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Erwerb eigener Aktien – Anfechtung eines Squeeze Out

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AktG: §§ 65 ff

1. Die §§ 65 ff AktG enthalten Regelungen für den Erwerb eigener Aktien. Gemäß § 65 Abs 1 AktG dürfen eigene Aktien nur zu bestimmten Zwecken erworben werden. Wurden eigene Aktien entgegen § 65 Abs 1, 1a, 1b oder 2 AktG erworben, müssen sie innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb veräußert werden (§ 65a Abs 1 AktG). Wurden eigene Aktien zulässigerweise erworben, entfallen auf sie jedoch mehr als zehn Prozent des Grundkapitals, so ist der übersteigende Anteil innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb zu veräußern (§ 65a Abs 2 AktG). Durch eine Veräußerungspflicht nur in diesen bestimmten Fällen ist zugleich die Frage entschieden, ob für eigene Aktien generell eine Veräußerungspflicht besteht: Aus einem Gegenschluss zu § 65a AktG ist abzuleiten, dass in den übrigen Fällen gerade kein Abbau des Bestands geboten ist; die Aktiengesellschaft darf daher zulässigerweise erworbene eigene Aktien bis zur 10%-Grenze auch auf Dauer behalten.

§ 65 Abs 1 Z 8 AktG gestattet den sogenannten „zweckneutralen“ Erwerb: Mit Zustimmung der Hauptversammlung ist der Erwerb grds zu jedem beliebigen Zweck gestattet (mit Ausnahme des „Handels in eigenen Aktien“). Eine gewisse Beschränkung des Zwecks des Erwerbs eigener Aktien bildet aber die Sorgfaltspflicht des Vorstands: Ein aus der Sicht der Aktiengesellschaft nicht vorteilhafter Erwerb eigener Aktien ist zwar bei Einhaltung der Vorgaben der §§ 65 ff AktG sowie des § 52 AktG und bei Angemessenheit des Erwerbspreises grds zulässig und wirksam (auch das schuldrechtliche Titelgeschäft); der Vorstand wird aber unter Umständen schadenersatzpflichtig, wenn er seinen Ermessensspielraum iSd Business Judgement Rule überschritten hat. Mögliche Zwecke für einen Aktienerwerb nach § 65 Abs 1 Z 8 AktG sind etwa die Kurspflege (soweit nicht schon ein unzulässiger Handel betrieben wird), betriebswirtschaftliche Gründe (Verringerung der Eigenkapitalquote und damit Verbesserung der Eigenkapitalrentabilität, in diesem Fall uU verbunden mit einer Einziehung der betreffenden Aktien), Rückkauf des Streubesitzes (insb zur Vorbereitung eines „Going Private“, uU ebenfalls verbunden mit einer Einziehung) oder die Beschaffung eigener Aktien als Gegenleistung für Akquisitionen. Bezüglich des weiteren Schicksals der erworbenen Aktien enthält § 65 Abs 1 Z 8 AktG keine zwingenden Vorgaben und keine generelle Pflicht zur Wiederveräußerung eigener Aktien; insb besteht keine Beschränkung der Behaltedauer.

2. Da der Gesetzgeber mit dem GesAusG bereits die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären vorgenommen hat, ist der Gesellschafterausschluss-Beschluss grds nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen, weil damit die gesetzliche Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses konterkariert würde; eine Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre vielmehr nur dann möglich, wenn gerade die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt würden.

Eine unzulässige Vorgehensweise kann aber vorliegen, wenn der Hauptaktionär die von ihm beherrschte Gesellschaft veranlasst, eigene Aktien entgegen den gesetzlichen Vorschriften zu erwerben (insb unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot), um damit die Beteiligungsschwelle zu erreichen. Betreibt der Hauptgesellschafter unter Berufung auf das Vorliegen der auf unzulässige Weise erreichten – absolut betrachtet niedrigeren – Beteiligungshöhe den Gesellschafterausschluss, handelt er rechtsmissbräuchlich. Der Ausschlussbeschluss kann in diesem Fall angefochten werden.

