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MwStSyst-RL: Art 14
UStG 1994: § 3
Abstract
Der VwGH hatte zu entscheiden, ob die Abgabe von Wertgutscheinen im Rahmen von Tarifabschlüssen als Nebenleistung zur jeweiligen Telekommunikationsleistung zu qualifizieren ist. Je nachdem ob die Gutscheine als Haupt- oder Nebenleistung eingeordnet werden, bedarf die Abgabe derselben einer eigenen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung. Eine Leistung ist insb dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung einzuordnen, wenn sie für den Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen zu nutzen. Im vorliegenden Fall war für den VwGH bei der Beurteilung der Gutscheinausgabe als eigenständige Leistung mitunter entscheidend, dass die Kunden bereit waren für die Abgabe der Gutscheine ein höheres Entgelt zu zahlen.
VwGH 19. 10. 2023, Ra 2020/13/0110
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall war die Revisionswerberin (Rw) in der Telekommunikationsbrache tätig und bot verschiedene Tarifaktionen an. So erhielten Kunden bei Anmeldung zu einem bestimmten Tarif auch einen Wertgutschein, der beim Kauf eines Notebooks (oder vergleichbarer Endgeräte) bei Dritten eingelöst werden konnte. Bei Einlösung des Gutscheines durch die Kunden wurde der Gutscheinbetrag den Vertragshändlern, die den Gutschein entgegengenommen hatten (Einlösern), von der Rw erstattet. Sowohl das Finanzamt als auch das BFG waren der Ansicht, dass die Ausgabe der Gutscheine als unselbstständige Nebenleistung zur Telekommunikationsleistung einzuordnen ist und daher dem umsatzsteuerrechtlichen Schicksal der Telekommunikationsleistungen folgt. Folglich unterliegt das gesamte Entgelt der Kunden der Umsatzsteuer. Die Rw brachte in der Revision vor, dass ein Teil des Entgelts auf die Gutscheine entfalle und die Gutscheine daher einer gesonderten umsatzsteuerlichen Beurteilung bedürfen.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH hält fest, dass das Steuerobjekt der Umsatzsteuer die einzelne Leistung ist. Bei einem Umsatz, der mehrere Einzelleistungen umfasst, muss bestimmt werden, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst. Mit Verweis auf die Rsp des EuGH führt das österreichische Höchstgericht aus, dass eine einheitliche Leistung anzunehmen ist, wenn die Einzelleistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden. Eine solche einheitliche Leistung ist insb dann anzunehmen, wenn Teile der Leistung als Haupt- und wiederum andere als Nebenleistung anzusehen sind. Eine Nebenleistung folgt dem umsatzsteuerlichen Schicksal der Hauptleistung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH 20. 4. 2023, C-282/22, Dyrektor Krajowej lnformacji Skarbowej, Rn 30). Als Indiz – so der VwGH – kann auch der Wert jeder der Leistungen, aus denen sich der wirtschaftliche Vorgang zusammensetzt, herangezogen werden (mVa EuGH 5. 10. 2023, C-505/22, Deco Proteste).
Im vorliegenden Fall werden die Gutscheine beim Abschluss eines Datentarifes unter längerfristiger Bindung an Kunden abgegeben. Die Höhe des Monatsentgelts variiert je nach Tarif. Bei Beigabe eines Wertgutscheines fällt das monatliche Entgelt höher aus. Daher führt der VwGH aus, dass die Aushändigung eines solchen Wertgutscheines nicht als bloße „Zugabe“ angesehen werden kann. Einer solchen Einordnung steht entgegen, dass die Kunden eben bereit waren ein höheres Entgelt zu bezahlen, um einen Gutschein zu erhalten. Diese Tatsache spricht – so das österreichische Höchstgericht – gegen eine Einstufung der Abgabe des Gutscheines als Nebenleistung. Gegen eine Einordnung als Nebenleistung spricht auch der Wert der abgegebenen Gutscheine (€ 300–500). Daher fällt ein näher festzustellender Teil des Gesamtentgelts auf die Abgabe der Wertgutscheine. Dabei führt der VwGH aus, dass ein Wertgutschein, der beim Kauf von Waren einer bestimmten Warenkategorie bei einer Vielzahl von Händlern in Abzug gebracht werden kann, noch nicht hinreichend konkretisiert ist. Die Abgabe desselben ist daher keine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung. Daher hebt der VwGH die Entscheidung des BFG auf und gibt der Revision statt.
