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EuGH: Ablehnung der Vereinfachung der Berechnung des Pro-rata Satzes bei Versicherungsumsätzen als Hilfsumsätze

Bearbeiter: Christina Pollak

MwStSyst-RL: Art 135 Abs 1 lit a

MwStSyst-RL: Art 174

UStG: § 6 Abs 1 Z 9 lit c

UStG: § 15 Abs 1

Abstract

Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage, ob Versicherungsumsätze als Hilfsumsätze von der Vereinfachung der Ermittlung des Pro-rata Satzes in Art 174 Abs 2 MwStSyst-RL umfasst sind. Der EuGH lehnt dies ab, was zur Folge hat, dass Versicherungsumsätze für die Berechnung des Pro‑rata‑Satzes des Vorsteuerabzugs berücksichtigt werden müssen.

EuGH vom 8. 7. 2021, C-695/19, Rádio Popular

Sachverhalt

Rádio Popular verkaufte Haushaltsgeräte und Informatik‑ sowie Telekommunikationsartikel. Zusätzlich zum Verkauf dieser Waren bot Rádio Popular eine Garantieverlängerung für die gekauften Artikel an. Die Garantieverlängerung ergab sich aus einem Versicherungsvertrag, der zwischen einem Versicherungsunternehmen und dem Kunden geschlossen wurde. Rádio Popular trat als Vermittlerin für diese Umsätze auf und stellte, bei Abschluss einer Garantieverlängerung durch den Kunden, außer dem Preis des gekauften Artikels einen zusätzlichen Betrag, der für die Vermittlung des Verkaufs von Garantieverlängerungen verrechnet wurde, in Rechnung.

Den zusätzlich verrechneten Betrag behandelte Rádio Popular als steuerfreien Versicherungsumsatz und verrechnete keine MwSt an die Kunden. Die Vorsteuer zog Rádio Popular vollumfänglich ab. Bei einer Außenprüfung wurde der vollumfängliche Vorsteuerabzug versagt, weil die auf den Erwerb von nicht näher bezeichneten gemischt genutzten Waren und Dienstleistungen entrichtete Steuer nur in Höhe des Prozentsatzes (pro rata) abzugsfähig sei.

Entscheidung des EuGH

Kern dieser Entscheidung war die Frage, ob Art 174 Abs 2 lit b und c iVm 135 Abs 1 MwStSyst-RL auf den Vermittlungsumsatz anwendbar ist und somit der Betrag dieser Umsätze im Nenner des Bruchs für die Berechnung des Pro‑rata‑Satzes nicht zu berücksichtigen ist.

In einem ersten Schritt prüfte der EuGH, ob die Vermittlungsumsätze steuerbefreite Umsätze iSd Art 135 Abs 1 lit a MwStSyst-RL sind. Da Rádio Popular als Vermittlerin zwischen den Käufern und einem Versicherer auftritt, ist Rádio Popular selbst an den Versicherungsvertrag nicht gebunden, weshalb die Leistung von Rádio Popular als „dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und ‑vertretern erbracht werden“ eingeordnet werden kann. Der EuGH hielt fest, dass der Verkauf von Garantieverlängerungen für gekaufte Artikel in Form eines Versicherungsvertrags iSv Art 135 Abs 1 lit a MwStSyst-RL zu einem Versicherungsumsatz zugehörig anzusehen ist. Da Rádio Popular sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in unmittelbarem Kontakt steht und Rádio Popular damit Tätigkeiten ausübt, die im Wesentlichen mit der Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers zusammenhängen, handelt es sich um „dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und ‑vertretern erbracht werden“ (vorbehaltlich der Prüfung des nationalen Gerichts). Solche Umsätze fallen jedoch nicht unter die in Art 174 Abs 2 MwStSyst-RL vorgesehene Abweichung von der Berechnungsweise des Pro‑rata‑Satzes des Vorsteuerabzugs, weil diese Bestimmung nicht auf Art 135 Abs 1 lit a MwStSyst-RL verweist.

Der EuGH prüft weiters, ob die fraglichen Umsätze dennoch als „Hilfsumsätze mit Finanzgeschäften“ iSv Art 174 Abs 2 lit b MwStSyst-RL qualifiziert werden können. Der EuGH lehnt dies jedoch ab, weil Art 174 Abs 2 lit b und Art 135 Abs 1 lit a MwStSyst-RL unterschiedliche Umsätze betreffen und Versicherungsumsätze nicht mit Finanzumsätzen gleichgesetzt werden dürfen. Diese Feststellung kann auch nicht durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Frage gestellt werden. Dies hat zur Folge, dass der Betrag der vermittelten Garantieleistungen im Nenner des Bruchs für die Berechnung des Pro‑rata‑Satzes des Vorsteuerabzugs iSv Art 174 Abs 1 MwStSyst-RL berücksichtigt werden muss.

Conclusio

In der Rs Rádio Popular nimmt der EuGH eine klare Abgrenzung zwischen Versicherungsumsätzen und Finanzumsätzen vor. Auch in Österreich findet sich bei der Vereinfachung der Berechnung des Pro-rata Satzes in § 15 Abs 1 UStG ein ausschließlicher Verweis auf Finanzumsätze (§ 6 Abs 1 Z 8 UStG). Hilfsumsätze in Form von Versicherungsumsätzen (einschließlich der Vermittlung), die gem § 6 Abs 1 Z 9 lit c und Z 13 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, sind demnach auch in Österreich bei der Ermittlung des Pro-rata Satzes zu berücksichtigen und können folglich den zustehenden Vorsteuerabzug reduzieren.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31487 vom 27.09.2021