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EuGH: Der Vorsteuerabzug bei wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Tätigkeit

Bearbeiter: Christina Pollak

MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1 lit c

Abstract

Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage des Vorsteuerabzugs von öffentlich-rechtlichen Unternehmern. Der EuGH betont, dass der Vorsteuerabzug nur für die wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmers zusteht. Die Festlegung der Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge obliegt dem Ermessen der Mitgliedstaaten.

EuGH vom 16. 9. 2021, C-21/20, Balgarska natsionalna televizia

Sachverhalt

Balgarska natsionalna televizia („BNT“) ist ein öffentlich-rechtlicher Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten und erbringt Mediendienste an alle bulgarischen Bürger. BNT erhält für die Erbringung der Mediendienste kein Entgelt von den Zuschauern, sondern finanziert sich durch einen (gesetzlich geregelten) Zuschuss aus dem Staatshaushalt und durch eigene Einkünfte aus Werbung, Sponsoring, Spenden und anderen Nebentätigkeiten.

BNT wandte für den Vorsteuerabzug die Methode der sog „direkten Zuweisung“ an und berücksichtigte jeden von ihm getätigten Kauf einzeln, je nachdem, ob er für eine „gewerbliche“ Tätigkeit wie Unterhaltungssendungen, Filme oder Sportsendungen verwendet werden kann, oder für eine Tätigkeit, die mit der Ausübung seiner „öffentlichen Aufgabe“ wie der Ausstrahlung von Sitzungen des parlamentarischen Kontrollgremiums, der Übertragung von religiösen Zeremonien oder des Wahlkampfs in Verbindung steht. Die Vorsteuer für die zum Zweck seiner „gewerblichen“ Tätigkeiten getätigten Käufe zog BNT vollständig ab, die Vorsteuer für „gemischte“ Einkäufe zog BNT zum Teil ab.

Die bulgarischen Steuerbehörden lehnten ein Recht zum vollständigen Vorsteuerabzug für die bezogenen Leistungen ab, mit der Begründung, dass die Werbetätigkeit von BNT steuerbar sei, während die Tätigkeit der Programmausstrahlung zu den befreiten Umsätzen zähle. BNT könne die Vorsteuer nicht vollständig abziehen, weil es unmöglich sei festzustellen, ob die für seine wirtschaftliche Tätigkeit getätigten Käufe für mehrwertsteuerpflichtige Umsätze bestimmt seien oder für mehrwertsteuerbefreite Umsätze. BNT könne die Vorsteuer für diese Käufe nur dann vollständig abziehen, wenn die Tätigkeiten der Ausstrahlung von Sportsendungen, der Erstellung und Ausstrahlung von Unterhaltungssendungen sowie der Ausstrahlung ausländischer Filme vollständig durch Werbeeinnahmen und nicht durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt finanziert würden. Dies sei hier nicht der Fall.

Entscheidung des EuGH

Mit seinen Vorlagefragen fragte das bulgarische Gericht den EuGH (i) ob die Erbringung von audiovisuellen Mediendiensten, die durch einen Staatszuschuss finanziert werden, eine Dienstleistung gegen Entgelt sind und (ii) ob BNT zum vollen oder teilweisen Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. Der vorliegende Newsbeitrag konzentriert sich auf die zweite beantwortete Vorlagefrage.

Das Recht auf Vorsteuerabzug ist integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Bezieht ein Steuerpflichtiger jedoch Gegenstände oder Dienstleistungen, die mit steuerbefreiten Umsätzen oder nicht steuerbaren Umsätzen zusammenhängen, kann weder der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden noch Mehrwertsteuer auf der folgenden Stufe erhoben werden.

Steuerpflichtige sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit die Vorsteuer sich auf Tätigkeiten bezieht, die aufgrund ihres nicht wirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt. Nicht steuerbare Umsätze müssen demnach bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs gem Art 173-175 MwStSyst-RL unberücksichtigt bleiben. Die Festlegung der Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten steht im Ermessen der Mitgliedstaaten. Dabei müssen die Mitgliedstaaten den Zweck und die Systematik der MwStSyst-RL berücksichtigen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

Conclusio

In der zweiten beantworteten Frage der Rs Balgarska natsionalna televizia hebt der EuGH hervor, dass die Aufteilungsmechanismen der Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten im nationalen Recht normiert werden müssen. In Österreich ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob mind 10 % der erworbenen Leistungen für die wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden. Ist eine Nutzung von mind 10 % für die wirtschaftliche Tätigkeit nicht gegeben, so besteht kein Vorsteuerabzugsrecht (siehe Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2428). Ist eine Nutzung von mind 10 % gegeben, ist für die Aufteilung der Vorsteuern ein Maßstab zu wählen, der im Einzelfall zu einem möglichst sachgerechten Ergebnis führt (siehe UStR 2000, Rn 1912b mit Verweis auf VwGH 24. 4. 1980, 2730/77; VwGH 29. 1. 2014, 2010/13/0006).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31756 vom 30.11.2021