Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der RdW erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Alle LexisNexis-Fachzeitschriften sind im Volltext auch in Lexis 360® verfügbar.
Lexis 360 ist Österreichs innovativste* Recherchelösung und bietet Zugriff auf
alle relevanten Quellen von Rechtsnews, Gesetzen, Urteilen und Richtlinien bis
zu Fachzeitschriften und Kommentaren.
Testen Sie jetzt Lexis 360® kostenlos.
*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Beim Grundversorgungstarif kommt in gleicher Weise wie bei anderen Tarifen § 80 Abs 2a ElWOG 2010 zur Anwendung, wo die Möglichkeit des Versorgers zur Anpassung seiner Tarife geregelt ist (VfGH G 1102/2023 ua, RdW 2024/422).
Zu § 80 Abs 2 erster Satz ElWOG 2010 in der Stammfassung entsprach es gesicherter Rsp, dass diese Bestimmung kein einseitiges Recht zur Entgelt- und Vertragsänderung einräumte. Ein „Sonderprivatrecht im Energieversorgungssektor“ wurde verneint. Durch die Novelle BGBl I 2022/7 entfiel der erste Satz des § 80 Abs 2 ElWOG 2010 und die derzeit geltenden Abs 2a, 2b und 5 wurden in § 80 ElWOG 2010 eingefügt. Ein vom ABGB abweichendes „Sonderprivatrecht im Energieversorgungssektor“ iS eines gesetzlichen Preisänderungsrechts besteht weiterhin nicht. § 80 Abs 2a ElWOG 2010 setzt vielmehr einen vertraglichen Änderungsvorbehalt voraus.
Eine AGB-Klausel der Stromlieferantin, die dieser ein einseitiges Recht zur Änderung des im Vertrag ziffernmäßig festgelegten Tarifs vorbehält, unterliegt nicht nur der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB, sondern auch der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB. Die Bestimmungen des KSchG werden aufgrund des Vorbehalts in § 80 Abs 5 ElWOG 2010 durch § 80 Abs 2a ElWOG 2010 nur insoweit ersetzt, als dort eine eigenständige Regelung getroffen wird, was etwa betr Sachlichkeitsgebot und Zweiseitigkeitsgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG der Fall ist oder auch im Hinblick auf Zeitpunkt, Form und Inhalt der Verständigung über die tatsächliche Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Preisänderungsrechts. Keine Regelung enthält § 80 Abs 2a ElWOG 2010 aber insb zum Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG in Bezug auf den vertraglichen Änderungsvorbehalt. Die gegenständliche Klausel (vertraglicher Änderungsvorbehalt) ist daher auch anhand des § 6 Abs 3 KSchG zu prüfen.
Da die Judikatur zur Vereinbarung einer vertraglichen Zustimmungsfiktion mit § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB gerade damit begründet wird, dass diese die Gefahr birgt, de facto ein einseitiges Änderungsrecht des Unternehmers zu begründen, ist sie erst recht auf eine Klausel zu übertragen, mit der ein solches Änderungsrecht unmittelbar eingeräumt wird.
Entscheidung
Die Regelung in Punkt 8.1. iVm den Punkten 8.2. bis 8.4. der AGB Strom der Bekl konkretisiert nicht, welche Umstände als Anlass für die Preisänderung in Betracht kommen. Das wörtliche Zitat des § 80 Abs 2 bis 2b ElWOG 2010 kann daran nichts ändern, weil auch diese Bestimmungen selbst keine solchen Umstände definieren, sondern vielmehr eine diesbezügliche vertragliche Vereinbarung voraussetzen.
Die Klausel überlässt die Bestimmung des Anlasses einer Entgeltänderung der Entscheidung der Bekl, wobei über das Zitat des § 80 Abs 2a ElWOG 2010 nur die Einschränkung besteht, dass die Preisänderung in einem angemessenen Verhältnis zum für die Änderung maßgebenden Umstand stehen muss. Durch die nicht einmal ansatzweise beschränkte Wahl dieses Umstands räumt die Klausel der Bekl deshalb die Möglichkeit ein, die subjektive Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung zum Nachteil des Verbrauchers zu verändern, indem sie etwa unsachliche Bezugspunkte wie „die geplante Erhöhung des Gewinns“ wählt (vgl Oberndorfer, wbl 2022, 545 [552]). Die Klausel erweist sich demnach iSd Judikatur als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.
Da sie bei der Wahl des maßgeblichen Umstands keine Einschränkungen enthält, ist sie auch intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG). Für den Verbraucher ist nicht erkennbar, aus welchem Anlass eine Preisänderung erfolgen kann.
Sowohl der Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB (iVm Art 3 KlauselRL) als auch jener gegen § 6 Abs 3 KSchG führen zur gänzlichen Unwirksamkeit der Klausel (RS0128735 [insb T2]; RS0122168).
Soweit die Bekl die Befürchtung äußert, Grundversorgungskunden „ewig“ zu einem nicht marktkonformen und nicht kostendeckenden Tarif mit Strom beliefern zu müssen, ist ihr zu erwidern, dass es ihr freisteht, gesetzeskonforme AGB – auch im Wege des § 80 Abs 2 ElWOG 2010 – zu vereinbaren. Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken sind daher nicht zu teilen.
Hinweis:
Zu § 80 Abs 2a ElWOG 2010 so auch OGH 11. 4. 2025, 4 Ob 179/24p.