News

EuGH: Die Verwaltung von Urheber- und verwandten Schutzrechten ist eine Dienstleistung

Bearbeiter: Bence Péter Komár

MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1 lit c, Art 24 Abs 1, Art 25 lit c und Art 28

Abstract

Eine rumänische Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten zog kraft Gesetzes Vergütungen für die Rechtsinhaber solcher Schutzrechte ein. Sie verteilte und schüttete die Vergütungen zwischen bzw an die Rechtsinhaber aus. Die Leistungen, für die die Vergütungen eingezogen wurden, unterlagen nicht der MwSt. Der EuGH befasste sich mit der Frage, ob die Verwaltungstätigkeit der Organisation dennoch eine steuerbare Dienstleistung iSd Art 2 Abs 1 lit c, Art 24 Abs 1 und Art 25 lit c MwStSyst-RL ist.

EuGH 4. 7. 2024, C-179/23, Credidam

Sachverhalt

Credidam ist eine rumänische Organisation für kollektive Rechtewahrnehmung von Urhebern und Rechtsinhabern verwandter Schutzrechte. Nach gesetzlicher Anordnung zieht Credidam Beträge, auf die die Rechtsinhaber einen Anspruch haben, ein; sie verteilt die Beträge zwischen den Rechtsinhabern und schüttet sie an diese aus (kollektive Verwaltung). Ebenso nach gesetzlicher Anordnung schulden die Rechtsinhaber Credidam eine Verwaltungsgebühr iHv 15 % der einbezogenen Beträge. Nach einem Regierungserlass waren Ausgleichsvergütungen für die Fertigung von Privatkopien nicht steuerbar. Dennoch war die Einbeziehung und Ausschüttung der nicht steuerbaren Ausgleichzahlungen zugunsten der Rechtsinhaber durch Organisationen wie Credidam iSd Erlasses steuerbar. Credidam begehrte die Aufhebung des Regierungserlasses. Da die Verwaltungsgebühren für die Rechtewahrnehmung durch Credidam akzessorisch zu den Vergütungen der Rechtsinhaber sei, könne die Rechtewahrnehmung auch nicht steuerbar sein. Im Instanzenzug gelangte der Fall vor den Obersten Kassations- und Gerichtshof Rumäniens. Dieses Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Verwaltungsgebühr für die Rechtewahrnehmung durch eine Organisation wie Credidam auch dann steuerbar ist, wenn die Vergütung selbst, auf die sie sich bezieht, nicht der MwSt unterliegt.

Entscheidung des EuGH

Gem Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL unterliegen Dienstleistungen, die ein Stpfl als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der MwSt. Jeder Umsatz, der keine Lieferung ist, ist eine Dienstleistung gem Art 24 Abs 1 MwStSyst-RL. Auch die Erbringung einer Dienstleistung kraft Gesetzes ist gem Art 25 lit c eine Dienstleistung. Der EuGH widmete sich zunächst der Frage, ob die genannten Dienstleistungen Credidamsgegen Entgelt“ iSd Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL erbracht werden. Eine Dienstleistung wird dann „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden (mVa EuGH 15. 4. 2021, C‑846/19, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, EU:C:2021:277, Rn 36). Im Ausgangsverfahren wird zwischen den Rechtsinhabern und Credidam ein Rechtsverhältnis durch Gesetz begründet. Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses werden gegenseitige Leistungen ausgetauscht: Credidam nimmt die Urheber- und verwandten Schutzrechte für die Rechtsinhaber wahr und diese zahlen Credidam eine Verwaltungsgebühr für die Rechtewahrnehmung. Nach EuGH-Rsp kann ein MwSt-lich relevantes Rechtsverhältnis auch durch Gesetz begründet werden (EuGH 21. 1. 2021, C‑501/19, UCMR – ADA, EU:C:2021:50, Rn 36 f). Die Umsätze der kollektiven Rechtewahrnehmung sind daher gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen iSd Art 2 Abs 1 lit c, Art 9 Abs 1, Art 24 Abs 1 und Art 25 lit c MwStSyst-RL.

Im Folgenden adressierte der EuGH das Argument Credidams der Akzessorietät iSd Art 28 MwStSyst-RL. Demnach würde Credidam eine Mittlertätigkeit ausüben. Sie erbringe Dienstleistungen an Dritte, die von den Rechtsinhabern selbst an sie erbracht würden, nämlich die Erlaubnis der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke gegen Entgelt. Der EuGH verneinte allerdings die Anwendung des Art 28 MwStSyst-RL, weil nicht zwei idente Umsätze vorlägen. Die Rechtsinhaber erbringen nämlich keine Dienstleistungen, bei der die kollektive Rechtewahrnehmung hinzuträte. Der EuGH wirft zwar die Frage auf, ob die Rechtewahrnehmung als eine Nebenleistung eingestuft werden könnte, die die Hauptleistung (Duldung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke) ergänzt. Er verneint jedoch die Frage aufgrund des Sachverhalts im Ausgangsverfahren.

Die kollektive Rechtewahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten sei daher im Ergebnis eine steuerbare Dienstleistung, auch wenn die einbezogenen Vergütungen zugunsten der Rechtsinhaber selbst nicht der MwSt unterliegen.

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung steht im Einklang mit der Rsp des EuGH zur Frage des Leistungsaustausches (EuGH 15. 4. 2021, C‑846/19, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, EU:C:2021:277, Rn 36; 29. 10. 2015, C‑174/14, Saudaçor, EU:C:2015:733, Rn 32 ua). Der Gerichtshof bestätigt einmal mehr, dass das Kriterium der Entgeltlichkeit iSd Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL auch dann erfüllt wird, wenn ein Rechtsverhältnis nicht durch privatautonome Vertragsgestaltung, sondern durch einen hoheitlichen Rechtsakt begründet wird. Der EuGH wirft die Frage auf, ob die Verwaltungstätigkeit als eine Nebenleistung eingestuft werden kann, die die Hauptleistung (Duldung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke) ergänzt. Die Frage wird zwar verneint. Die Tatsache, dass der EuGH diese Problematik thematisiert, lässt jedoch folgende Schlussfolgerung zu: Wäre die Verwaltungstätigkeit Credidams tatsächlich eine Nebenleistung, dann würde diese das Schicksal der Hauptleistung teilen. Dann gäbe es tatsächlich zwei idente Leistungen: Duldung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. Wenn diese Leistung auf Ebene der Rechtsinhaber nicht steuerbar ist, dann wäre sie gem Art 28 MwStSyst-RL auf Ebene Credidams auch nicht steuerbar (s auch EuGH 14. 7. 2011, C‑464/10, Henfling ua, EU:C:2011:489, Rn 36).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36191 vom 12.12.2024