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MwStSyst-RL: Art 26 Abs 1 lit b
Abstract
Der EuGH hatte über die umsatzsteuerliche Behandlung von Einkaufsgutscheinen zu entscheiden, die von einem Unternehmen an seine Mitarbeiter im Rahmen eines Leistungsanerkennungsprogramms gewährt wurden. Da die Ausgabe der Gutscheine nicht der Befriedigung des privaten Bedarfs der Mitarbeiter diente, sondern das Ziel verfolgte, die Leistung seiner Mitarbeiter zu steigern und damit zu einer besseren Rentabilität des Unternehmens beizutragen, hat der Gerichtshof geurteilt, dass dieser Vorgang keine (Eigenverbrauchs-)Besteuerung auslöst.
EuGH 17. 11. 2022, C‑607/20, GE Aircraft Engine Services Ltd
Sachverhalt
Die im Vereinigten Königreich ansässige GE Aircraft Engine Services Ltd („GEAES“) ist im Bereich der Herstellung von Flugzeugtriebwerken tätig. Das Unternehmen führte ein Programm ein, mit dem diejenigen Mitarbeiter, die die besten Leistungen erbracht hatten, ausgezeichnet und belohnt werden sollten. Im Rahmen dieses Programms konnte jeder Mitarbeiter entsprechend den Kriterien des Programms und nach Maßgabe des darin vorgesehenen Staffelsystems der Prämien einen Kollegen für Leistungen nominieren, der seiner Meinung nach eine Belohnung verdiente. Den für eine Prämie der mittleren Stufe nominierten Mitarbeitern wurden Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung gestellt. Bei dieser Art der Prämie mussten Mitarbeiter eine Website mit einer Liste von Einzelhändlern besuchen, um einen Händler auszuwählen, bei dem sie ihre Einkaufsgutscheine einlösen konnten. GEAES wurde von der britischen Steuerverwaltung zur Mehrwertsteuer betreffend den Umsatz veranlagt, der darin bestand, die in Rede stehenden Einkaufsgutscheine den nominierten Mitarbeitern kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Steuerverwaltung war nämlich der Ansicht, dass GEAES auf den Wert dieser Gutscheine die Ausgangssteuer hätte erklären müssen. Zum einen erhielt GEAES für den Erwerb dieser Gutscheine die Vorsteuer, zum anderen wurden die Einkaufsgutscheine den Mitarbeitern unentgeltlich und zur persönlichen Verwendung überlassen. In der Klage gegen den Steuerbescheid führte GEAES aus, dass dieses Programm in erster Linie mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in Verbindung stehe und der Vorteil, der sich daraus für die Mitarbeiter ergebe, zweitrangig sei. Vor diesem Hintergrund beschloss das zuständige Gericht, den EuGH gem Art 267 AEUV anzurufen und ihm (ua) die Frage zu stellen, ob die Ausgabe von Gutscheinen für Dritteinzelhändler an leistungsstarke Mitarbeiter durch einen Steuerpflichtigen im Rahmen eines Leistungsanerkennungsprogramms der Eigenverbrauchsbesteuerung unterliegt.
Entscheidung des EuGH
Vorab ist anzumerken, dass der EuGH für Vorabentscheidungsersuchen britischer Gerichte gemäß dem Austrittsabkommen (Beschluss [EU] 2020/135 vom 30. 1. 2020) zuständig bleibt, wenn solche Verfahren vor dem 31. 12. 2020 eingeleitet werden. Der EuGH war für dieses Verfahren zuständig.
In der Sache hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass für die Ermittlung, ob der vorliegende Sachverhalt einen Fall des Art 26 Abs 1 lit b MwStSyst-RL darstellt, alle Umstände zu beurteilen sind, unter denen die Leistung erfolgt – so insb die Art und Ziele des Programms. Auf der einen Seite erfolgte die Überlassung der Einkaufsgutscheine unentgeltlich und GEAES griff als Arbeitgeber nicht in die Entscheidung der Mitarbeiter ein, welche Waren oder Dienstleistungen sie bei den teilnehmenden Einzelhändlern auswählten. Bei alleiniger Berücksichtigung der Verwendung der Einkaufsgutscheine wäre daher davon auszugehen, dass sie der Befriedigung des privaten Bedarfs der Mitarbeiter dienen. Auf der anderen Seite konnten die Mitarbeiter wegen des Nominierungssystems die Zuteilung der Gutscheine an sich selbst nicht mit Sicherheit erreichen. Die Ausgabe erfolgte auch nicht aufgrund des persönlichen Bedarfs der Mitarbeiter. Ferner wurde das Programm mit dem Ziel durchgeführt, die Motivation und Leistung der Mitarbeiter zu steigern und hierdurch zu einer besseren Rentabilität des Unternehmens beizutragen. Entstehungsgrund für dieses Programm war somit das Generieren zusätzlicher Gewinne. Bereits in der Vergangenheit hat der EuGH in einem Fall, der eine mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vergleichbare Dienstleistung betraf, entschieden, dass die Erbringung dieser Dienstleistung, die zum Ziel hatte, das Volumen der Verkäufe zu erhöhen, für die Zwecke des Unternehmens erfolgte (EuGH 27. 4. 1999, C‑48/97, Kuwait Petroleum, Rn 19). Eine Eigenverbrauchsbesteuerung scheidet nach alledem aus.
Conclusio
Mit seiner Frage wollte das vorlegende Gericht wissen, ob der gegenständliche Sachverhalt vom Tatbestand der Eigenverbrauchsbesteuerung erfasst wird. Das österreichische Pendant der zitierten Vorschrift findet sich in § 3a Abs 1a UStG. Der Zweck der Eigenverbrauchsbesteuerung besteht darin zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Erwerb eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands oder einer Dienstleistung die Mehrwertsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen kann, wenn er diesen Gegenstand zu einem späteren Zeitpunkt für seinen privaten Bedarf oder den Bedarf seines Personals entnimmt oder eine Dienstleistung erbringt und er daher gegenüber dem Endverbraucher, der den Gegenstand oder die Dienstleistung unter Zahlung von Mehrwertsteuer erwirbt, ungerechtfertigte Vorteile genießt. Leistungsanerkennungsmodelle werden auch in Österreich von zahlreichen Unternehmen implementiert, um die Motivation ihrer Mitarbeiter zu steigern. Da das österr Umsatzsteuerrecht auf der MwStSyst-RL aufbaut, kann das vorliegende Urteil auch für österr Sachverhalte von Bedeutung sein.