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UMV: Art 15, Art 129
Seit der E 17 Ob 16/09s (= Rechtsnews 8513) ist stRsp, dass die Erschöpfung des Markenrechts nur auf Einwand des Bekl zu prüfen ist. Der Bekl hat dabei zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht wurden oder dass – etwa wegen eines ausschließlichen Vertriebssystems – eine Abschottung der Märkte innerhalb des EWR droht, wenn er seine Bezugsquellen offenlegen müsste. In diesem Fall hat der Kl zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren erstmals außerhalb des EWR auf den Markt gebracht wurden. Gelingt dieser Beweis, müsste wiederum der Bekl die Zustimmung des Markeninhabers zu einem (weiteren) Inverkehrbringen im EWR beweisen. Eine Anwendung dieser Grundsätze wurde bislang nicht nur für ausschließliche, sondern auch für selektive Vertriebssysteme erwogen, für Letztere jedoch jeweils im Einzelfall verneint.
Diese Grundsätze müssen angesichts der neuen Ausführungen EuGH 18. 1. 2024, C-367/21 (= Rechtsnews 34992), dahingehend ergänzt werden, dass eine Abschottung der Märkte im EWR, die vom Bekl zu beweisen ist und zu einer Beweislast des Kl für das erste Inverkehrbringen außerhalb des EWR führt, auch bei einem selektiven Vertriebssystem drohen kann, dessen Mitglieder die Waren nur an andere autorisierte Vertragshändler und Endverbraucher im EWR verkaufen dürfen.
Zusätzlich ist erforderlich, dass die mit der Marke versehenen (Original-)Waren keine Kennzeichen aufweisen, die es einem Dritten ermöglichen, den Markt zu ermitteln, für den sie bestimmt sind, und von Seiten des Markeninhabers (auch sonst) keine Auskunft darüber erlangt werden kann.
Schließlich müssen die Waren vom Bekl im EWR erworben worden sein, nachdem er von seinem Verkäufer die (glaubhafte) Zusicherung erhalten hat, dass diese im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften dort vertrieben werden dürfen, aber der Verkäufer (aus objektiv nachvollziehbaren Gründen) nicht zu einer Offenlegung seiner Bezugsquellen bereit ist, weil diesfalls die Unterbindung des Parallelhandels von Seiten des Markeninhabers zu erwarten ist.
OGH 22. 10. 2024, 4 Ob 233/23b
Entscheidung
Im vorliegenden Fall ist der Bekl der Nachweis einer Marktabschottung iS dieser jüngsten Rsp des EuGH gelungen:
Das selektive Vertriebssystem der Kl ist mit jenem zu C-367/21, Hewlett Packard, vergleichbar.
Des Weiteren sind die einzelnen Waren zwar mit „Tracking-Codes“ versehen, Vertragshändlern oder Dritten ist es jedoch unstrittig nicht möglich, aufgrund der Verpackung bzw aus diesem Zahlencode den Ort des Inverkehrbringens bzw den Bestimmungsmarkt zu ermitteln.
Konkrete Feststellungen zu einer Auskunftsverweigerung wurden hier zwar nicht getroffen; dennoch erscheint insofern keine Aufhebung erforderlich. Der EuGH musste schon wegen der Fragestellung auf eine solche Bezug nehmen, erkennbarer Hintergrund ist aber die Überlegung, dass es dem potenziellen Käufer nicht möglich ist, den Ort des erstmaligen Inverkehrbringens von bestimmten Waren zu ermitteln, sei es durch ein selbstständiges Auslesen von Codes, eine Datenbank oder eine Anfrage. Dies war hier unstrittig der Fall, zumal ja nicht einmal im gerichtlichen Beweisverfahren unter Beiziehung eines Sachverständigen entsprechende Nachweise gelangen.
Letztlich wurde festgestellt, dass die Bekl mit ihren Lieferanten Codierungsvereinbarungen abschließt, in denen ihr diese zusichern, dass nur Ware geliefert wird, die vom Rechteinhaber oder mit dessen Zustimmung innerhalb des EWR in Verkehr gebracht worden war. Auch damit wird eine Voraussetzung erfüllt, die gem EuGH zu C-367/21 dazu führt, der Kl die Beweislast für das erstmalige Inverkehrbringen zuzuweisen.
Die Kl argumentiert in ihrer Revisionsbeantwortung schließlich, dass ausgehend von den Feststellungen über Preisunterschiede von lediglich weniger als 9 % bzw knapp über 8 % die grenzüberschreitenden Lieferungen im Binnenmarkt durch das Vertriebssystem der Kl nicht nachhaltig und erfolgreich unterbunden würden.
Der EuGH stellte allerdings zu C-367/21, Hewlett Packard, allein auf die Umstände ab, „wie sie in Rn 61 des vorliegenden Urteils aufgezeigt wurden“ (vgl Rn 66, 67), nämlich, „dass die Inhaberin der betreffenden Unionsmarken ein selektives Vertriebsnetz betreibt, in dessen Rahmen die mit diesen Marken versehenen Waren keine Kennzeichen aufweisen, die es Dritten ermöglichen würden, den Markt zu bestimmen, auf dem sie vertrieben werden sollen, dass die Markeninhaberin die Preisgabe dieser Information an Dritte ablehnt und dass die Lieferanten der Bekl nicht dazu geneigt sind, ihre eigenen Bezugsquellen offenzulegen“. Auch das anfragende Gericht hatte dort keine Preisunterschiede festgestellt oder eine tatsächliche Gefahr einer Marktabschottung konstatiert. Vielmehr ging der EuGH davon aus (vgl Rn 63), dass in derartigen Konstellationen eine Beweislast des Bekl dem Markeninhaber ermöglichen könnte, Parallelimporten entgegenzuwirken, obwohl die Beschränkung des freien Warenverkehrs, die daraus folgen würde, nicht durch den Schutz des Rechts aus dieser Marke gerechtfertigt wäre.
Im Ergebnis liegen daher alle zu C-367/21, Hewlett Packard, geforderten Voraussetzungen vor, um der Kl die Beweislast für das erstmalige Inverkehrbringen zuzuweisen, sodass die Negativfeststellung – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – zu Lasten der Kl geht.
Hinweis:
So auch OGH 22 .10. 2024, 4 Ob 56/24z. Dort hielt der OGH zudem fest: Dass ein Händler trotz einer grundsätzlich ablehnenden Haltung des Markeninhabers dennoch hinsichtlich jedes einzelnen Produkts eine konkrete Anfrage stellen müsste, wie die Kl in ihrer Revisionsbeantwortung verlangt, kann der Entscheidung C-367/21, Hewlett Packard, nicht entnommen werden.