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GRC: Art 7, Art 38
RL 93/13/EWG: Art 3, Art 4, Art 6, Art 7
Nachdem die kl Kreditnehmer in Zahlungsverzug geraten waren, verlangte die Bank auf der Grundlage einer Klausel des Verbraucherkreditvertrags über die vorzeitige Fälligstellung die Rückzahlung aller aufgrund dieses Vertrags geschuldeten Beträge. Der Kredit war durch eine Hypothek auf das Familienhaus gesichert (Wohnsitz der Kl und anderer Personen), und die Bank teilte den Kl in weiterer Folge mit, diese Sicherheit im Wege der „freiwilligen“ Versteigerung der verpfändeten Immobilie zu verwerten. Bei dieser Art der außergerichtlichen Versteigerung setzt der Gläubiger einseitig die Höhe der Forderung fest und die betreffende Immobilie wird durch einen Versteigerer verkauft – dh ohne dass ein Gericht zuvor die Höhe der Forderung oder die Verhältnismäßigkeit des Verkaufs im Vergleich zur Höhe der Forderung hätte prüfen können. Die Anwendung einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung wie hier ist nach nationalem Recht nur von einer einzigen Voraussetzung (Zahlungsverzug iHv drei Monatsraten) und der Einhaltung einer Benachrichtigungsfrist von 15 Tagen durch den Kreditgeber abhängig.
Im Verfahren über die Klage der Kreditnehmer auf Aussetzung der Versteigerung des Familienhauses kamen dem vorlegenden Gericht Bedenken, dass diese Regelung und die einschlägige nationale Rsp gegen das Unionsrecht und insb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, weil sie den Verkauf der Immobilie, in der der Verbraucher wohnt, auch im Fall eines geringfügigen Vertragsverstoßes erlaubten. Diese Bedenken werden vom EuGH bestätigt (Verstoß gegen Art 3, Art 4, Art 6, Art 7 RL 93/13/EWG [KlauselRL] iVm Art 7 und Art 38 GRC): Das nationale Gericht muss bei der Kontrolle der Missbräuchlichkeit einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung berücksichtigen können, ob die Möglichkeit des Gewerbetreibenden zur vorzeitigen Fälligstellung im Hinblick auf Kriterien verhältnismäßig ist, die insb mit der Schwere des Verstoßes des Verbrauchers gegen seine Vertragspflichten zusammenhängen (wie dem Verhältnis der nicht gezahlten Raten zum Gesamtbetrag des Kredits und der Laufzeit des Vertrags). Ebenso muss das nationale Gericht berücksichtigen können, dass die Anwendung dieser Klausel möglicherweise dazu führt, dass der Gewerbetreibende aufgrund der Klausel die geschuldeten Beträge durch den Verkauf der Familienwohnung des Verbrauchers ohne jegliches gerichtliches Verfahren einziehen kann. Die im Urteil C-421/14 genannten Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel über die vorzeitige Fälligstellung wegen Pflichtverletzungen des Schuldners müssen weder kumulativ noch alternativ erfüllt sein und sind auch nicht abschließend, weshalb das Gericht auch zusätzliche Kriterien heranziehen kann – wie hier eben die Möglichkeit des Kreditgebers zur Verwertung der Familienwohnung ohne jegliches gerichtliches Verfahren. Insoweit hat das nationale Gericht bei seiner Beurteilung der Mittel, mit denen der Verbraucher die Wirkungen der Fälligstellung der Gesamtheit der geschuldeten Beträge wieder beseitigen kann, die Folgen zu berücksichtigen, die mit der Zwangsräumung der Wohnung verbunden sind, die dem Verbraucher und seiner Familie als Hauptwohnsitz dient. Die Achtung der Wohnung ist nämlich ein durch Art 7 GRC geschütztes Grundrecht, das das nationale Gericht bei der Anwendung der KlauselRL zu berücksichtigen hat. Wichtig ist für das nationale Gericht dabei auch, vorläufige Maßnahmen zur Aussetzung oder Verhinderung eines unzulässigen Hypothekenvollstreckungsverfahrens treffen zu können, wenn solche Maßnahmen erforderlich sind, um die Wirksamkeit des Schutzes zu gewährleisten, den die KlauselRL bezweckt.
EuGH 9. 11. 2023, C-598/21, Všeobecná úverová banka
Zu einem slowakischen Vorabentscheidungsersuchen.