Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der ÖStZ erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
8. MwSt-RL (RL 79/1072/EWG heute RL 2008/9/EG): Art 3
8. MwSt-RL (RL 79/1072/EWG heute RL 2008/9/EG): Art 4
Abstract
Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage der zeitgerechten Nachreichung von Unterlagen im Vorsteuererstattungsverfahren. Der EuGH betont, dass die Entscheidung, ob Nachreichungen von Unterlagen und Informationen erst im Rechtsmittelverfahren als noch zeitgerecht eingereicht gelten, in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fällt.
EuGH 9. 9. 2021, C-294/20, GE Auto Service Leasing
Sachverhalt
Die GE Auto Service Leasing GmbH (im Folgenden: Auto Service), eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, brachte in Spanien fristgerecht Vorsteuerrückerstattungsanträge für die Jahre 2005 und 2006 ein. Die spanische Steuerverwaltung richtete am 19. 3. 2008 zwei Auskunftsersuchen an Auto Service, in denen die Originalrechnungen und weitere Informationen zu den erworbenen Waren und Dienstleistungen angefordert wurden. Auto Service kam dem Ersuchen nicht nach, sodass die spanische Steuerverwaltung mit Entscheidung datiert auf den 18. 2. 2009, zugestellt am 21. 4. 2009, die Erstattungsanträge zurückwies. Am 20. 2. 2009 übermittelte Auto Service die angeforderten Informationen und einige Rechnungsbelege. Gegen die Zurückweisung erhob Auto Service Einspruch, woraufhin die spanische Steuerverwaltung ein zweites Auskunftsersuchen stellte und die zugrundeliegenden Verträge und ausgestellten Rechnungen durch Auto Service sowie weitere Informationen anforderte. Diesem Auskunftsersuchen kam Auto Service nicht nach.
Da die spanische Steuerverwaltung nicht über alle erforderlichen Unterlagen verfügte, wies sie am 1. 2. 2010 den Einspruch zurück und bestätigte die Versagung der Erstattung mit der Begründung, dass Auto Service nicht nachgewiesen habe, dass die Vorsteuerrückerstattungs-anträge begründet seien. Auch diese abweisende Entscheidung wurde von Auto Service angefochten. In weitere Folge legte Auto Service der Rechtsmittelbehörde die angeforderten Rechnungen, Verträge und Informationen vor. Die Rechtsmittelbehörde wies den Rechtsbehelf von Auto Service mit der Begründung zurück, dass die einschlägigen Nachweise dem zuständigen Verwaltungsorgan hätten vorgelegt werden müssen und somit im Verwaltungsbeschwerde-verfahren nicht mehr vorgelegt werden können.
Entscheidung des EuGH
Kern dieser Entscheidung war die Frage, ob ein Vorsteuerrückerstattungsantrag zurückgewiesen werden darf, wenn die zusätzlich angeforderten Dokumente und Auskünfte nicht innerhalb der festgesetzten Frist übermittelt wurden, sondern erst im Rechtsmittelverfahren vorgelegt wurden.
Aus Art 3 und 4 der Achten MwSt-RL geht hervor, dass einem Steuerpflichtigen die Erstattung der Mehrwertsteuer nur gewährt werden kann, wenn er die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Pflichten erfüllt, zu denen die Vorlage der Originale der Rechnungen oder Einfuhrdokumente für mehrwertsteuerpflichtige Umsätze im Mitgliedstaat der Erstattung zählen. Der Ausgangsrechtsstreit betrifft nicht die formale Anforderung der Erbringung der Nachweise, sondern den Zeitpunkt, zu dem diese Nachweise erbracht wurden.
Hierzu hielt der EuGH bereits fest, dass das Recht auf Vorsteuerabzug Steuerpflichtigen, die unvollständige Rechnungen vorweisen, verweigert werden kann, auch wenn die Steuerpflichtigen durch die Vorlage von Informationen zum Beweis des tatsächlichen Vorliegens, der Natur und des Betrags der berechneten Umsätze nach Erlass einer solchen ablehnenden Entscheidung durch die Steuerverwaltung vervollständigt werden (EuGH 8. 5. 2013 C‑271/12, Petroma Transports ua, Rn 34−36). Allerdings verbieten die Bestimmungen der Achten MwSt-RL es auch nicht, Berichtigungen von unvollständigen Rechnungen nach Erlass einer abwesenden Entscheidung zuzulassen (EuGH 14. 2. 2019, C‑562/17, Nestrade, Rn 33).
Nationale Vorschriften, wonach Nachweise nicht berücksichtigt werden dürfen, die nach Erlass einer zurückweisenden Entscheidung über den Vorsteuererstattungsantrag vorgelegt werden, richten sich gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie nach dem innerstaatlichen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten. Dabei müssen die Vorschriften dem Äquivalenzgrundsatz und dem Effektivitätsgrundsatz entsprechen (vgl EuGH 14. 2. 2019, C‑562/17, Nestrade, Rn 35). Die Prüfung, ob diese zwei Grundsätze im gegebenen Fall eingehalten wurden, ist dem nationalen Gericht vorbehalten.
Zudem betonte der EuGH in seiner Beantwortung der zweiten Vorlagefrage, dass die bloße Tatsache, dass der Steuerpflichtige Unterlagen und Auskünfte erst im Rechtsmittelverfahren vorgelegt hat, als solche nicht als missbräuchliche Praxis angesehen werden kann.
Conclusio
Durch die Rs GE Auto Service Leasing wird die zeitgerechte Einreichung aller notwendigen Unterlagen zum Nachweis des Anspruchs auf Vorsteuererstattung im Vorsteuererstattungsverfahren deutlich. Wurden unvollständige Anträge eingereicht, sollten die nationalen Steuerbehörden ein Ergänzungsersuchen erlassen, in denen die Nachreichung der Unterlagen und Informationen angefordert wird. Ob Nachreichungen von Unterlagen und Informationen nach Erlass eines Ergänzungsersuchens auch noch im Rechtsmittelverfahren möglich sind, ist abhängig vom nationalen Recht, in dem der Vorsteuerrückerstattungsantrag eingebracht wurde.