Conclusio
Diese Entscheidung reiht sich in eine Vielzahl von Entscheidungen (siehe etwa VwGH 19. 3. 2008, 2005/15/0072; 1. 3. 2007, 2004/15/0090; 21. 12. 2005, 2001/14/0123; 24. 6. 2004, 2000/15/0140) zum Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ein. Die Einordnung einer Leistung als Nebenleistung entscheidet darüber, ob diese dem umsatzsteuerrechtlichen Schicksal der Hauptleistung folgt.
Das Ergebnis des VwGH, die Gutscheinabgabe als eigenständige Leistung zu qualifizieren, überzeugt insb vor dem Hintergrund der jüngsten EuGH-Entscheidung in der Rs Deco Proteste (EuGH 5. 10. 2023, C-505/22, Deco Proteste). In dieser Rs entschied der Gerichtshof, dass die Abgabe einer Abo-Prämie (zB Tablet) als unselbstständige Nebenleistung zum Abschluss eines Zeitschriften-Abonnements einzuordnen ist. Entscheidend war für den EuGH, dass der Prämie (weniger als € 50) im Verhältnis zum Abonnement ein untergeordneter Wert beizumessen ist und der Kunde die Prämie (zB Tablet) nutzt, um das Zeitschriften-Abonnement unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (Rn 27f). Unter Berücksichtigung derselben Entscheidungskriterien hat der VwGH die Gutscheinabgabe im vorliegenden Fall als eigenständige Leistung eingeordnet. So kommt den Gutscheinen (€ 300–500) im Verhältnis zu den Tarifkosten eben kein geringer Wert zu. Zudem sind die Kunden bereit, ein höheres monatliches Entgelt zu zahlen, um einen Gutschein zu erhalten. Daher bedarf die Abgabe von Gutscheinen einer eigenständigen umsatzsteuerlichen Beurteilung:
Art 30a und 30b MwStSyst-RL sehen spezielle Vorschriften für die Beurteilung von Gutscheinen in der Umsatzsteuer vor. Da sich der vorliegende Sachverhalt (2008–2013) allerdings vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften (1. 1. 2019) zugetragen hat, greift der VwGH auf die zuvor bestehende Ansicht der Literatur zur umsatzsteuerrechtlichen Einordnung von Gutscheinen zurück (siehe etwa Bräumann, Gutscheine, in Achatz/Tumpel (Hrsg), Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer [2015] 61 [70 f]). Demnach ist die Abgabe sog Mehrzweckgutscheine noch kein umsatzsteuerbarer Vorgang. Erst das Einlösen unterliegt ggf der Umsatzsteuer. An dieser Einordnung hätte auch die Anwendbarkeit der Art 30a f MwStSyst-RL nichts geändert. Für den vorliegenden Fall bedeutet dieses Ergebnis, dass der Teil des Entgelts, der auf die Gutscheine entfällt, nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Daher muss das Entgelt der Kunden auf die steuerpflichtigen Telekommunikationsleistungen und die nicht steuerbaren Gutscheinabgaben aufgeteilt werden. Diesbezüglich hält der VwGH zwar fest, dass der Nennbetrag der Gutscheine für die Aufteilung wohl nicht maßgeblich ist. Im Ergebnis bleibt allerdings offen, wie der Teil des Entgelts, der auf die Gutscheinabgabe entfällt, letzten Endes bestimmt werden soll.