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EuGH: Die Auswirkung des Überschreitens von Fristen im Informationsaustauschverfahren auf Umsatzsteuerprüfungen

Bearbeiter: Christina Pollak

VO (EU) 904/2010: Art 10, Art 11, Art 12

Abstract

Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der nach Art 10 VO (EU) 904/2010 dreimonatigen Frist für den Informationsaustausch. Der EuGH betont, dass die VO (EU) 904/2010 zum Informationsaustausch zwischen den Behörden dient und keinerlei Rechte oder Verpflichtungen für Steuerpflichtige begründet.

EuGH 30. 9. 2021, C-186/20, Hydina SK

Sachverhalt

Die slowakische Beschwerdeführerin (Bf) machte für die Lieferung von Fleischerzeugnissen das Recht auf Vorsteuerabzug aus Rechnungen der ebenfalls in der Slowakei ansässigen ARGUS Plus spol. s r.o. geltend. Mit einem Steuerprüfungsverfahren wurde dieser Vorsteueranspruch überprüft. IZm dem Beweiserhebungsverfahren stellten die slowakischen Behörden zwei Informationsersuchen gemäß der VO (EU) 904/2010 an Polen und Ungarn zur Prüfung, ob ARGUS Plus die in Rechnung gestellten Waren tatsächlich an die Bf geliefert hatte. Die Steuerbehörden kamen zu dem Ergebnis, dass die Bf keinen Nachweis für die Lieferungen durch ARGUS erbracht habe und setzte die Mehrwertsteuer ohne den Vorsteuerbetrag fest.

Die Bf brachte vor, dass die lange Durchführung der Steuerprüfung von ca 19 Monaten nicht rechtmäßig sei, weil das slowakische Gesetz eine Maximaldauer von 12 Monaten für Steuerprüfungen vorsieht. Die Dauer der Steuerprüfung war bedingt durch zwei Aussetzungen der Steuerprüfung, in denen die Informationsersuchen an die anderen Mitgliedstaaten gestellt wurden, wobei die Antwort von Polen nicht innerhalb der in Art 10 VO (EU) 904/2010 vorgesehenen dreimonatigen Frist erfolgte.

Entscheidung des EuGH

Kern dieser Entscheidung war die Frage, ob ein Überschreiten der in Art 10 VO (EU) 904/2010 iVm ErwGr 25 normierten dreimonatigen Frist die Rechtswidrigkeit der Aussetzung der Steuerprüfung zur Folge haben kann.

Dem Wortlaut folgend, sieht Art 10 VO (EU) 904/2010 eine möglichst rasche Beantwortung durch die ersuchte Behörde vor, spätestens jedoch drei Monate nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Ersuchens. ErwGr 25 der VO (EU) 904/2010 normiert weiters, dass es sich bei der Frist in Art 10 VO (EU) 904/2010 um eine Höchstfrist handelt.

Um die Tragweite von Art 10 VO (EU) 904/2010 bestimmen zu können, sind jedoch auch Art 11 und 12 VO (EU) 904/2010 zu untersuchen, wonach auch andere Fristen vereinbart werden können (Art 11 VO [EU] 904/2010) und bei nicht Einhaltung der Frist, die ersuchte Behörde die ersuchende Behörde über die Verzögerung unmittelbar informieren muss (Art 12 VO [EU] 904/2010). Daraus ergibt sich, dass auch außerhalb der dreimonatigen Frist die Möglichkeit besteht, auf ein Informationsersuchen zu antworten.

Zudem beziehen sich die Fristen ausschließlich auf das Verhältnis der Behörden untereinander, nicht auf das Verhältnis zum Steuerpflichtigen. In dieser Hinsicht sehen Art 10−12 VO (EU) 904/2010 keine Folgen für die Steuerpflichtigen oder Steuerbehörden vor − für den Steuerpflichtigen eröffnet Art 10 VO (EU) 904/2010 keinerlei Rechte und zieht keinerlei Folgen nach sich.

Auch das verfolgte Ziel der VO (EU) 904/2010 bestätigt diese Auslegung. Die VO soll dazu beitragen, die richtige Festsetzung der Mehrwertsteuer sicherzustellen, weil oft die Kontrolle der richtigen Anwendung der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Umsätzen von Informationen von Behörden aus anderen Mitgliedstaaten abhängt. Somit soll sie eine Verwaltungszusammenarbeit zum Zweck des Austauschs von Informationen ermöglichen und kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie den Steuerpflichtigen spezifische Rechte einräumt, die maximale Dauer von Steuerprüfungen festsetzt oder eine Voraussetzung für die Aussetzung einer Steuerprüfung ist, weil es in dieser Verordnung keine ausdrückliche(n) Bestimmung(en) in diesem Sinne gibt.

Conclusio

Durch die Rs Hydina SK wird der Umfang und Adressatenkreis der VO (EU) 904/2010 hervorgehoben. Die VO (EU) 904/2010 soll den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten sichern. Dabei sind jedoch keine Rechte oder Pflichten für Steuerpflichtige vorgesehen. In dieser Hinsicht kann sich ein Überschreiten der dreimonatigen Frist in Art 10 VO (EU) 904/2010 auch nicht auf die Rechtmäßigkeit einer nationalen Steuerprüfung auswirken.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31880 vom 27.12.2021