OGH 23. 4. 2020, 6 Ob 56/20h

Entscheidung

Zudem hat der OGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

-Gemäß § 1 Abs 2 letzter Satz GesAusG sind eigene Anteile der Gesellschaft oder Anteile, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, vom Gesamtnennkapital beziehungsweise von der Gesamtzahl der Stückaktien abzuziehen. Unter Berücksichtigung dieser Bestimmung ist dann zu berechnen, ob dem Hauptgesellschafter 90 % des Nennkapitals bzw bei Aktiengesellschaften mit Stückaktien, der Zahl der Aktien gehören.
Dies bedeutet für den Hauptgesellschafter eine Erleichterung beim Erreichen der Ausschlussschwelle: Durch das Halten der eigenen Anteile durch die Gesellschaft selbst oder durch einen Dritten für Rechnung der Gesellschaft (Treuhänder) verringert sich der relevante Gesamtnennbetrag für die Berechnung, sodass der Gesellschafter letztendlich absolut gesehen weniger Anteile auf sich vereinigen muss, um die Ausschlussschwelle zu erreichen.
§ 1 Abs 2 GesAusG ist nicht an den Vorgaben der Übernahmerichtlinie zu messen.
-Nach § 3 Abs 5 Z 3 und 4 GesAusG sind bei einer Aktiengesellschaft mindestens während eines Monats vor dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung ua allfällige Gutachten bereit zu stellen, auf denen die Beurteilung der Angemessenheit beruht, sowie die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre.
Nicht normiert ist im Gesetz ein Anspruch darauf, all jene Unterlagen und Rohdaten zur Verfügung gestellt zu bekommen, die in das Gutachten eingeflossen sind. Da die Aufzählung in § 3 Abs 5 GesAusG abschließend ist und die Z 4 lediglich die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre nennt, ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass auf Detaildaten wie Budgets und Mehrjahresplanungen kein Anspruch besteht.
-Eine Anfechtung des Gesellschafter-Ausschlussbeschlusses wegen Informationsverletzung ist nur zulässig, sofern die Voraussetzungen des § 195 Abs 4 Satz 1 AktG erfüllt werden. Wird zum Beispiel ein Gutachten eingeholt, jedoch entgegen § 3 Abs 5 Z 3 GesAusG nicht bereitgestellt, so ist die Anfechtung nur zulässig, wenn der Informationswert der Gutachten über jenen hinausgeht, der in den in § 3 Abs 13 GesAusG genannten Berichten enthalten ist. Ansonsten liegt bloß eine objektiv unwesentliche Informationsverletzung vor, die nicht zur Anfechtung berechtigt. Gleiches gilt für das Unterlassen der Auflage bzw die Auflage informationsleerer Bilanzunterlagen gem § 3 Abs 5 Z 4 GesAusG.
-Gemäß § 3 Abs 2 GesAusG sind die Richtigkeit des Berichts nach Abs 1 und die Angemessenheit der Barabfindung von einem sachverständigen Prüfer zu prüfen; § 220b Abs 35 AktG ist sinngemäß anzuwenden. Im Bericht des sachverständigen Prüfers muss daher eine Erklärung über die Angemessenheit der Abfindung einschließlich der nach § 220b Abs 4 Z 13 AktG geforderten näheren Erläuterungen (Bewertungsmethode, Begründung für gewählte Methoden, Auswirkungen unterschiedlicher Methoden) enthalten sein. Die Höhe der Abfindung legt der Prüfer aber nicht fest.
Grundsätzlich bestehen für den Prüfer keine weiteren Nachforschungspflichten, sofern die von Geschäftsführung und Hauptgesellschafter zur Verfügung gestellten Unterlagen plausibel sind und dem Prüfer die Grundlage für ein fundiertes Urteil geben. Wenn der Prüfer Mängel bei der Methodenwahl oder -anwendung feststellt, muss er selbst Vergleichszahlen ermitteln, um feststellen zu können, ob das Umtauschverhältnis noch angemessen ist.
Die Vornahme einer eigenen Unternehmensbewertung ist grundsätzlich nicht gefordert.
-Gemäß § 6 Abs 1 GesAusG kann die Anfechtung des Beschlusses über den Gesellschafterausschluss nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gem § 3 GesAusG den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen.
Somit können barabfindungsbezogene Informationsmängel ua in den Berichten gem § 3 Abs 13 GesAusG nicht mittels Anfechtungsklage geltend gemacht werden; dieser Anfechtungsausschluss bezieht sich auf Maßnahmen des der Hauptversammlung vorgelagerten Informationsregimes. Dieser Ausschluss ist damit zu erklären, dass die barabfindungsbezogenen Fragen grundsätzlich im Gremialverfahren zu klären sind.
Der Beschluss kann daher nach den Vorstellungen des Gesetzgebers wegen einer unangemessenen Abfindung ebenso wenig angefochten werden wie wegen diesbezüglich mangelnder Information (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 30). Dem Gesetzgeber ging es darum, Mängel iZm der Höhe der Abfindung und den dazu gelieferten Informationen in das Überprüfungsverfahren nach den §§ 225c ff AktG zu verweisen.
-Erläuterungen im Bericht des Sachverständigen, die den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen, sind mangelhafte Erläuterungen und verdängen das Anfechtungsrecht; das völlige Fehlen der Unterlagen oder der Angaben zum Umtauschverhältnis rechtfertigt hingegen grundsätzlich die Anfechtung.
Faktisch wird eine Anfechung des Gesellschafterausschlusses wegen Mängeln des Prüfungsberichts sehr weitgehend ausgeschlossen sein.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29543 vom 17.08.2020