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MwStSyst-RL: Art 185
Abstract
Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage, ob ein Steuerpflichtiger den Vorsteuerabzug korrigieren muss, wenn er ursprünglich steuerpflichtige und -befreite Umsätze erbrachte, jedoch die steuerpflichtigen Umsätze in Folgejahren nicht mehr getätigt wurden. Eine Vorsteuerkorrektur ist notwendig, wenn ein Steuerpflichtiger das Erbringen von steuerpflichtigen Umsätzen willentlich einstellt.
EuGH vom 9. 7. 2020, C-374/19, Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler
Sachverhalt
Die Klägerin HF ist eine GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim umsatzsteuerfrei betreibt. 2003 errichtete die GmbH in einem Anbau zum Alten- und Pflegeheim eine Cafeteria, die sowohl für Besucher als auch für Heimbewohner zugänglich war. HF erklärte ursprünglich, dass sie ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze tätige und machte den Vorsteuerabzug der Errichtungskosten geltend.
Nach einer ersten Prüfung stellte das Finanzamt jedoch fest, dass auch Heimbewohner die Cafeteria besuchten. Es erfolgte eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges, wonach die Annahme getroffen wurde, die Cafeteria würde zu 10 % für die Benutzung von steuerbefreiten Umsätzen verwendet. In einer zweiten Prüfung stellte das Finanzamt fest, dass in den Jahren 2009–2012 keine Warenumsätze mehr getätigt wurden. Das Gewerbe wurde 2013 abgemeldet. Diese Feststellung veranlasste das Finanzamt zu einer zweiten Berichtigung, weil die Cafeteria nicht mehr für steuerpflichtige Umsätze, sondern ausschließlich für steuerbefreite Umsätze genutzt wurde.
Entscheidung des EuGH
Mit seiner Vorlagefrage befragte das Gericht den EuGH, ob die Einstellung der steuerpflichtigen Tätigkeit HF zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges verpflichtet. Grundsätzlich haben Steuerpflichtige das Recht auf Vorsteuerabzug von der im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer. Dieses Abzugsrecht jedoch setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für seine besteuerten Umsätze verwendet. Der in Art 184 bis 187 MwStSyst-RL vorgesehene Berichtigungsmechanismus soll die Genauigkeit der Vorsteuerabzüge erhöhen und dadurch die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleisten.
Einerseits ist Voraussetzung für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges, dass ein enger und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den erworbenen Waren oder Dienstleistungen und deren Verwendung für das Erbringen steuerpflichtiger Umsätze besteht. Entfällt dieser Zusammenhang, so liegt grundsätzlich eine Änderung iSv Art 185 MwStSyst-RL vor, die zu einer Berichtigung verpflichtet. Andererseits bleibt lt stRsp des EuGH das Recht auf Vorsteuerabzug aufrecht, wenn der Steuerpflichtige erworbene Waren oder Dienstleistungen aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht für besteuerte Umsätze verwendet (C-672/16, Imofloremira – Investimentos Imobiliários). In dieser stRsp des EuGH hat der Steuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen grundsätzlich für die Erbringung steuerpflichtiger Umsätze erworben, die sich anschließend nicht realisiert haben. Die Folge war, dass gar keine Umsätze getätigt wurden, obwohl der Steuerpflichtige grundsätzlich weiterhin willig gewesen wäre, steuerpflichtige Umsätze zu erbringen.
Der gegenständliche Fall unterscheidet sich von dieser stRsp insofern, als nur die besteuerten Umsätze weggefallen sind. Das Betreiben der Cafeteria wurde nicht eingestellt, sondern ausschließlich auf die Erbringung steuerbefreiter Umsätze beschränkt. Aus diesem Grund liegt eine grundsätzliche Änderung iSv Art 185 MwStSyst-RL vor (in Österreich umgesetzt in § 12 Abs 10 ff UStG) und der Steuerpflichtige ist zur Berichtigung der Vorsteuer verpflichtet.
Conclusio
Bei der Entscheidung, ob eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen ist, stellt der EuGH auf einen grundlegenden Faktor ab: Ist die Änderung der Umstände auf den Willen des Steuerpflichtigen zurückzuführen oder liegen diese Umstände außerhalb seines Einflussbereiches? In ersterem Fall ist verpflichtend eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen.