VI ZR 34/15 Rn 46). Die diesbezügliche Beweislast, etwa für das Fehlen eines für die Bewertung relevanten Kontakts mit dem Bewertenden, trifft den Kl (BGH VI ZR 34/15 Rn 46). Ausgehend von der (abweichenden) deutschen Rechtslage wird allerdings eine „sekundäre“ Darlegungslast des bekl Providers in Form einer Auskunfts- und Nachforschungspflicht angenommen, deren Verletzung – anders als nach dem österreichischen Recht die Verletzung einer Mitwirkungspflicht – dazu führt, dass die Behauptung des Kl, der von ihm beanstandeten Bewertung liege kein relevanter Kundenkontakt zugrunde, prozessual als zugestanden gilt (BGH VI ZR 34/15 Rn 49; vgl auch BGH VI ZR 1244/20 Rn 36 und 40; Hager, JA 2023, 70 [Entscheidungsbesprechung zu VI ZR 1244/20]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35785 vom 27.08.2024