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EuGH: Berichtigung MWSt - ohne Anmeldung der Forderung

Bearbeiter: Markus Mittendorfer

MwSt-RL: Art 90; Art 273

Abstract

Eine nationale Regelung, nach der eine Änderung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage im Falle der Uneinbringlichkeit der Forderung versagt wird, wenn diese im Insolvenzverfahren des Schuldners nicht angemeldet wurde, verstößt gegen Art 90 Abs 1 MWStRL. Von einem Verstoß ist selbst dann auszugehen, wenn vom Steuerpflichtigen der Nachweis erbracht werden kann, dass die Forderung auch bei einer Anmeldung im Insolvenzverfahren nicht beigetrieben werden hätte können.

EuGH 11. 6. 2020, C-146/19, SCT d.d., ECLI:EU:C:2020:464

Sachverhalt

SCT nahm im Jahr 2014 eine Berichtigung der Mehrwertsteuer hinsichtlich offener Forderungen vor. Diese Forderungen bestanden gegenüber zwei Gesellschaften, über deren Vermögen im Jahr 2013 ein Insolvenzverfahren abgeschlossen wurde. SCT hatte diese Forderungen im Insolvenzverfahren allerdings nicht angemeldet, weshalb diese nach slowenischem Recht erloschen. Daraus schloss die slowenische Finanzverwaltung, dass die Voraussetzungen für die Berichtigung der Mehrwertsteuer nicht erfüllt seien, weil nach slowenischem Recht nur dann ein Berichtigungsanspruch besteht, wenn die betreffenden Forderungen gegenüber dem Insolvenzschuldner angemeldet wurden. Nachdem die Berichtigung von der Finanzverwaltung verweigert wurde, machte SCT im Zuge eines Rechtsmittels einen Verstoß gegen Art 90 MWStRL geltend, weil die Einschränkung der Berichtigungsmöglichkeit der Steuerbemessungsgrundlage nicht mit Art 90 Abs 2 MWStRL vereinbar sei. Der slowenische Oberste Gerichtshof ersuchte daraufhin den EuGH um eine Vorabentscheidung dahingehend, ob Art 90 Abs 2 MWStRL einer Regelung entgegensteht, die das Recht auf Verminderung der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit einer uneinbringlichen Forderung versagt, wenn diese Forderung im Insolvenzverfahren gegen den Schuldner nicht angemeldet wurde.

Erwägungen des EuGH

In seinem Urteil, in der Rs SCT (C-146/19), hatte sich der EuGH mit der unionsrechtlichen Vereinbarkeit der Einschränkung der Möglichkeit zur Berichtigung der Umsatzsteuer aufgrund uneinbringlichen Forderungen mit Art 90 Abs 2 MWStRL auseinanderzusetzen. Art 90 Abs 2 MWStRL sieht vor, dass im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung der Verpflichtung zur Verminderung der Bemessungsgrundlage nach Art 90 Abs 1 MWStRL abgesehen werden kann. Im konkreten Fall erloschen die Forderungen aufgrund der Nichtanmeldung, was zu einer endgültigen Verminderung der Verpflichtung der Schuldner gegenüber SCT führte. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Situationen, in welchen es zu einer endgültigen Verminderung der Verpflichtung des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern kommt, allerdings nicht als „Nichtbezahlung“ im Sinne des Art 90 Abs 2 MWStRL zu sehen. Eine solche Situation fällt unter Art 90 Abs. 1 MWStRL, aus dem sich die Verpflichtung zur Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage ergibt, sofern der Steuerpflichtige keine Gegenleistung erhalten hat. Art 273 MWStRL stellt es den Mitgliedstaaten zwar frei, Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerumgehung zu vermeiden. Diese Maßnahmen dürfen aber nur insoweit von den Regelungen über die Steuerbemessungsgrundlage abweichen, als dies für die Erreichung des Ziels zwingend erforderlich ist. Ist es dem Steuerpflichtigen möglich nachzuweisen, dass seine Forderungen auch dann uneinbringlich gewesen wären, wenn er diese angemeldet hätte, geht der Ausschluss der Möglichkeit zur Verminderung der Bemessungsgrundlage über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche hinaus, weil durch die Anmeldung kein zusätzlicher Schaden für den Mitgliedstaat vermieden werden hätte können.

Conclusio

Der EuGH stellt in der Rs SCT (C-146/19) klar, dass die Berichtigung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage aufgrund der Uneinbringlichkeit der Forderung wegen Insolvenz des Schuldners auch ohne Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren zu erfolgen hat. In Österreich ist die Änderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit in § 16 Abs 3 Z 1 UStG geregelt. Anforderungen an die Uneinbringlichkeit im Sinne einer Anmeldung im Insolvenzverfahren sieht das UStG nicht vor. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nicht zur vollständigen Uneinbringlichkeit einer Forderung (vgl zB VwGH 13. 11. 1978, 1636/77). Bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist jedoch von einer solchen auszugehen (vgl VwGH 20. 10. 2004, 2001/14/0128).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29505 vom 07.08.2020