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Taxes Consolidation Act 1997 (Irisches Steuerkonsolidierungsgesetz von 1997): Section 25
Abstract
Der EuGH hatte zu entscheiden, ob spezielle von Irland erlassene Steuervorbescheide eine unzulässige staatliche Beihilfe iSd Art 107 Abs 1 AEUV sind. In seinem Urteil befand der Gerichtshof, dass diese Steuervorbescheide Apple einen selektiven Vorteil verschafften, der den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrte. Damit bestätigte er die Bedenken der Europäischen Kommission. Das Urteil verpflichtet den Apple-Konzern zur Nachzahlung von rd 13 Mrd € an Steuern.
Sachverhalt
Der 1976 gegründete Apple-Konzern mit Sitz in Cupertino (Vereinigte Staaten) besteht aus der Apple Inc sowie den von ihr kontrollierten Unternehmen. Innerhalb des Konzerns gibt es zwei wesentliche Tochtergesellschaften, die nach irischem Recht gegründet wurden, jedoch steuerlich nicht in Irland ansässig sind: Die Apple Operations Europe Ltd (AOE) und die Apple Sales International Ltd (ASI). Im Laufe des Rechtsstreits wurde die AOE von der Apple Operations International Ltd (AOI) im Wege einer Verschmelzung aufgenommen und ab April 2023 durch die AOI als Partei ersetzt. Die Unternehmen sind 100%ige Tochtergesellschaften der Apple Inc. Sowohl ASI als auch AOE verfügen über eine Zweigniederlassung in Irland, die selbst jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit haben.
Im Januar 1991 und Mai 2007 erteilte die irische Finanzverwaltung, Steuervorbescheide (tax rulings), die die Berechnung der in Irland zu versteuernden Gewinne von AOE und ASI regelten. Für die Steuerbemessung wurde den irischen Zweigniederlassungen als Nettogewinn ein bestimmter Prozentsatz der in der Zweigniederlassung angefallenen Betriebskosten abzüglich bestimmter Ausgaben wie Materialkosten oder interne Verrechnungskosten zugewiesen. Die Gewinnberechnung der Zweigniederlassungen war dabei so gestaltet, dass nur ein geringer Teil der tatsächlichen Gewinne in Irland versteuert wurde, während der Großteil der Gewinne den anderen, nicht in Irland steuerpflichtigen Verwaltungseinheiten von ASI und AOE zugerechnet werden konnte.
Im Juni 2013 übermittelte die Kommission Irland ihr erstes Auskunftsersuchen über die in Irland üblichen Steuervorbescheide, insb die an ASI und AOE erteilten Bescheide. Im Juni 2014 eröffnete die Kommission mit Beschluss das förmliche Prüfungsverfahren, da sie die Ansicht vertrat, dass es sich bei den Bescheiden um staatliche Beihilfen iSd Art 107 Abs 1 AEUV handelte.
In ihrem Beschluss vom August 2016 stellte die Kommission fest, dass die beanstandeten Steuervorbescheide rechtswidrige Beihilfen waren. Sie führte aus, dass (1) die Steuervorbescheide dem Staat zuzurechnen sein, weil sie von der irischen Finanzverwaltung erlassen wurden (2) die Steuervorbescheide die Steuerschuld von ASI und AOE verringerten, woraus ein Verlust staatlicher Mittel resultierte (3) die Steuervorbescheide zu einer Abweichung des allgemeinen Körperschaftssteuersystem in Irland (insb Sec 25 TCA 97) führten und (4) die Vergünstigungen Apple einen mit dem EU-Wettbewerbsrecht unvereinbaren selektiven Vorteil gewährten. In den Steuervorbescheiden der irischen Finanzverwaltung wurden die Gewinne aus den gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums nicht den irischen Zweigniederlassungen zugewiesen, sondern den Verwaltungssitzen, obwohl diese außerhalb Irlands weder über physische Präsenz noch Mitarbeiter verfügten und damit nicht im Stande waren, die Lizenzen zu verwalten oder zu kontrollieren. Diese Art der Gewinnzuweisung war jedoch nicht fremdvergleichskonform und der dadurch entstandene Vorteil, der verringerten Steuerschuld für den Apple-Konzern war selektiv, da er anderen Unternehmen nicht zukam.
