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Ein Haushaltskunde hat gegenüber einem Energieversorgungsunternehmen auch dann Anspruch auf Grundversorgung nach § 77 ElWOG 2010, wenn er derzeit noch über einen ungekündigten Strombezugsvertrage mit einem anderen Anbieter verfügt und weder sozial besonders bedürftig noch von einer Stromabschaltung bedroht ist.
Denn eine mit dem Erk VfGH G 1102/2023 ua (= RdW 2024/422) konforme Interpretation des § 77 ElWOG 2010 führt zum Ergebnis, dass sich eine diskriminierungsfreie Versorgung der Haushaltskunden gerade nicht ausschließlich aus einem wirksamen Wettbewerb zwischen den Energieversorgungsunternehmen und dem aktuellen Angebot an marktgestützten Lieferpreisen ergibt, sondern der Gesetzgeber eine rechtliche Absicherung durch die Pflicht zur Grundversorgung für alle Verbraucher und die gleichgestellten Kleinunternehmer vorsieht. Auch wenn darüber hinaus damit bezweckt wird, jenen besonders schutzwürdigen Verbrauchern einen Strombezug zu ermöglichen, die von den Lieferanten als Kunden ansonsten nicht akzeptiert würden, erschöpft sich § 77 ElWOG 2010 keineswegs darin, sondern enthält keine Einschränkung der Berechtigten auf diesen Personenkreis.
Hinweis:
Vgl auch das Erk VfGH G 122/2023 ua (= Rechtsnews 35244), mit dem § 45 Abs 6 Satz 2 NÖ ElWG 2005 wegen Verstoßes gegen § 77 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 ElWOG 2010 als grundsatzgesetz- und somit verfassungswidrig aufgehoben wurde. In der Begründung dieses Erk wird ua ausgeführt, dass nach der grundsatzgesetzlichen Bestimmung des § 77 Abs 2 Satz 1 ElWOG 2010 wesentliche Vorgabe für die Grundversorgung mit Strom auch ist, dass die Grundversorgung zu einem Tarif erfolgt, der nicht höher sein darf als jener Tarif, zu dem das betreffende Stromversorgungsunternehmen die größte Anzahl an Haushaltskunden versorgt. Dem widerspricht eine Kündigungsmöglichkeit für das zur Grundversorgung verpflichtete Stromversorgungsunternehmen (einzig) aus dem Grund, dass ein dritter Stromhändler oder sonstiger Lieferant bereit ist, außerhalb der Grundversorgung einen Stromliefervertrag mit dem Verbraucherkunden abzuschließen, ohne dass für diesen die Tarifobergrenze der Grundversorgung nach § 77 Abs 2 Satz 1 ElWOG 2010 bindend wäre.
Entscheidung
Im Hinblick auf entsprechendes Vorbringen der Bekl ist auch auf das Feststellungsinteresse der Kl einzugehen.
Unstrittig ist, dass diese sich gegenüber der Bekl vor Klagseinbringung vergeblich auf Gewährung der Grundversorgung berufen haben. Die Bekl hat diesen Anspruch dem Grunde nach verneint. Damit haben die Kl aber ein rechtliches Interesse auf Feststellung des Grundversorgungsanspruchs ausreichend dargetan.
Das Feststellungsbegehren geht auch über ein Leistungsbegehren hinaus. Es wird damit nicht nur geklärt, dass den Kl konkret und aktuell Grundversorgung zusteht, sondern dass dieser Anspruch generell nicht an die von der Bekl reklamierten Bedingungen gebunden ist. Durch das Feststellungsurteil kann ein weiterer Streit um das Recht auf Grundversorgung vermieden bzw mit Wirkung auf künftige Streitigkeiten nach Anbieterwechseln bindend entschieden werden. Das Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage ergibt sich auch aus dem möglichen finanziellen Nachteil durch notwendige Inkaufnahme eines ungünstigeren marktkonformen Strombezugstarifs.