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EuGH: Die Zuordnungsentscheidung von Gegenständen für den Vorsteuerabzug

Bearbeiter: Christina Pollak

MwStSyst-RL: Art 167, Art 168 lit a

Abstract

Der EuGH beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage, ob das nationale Recht eine Fallfrist vorsehen darf, innerhalb der die Zuordnung der Gegenstände zur unternehmerischen oder privaten Nutzung ausgeübt werden muss. Der EuGH bestätigt das rechtmäßige Bestehen von Fallfristen, solange die Grundsätze der Äquivalenz, Effektivität und Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

EuGH vom 14. 11. 2021, Verbundene Rechtssachen C-45/20 und C-46/20, Finanzamt N (Communication de l‘affectation)

Sachverhalt 1 (C-45/20)

E erbaute ein Einfamilienhaus mit einem Arbeitszimmer. Die Rechnungen für den Bau des Hauses wurden zwischen Oktober 2014 und November 2015 gestellt. In seiner Umsatzsteuerjahreserklärung 2015 (eingereicht beim Finanzamt am 28. 9. 2016) machte E sein Recht auf Vorsteuerabzug für die Errichtung des Arbeitszimmers geltend. Nach einer Steuerprüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug, weil die Zuordnung des Arbeitszimmers zum Unternehmensvermögen nach dem 31. 5. 2016 erfolgt sei. Der 31. 5. des jeweiligen Jahres ist der Tag, an dem gemäß dem nationalen Recht die Frist zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung abläuft. Bis zum 31. 5. des jeweiligen Jahres müssen Steuerpflichtige ihre Zuordnungsentscheidung dem Finanzamt mitteilen.

Sachverhalt 2 (C-46/20)

Z erwarb 2014 eine Photovoltaikanlage. Den Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise verkaufte er den Strom an einen Energieversorger weiter, wobei im Einspeisevertrag (abgeschlossen in 2014) zwischen Z und dem Energieversorger eine Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer vorgesehen war. In seiner Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 (eingereicht beim Finanzamt am 29. 2. 2016) machte Z sein Recht auf Vorsteuerabzug für die Errichtung der Photovoltaikanlage geltend. Nach einer Steuerprüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug, weil die Zuordnung der Photovoltaikanlage zum Unternehmensvermögen nach dem 31. 5. 2015 erfolgt sei.

Entscheidung des EuGH

Kern dieser Entscheidung war die Frage, ob der Vorsteuerabzug gem Art 168 lit a iVm Art 167 MwStSyst-RL versagt werden darf, wenn das nationale Recht die Ausübung des Wahlrechts, ob ein Gegenstand für unternehmerische oder private Zwecke genutzt wird, bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung vorsieht.

In einem ersten Schritt prüfte der EuGH die Voraussetzungen für die Entscheidung Steuerpflichtiger, einen Gegenstand dem Vermögen des Unternehmens zuzuordnen. Steuerpflichtige, die ein Investitionsgut sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwenden, haben für die Zwecke des Vorsteuerabzugs die Wahl, diesen Gegenstand in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, den Gegenstand in vollem Umfang im Privatvermögen zu belassen oder den Gegenstand nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung ins Unternehmen einzubeziehen.

Ausschlaggebend für die Zuordnung ist, ob aus der Gesamtheit der Gegebenheiten des Ausgangsverfahrens geschlossen werden kann, dass E und Z als Steuerpflichtige gehandelt haben, als sie die im Ausgangsverfahren fraglichen gemischt genutzten Gegenstände erworben haben, und die Absicht bekundeten, sie ihrem jeweiligen Unternehmen zuzuordnen. Indizien für die Absicht des E sind, dass das Zimmer von angemessener Größe als Arbeitszimmer in den Bauplänen des Einfamilienhauses vorgesehen war. Zusätzlich müssen objektive Anhaltspunkte die Absicht des Steuerpflichtigen, dieses Zimmer für sein Unternehmen zu nutzen, untermauern. Im Fall von Z kann der Abschluss des Einspeisevertrages im selben Jahr der Errichtung der Photovoltaikanlage ein Indiz für die Zuordnung als unternehmerische Tätigkeit sein. Weiters sind die in den Steuererklärungen vorgenommenen Vorsteuerabzüge ein Indiz für die unternehmerische Absicht von E und Z.

In einem zweiten Schritt prüfte der EuGH, ob der Vorsteuerabzug versagt werden darf, wenn die Zuordnungsentscheidung nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung mitgeteilt wurde. Das Recht auf Vorsteuerabzug muss grundsätzlich in dem Zeitraum ausgeübt werden, in dem es entstanden ist. Steuerpflichtigen kann jedoch der Vorsteuerabzug auch in einem anderen Zeitraum zugesprochen werden, wenn die Bedingungen und Einzelheiten des nationalen Rechts beachtet werden. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergibt sich, dass auch das Vorsteuerabzugsrecht an eine Ausschlussfrist gebunden sein kann, solange die nationale Regelung dem Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz entspricht, was der EuGH in diesem Fall bejaht. Die Prüfung, ob die im deutschen Gesetz verankerte Fallfrist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, überlässt der EuGH dem nationalen Gericht.

Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die deutsche Ausschlussfrist der MwStSyst-RL nicht entgegensteht, solange sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

Conclusio

In der Entscheidung in der Rs Finanzamt N (Communication de l‘affectation) hielt der EuGH fest, dass nationale Fallfristen für die Zuordnung des Gegenstandes zur Privat- oder Unternehmensnutzung grundsätzlich möglich sind. In Österreich hat ein Unternehmer bei der anteiligen Zuordnung, maW bei der Zuordnung der Nutzung des Gegenstandes im privaten sowie unternehmerischen Bereich, den unternehmerisch genutzten Teil bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes, in dem die Vorsteuern angefallen sind, schriftlich dem Finanzamt mitzuteilen (s UStR 2000, Rn 1902).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31984 vom 21.01.2022