Da es sich laut Kommission um eine nicht angemeldete rechtswidrige staatliche Beihilfe handelte, die gem Art 107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar war, habe Irland die durch die beanstandeten Steuervorbescheide gewährten Beihilfen zurückzufordern. Gegen den Beschluss der Kommission erhob Irland und darauffolgend auch ASI und AOE Klage auf Nichtigerklärung. Infolge der Klage gegen den Beschluss der Kommission erklärte das Gericht den streitigen Beschluss in vollem Umfang für nichtig, weil es der Auffassung war, dass die Kommission nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass ein Vorteil iSv Art 107 Abs 1 AEUV vorlag.
Im September 2020 legte die Kommission das Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts ein.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH gab dem Rechtsmittel der Kommission statt und hob das Urteil des Gerichts tw auf. Das Gericht nahm fälschlicherweise an, dass die Kommission die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE im Rahmen der Anwendung von Sec 25 TCA 97 im Wege eines Ausschlussverfahrens geprüft hätte. Ua machte das Gericht Fehler, indem es unzulässige Beweise heranzog und zudem ein falsches rechtliches Kriterium bei der Prüfung der Tätigkeiten innerhalb des Apple-Konzerns anwandte, weil es die Funktionen der Muttergesellschaft Apple Inc in die Beurteilung einbezog. Der Gerichtshof entschied sich, den Rechtsstreit nicht an das Gericht zurückzuverweisen.
Der Gerichtshof analysierte, ob durch die Steuervorbescheide ein selektiver Vorteil vorlag. Dafür bediente er sich eines dreistufigen Schemas: (1) Bestimmung des Bezugsrahmens, (2) Prüfung der Abweichung und (3) Beurteilung einer möglichen Rechtfertigung dieser Abweichung durch die Systematik des irischen Steuersystems. Der Gerichtshof kam dabei zu dem Schluss, dass die Steuervergünstigungen ASI und AOE einen selektiven Vorteil verschafften und dass dieser Vorteil nicht durch die Natur und Logik des irischen Steuersystems gerechtfertigt war.
Des Weiteren untersuchte der EuGH, ob die gewährten Vorteile aus staatlichen Mitteln stammten. Nach der stRsp kann eine Maßnahme auch dann als staatliche Beihilfe gelten, wenn sie keine direkte Übertragung öffentlicher Mittel umfasst, sondern aus einem Verzicht des Staates auf Einnahmen resultiert, die normalerweise hätte erzielt werden können (mit Verweis auf EuGH 17. 11. 2009, C-169/08, Presidente del Consiglio dei Ministri, ECLI:EU:C:2009:709, Rn 57 mwN). Der Gerichtshof bestätigte, dass die beanstandeten Steuervorbescheide von ASI und AOE zu einer Reduzierung der Körperschaftsteuer führten, die unter normalen Marktbedingungen zu versteuern gewesen wären. Dies führte dazu, dass Irland auf Steuereinnahmen verzichtete, was einer Subvention im strengen Sinne des Wortes nach Art und Wirkung gleichstand.
Der Gerichtshof stellte darüber hinaus fest, dass auch steuerliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten, wie Steuervorbescheide dem Unionsrecht unterliegen, selbst wenn der jeweilige Bereich unionsrechtlich nicht harmonisiert ist. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Zuständigkeit im Bereich der direkten Steuern, einschließlich des Erlasses von Steuervorbescheiden, im Einklang mit dem Unionsrecht ausüben und dürfen dabei keine Maßnahmen erlassen, die staatliche Beihilfen darstellen, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind. Der Gerichtshof bestätigte die von der Kommission angewandte Methode, die steuerliche Behandlung der von den Steuervorbescheiden betroffenen Unternehmen (ASI und AOE) mit derjenigen zu vergleichen, die ohne diese Vorbescheide gemäß der allgemeinen irischen Steuerregelung zur Anwendung gekommen wäre. Dabei sei es korrekt, den durch die Vorbescheide gewährten Vorteil anhand der Differenz zu berechnen, die sich ergibt, wenn die normalen Steuerregeln angewendet werden. Die Vorbescheide hatten zu einer erheblichen Reduzierung der Körperschaftsteuer geführt, was ASI und AOE einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffte. Das Vorbringen Irlands, dass die Kommission dabei eine unzulässige Harmonisierung des nationalen Steuerrechts vorgenommen hätte, wurde zurückgewiesen, da die Kommission lediglich überprüft hatte, ob die angewandten Methoden mit den Vorgaben des Unionsrechts in Bezug auf staatliche Beihilfen übereinstimmten. Die Einstufung von ASI und AOE als steuerlich gesehen staatenlos wurde dabei als ins Leere gehend betrachtet, da diese Einstufung keinen Einfluss auf die Feststellung des selektiven Vorteils hatte. Letztlich wurden die Klagegründe Irlands und der Apple-Gesellschaften, die behaupteten, die Kommission habe ihre Befugnisse überschritten, zurückgewiesen.
Conclusio
Die Entscheidung des EuGH überrascht, weil der Gerichtshof in ähnlich gelagerten Sachverhalten in den letzten Jahren zu einem anderen Ergebnis gekommen ist: Im Fall Fiat Chrysler entschied der EuGH, dass die Kommission keine ausreichende Prüfung vorgenommen hat, um nachzuweisen, dass die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Luxemburg im Widerspruch zu einer nicht diskriminierenden Besteuerung steht, da sie nicht alle relevanten nationalen Vorschriften berücksichtigt hatte (EuGH 8. 11. 2022, C-885/19 P und C-898/19 P, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, ECLI:EU:2022:859, Rn 122-123). In dieser Entscheidung stellte der EuGH fest, dass außerhalb der harmonisierten Bereiche des Steuerrechts der Union allein das nationale Recht des Mitgliedstaats maßgeblich ist, um das für die Beurteilung der Selektivität unerlässliche Bezugssystem zu bestimmen. Auch in der Rs Engie entschied der EuGH gegen das Vorliegen einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe, weil der Kommission Fehler in ihrer Prüfung des Referenzrahmen unterlaufen sind, die die Steuerautonomie der Mitgliedstaaten missachteten (EuGH 5. 12. 2023, C-451/21 P und C-454/21 P, Luxemburg/Kommission, ECLI:EU:2023:948, Rn 180 ff).
Es stellt sich die Frage, inwiefern die früheren Entscheidungen mit der aktuellen Entscheidung in Einklang gebracht werden können, welche Folgen sich aus der veränderten Bewertung des EuGH ergeben oder ob die unterschiedlichen Urteile lediglich auf die spezifischen Umstände der jeweiligen Fälle zurückzuführen sind.
Wie auch in den anderen Entscheidungen stützte der EuGH seine Entscheidung auf die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der EU, genauer auf Art 107 AEUV bezüglich staatlicher Beihilfen, um die steuerliche Gestaltung zu beurteilen. Die Bewertung erwies sich als komplex, weil dabei zwingend der Bezug zum irischen Körperschaftsteuersystem, dem relevanten nationalen Bezugsrahmen, hergestellt werden musste. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, das Funktionieren des Binnenmarktes zu schützen, indem sichergestellt wird, dass die Regeln des Wettbewerbs nicht durch nationale Maßnahmen in nicht harmonisierten Bereichen wie dem Steuerrecht umgangen werden können. Die Entscheidung des EuGH verdeutlicht die Bedeutung der Einhaltung einheitlicher Wettbewerbsstandards zur Wahrung fairer Marktbedingungen innerhalb der EU, auch im Bereich des Steuerrechts.
Bemerkenswert, aber der Funktionsweise des Beihilfenrechts geschuldet, ist, dass Irland, obwohl es im Rechtsstreit auf der Seite von Apple stand und gegen den Beschluss und die Feststellungen der Kommission klagte, letztlich das Land ist, das die Steuernachzahlungen iHv rd 13 Mrd € erhalten wird. Irland hatte die Position eingenommen, dass die Steuervorbescheide rechtmäßig und im Einklang mit den nationalen Vorschriften erlassen worden seien. Das Urteil macht deutlich, dass Mitgliedstaaten nicht uneingeschränkt über ihre Steuerpolitik entscheiden können, wenn deren Maßnahmen den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten.
Das Urteil unterstreicht den Schutz des Binnenmarktes, markiert jedoch keine grundlegende Wende in der Rsp. In einem neun Tage später erlassenen Urteil lehnte der EuGH die Qualifizierung steuerrechtlicher Bestimmungen des Vereinigten Königreiches als unrechtmäßige staatliche Beihilfe ab, weil der Kommission und dem Gericht ein Rechtsfehler unterlief, indem sie einen falschen Referenzrahmen heranzogen (EuGH 19. 9. 2024, C-555/22 P, C-556/22 P und C-564/22 P, Vereinigtes Königreich/Kommission ua, ECLI:EU:C:2024:763).