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EuGH: Fernabsatzvertrag – Belehrung über Widerrufsrecht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2011/83/EU: Art 6, Art 8

Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen gebunden ist, muss der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise nach Art 6 Abs 1 RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) informieren. Insbesondere verpflichtet Art 6 Abs 1 Buchst h RL 2011/83/EU im Fall des Bestehens des Widerrufsrechts den Unternehmer, den Verbraucher über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gem Art 11 Abs 1 der RL 2011/83/EU zu informieren und ihm das Muster-Widerrufsformular gem deren Anhang I Teil B zur Verfügung zu stellen.

Für den Fall, dass der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, bei dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht (vgl Art 8 Abs 4 RL 2011/83/EU), ist es nicht erforderlich, dass der Unternehmer dem Verbraucher zeitgleich mit dem Einsatz des Kommunikationsmittels das Muster-Widerrufsformular gem Anhang I Teil B der RL 2011/83/EU zur Verfügung stellt. Zum einen ist nämlich der Umstand, anhand dieses Mittels vor dem Abschluss des Vertrags über ein solches Musterformular zu verfügen, nicht geeignet, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen, einen Fernabsatzvertrag zu schließen oder nicht; zum anderen würde eine Pflicht, dem Verbraucher dieses Musterformular unter allen Umständen zur Verfügung zu stellen, die Gefahr in sich bergen, dem Unternehmer eine unverhältnismäßige oder – wie insb bei telefonisch geschlossenen Verträgen – sogar untragbare Last aufzuerlegen. Insoweit ist die Mitteilung dieses Musterformulars auf andere Weise in klarer und verständlicher Sprache ausreichend.

Die Frage, ob in einem konkreten Fall auf dem Kommunikationsmittel für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit iSv Art 8 Abs 4 RL 2011/83/EU zur Verfügung steht, ist unter Berücksichtigung sämtlicher technischer Eigenschaften der Werbebotschaft des Unternehmers zu beurteilen. Hierbei ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Raums und der Zeit, die von der Botschaft eingenommen werden, und der Mindestgröße des Schrifttyps, der für einen durchschnittlichen Verbraucher angemessen ist, alle in Art 6 Abs 1 RL 2011/83/EU genannten Informationen objektiv in dieser Botschaft dargestellt werden könnten. Für diese Beurteilung irrelevant sind hingegen die vom betreffenden Unternehmer getroffenen Entscheidungen hinsichtlich der Aufteilung und der Nutzung des Raums und der Zeit, über die er gem dem Kommunikationsmittel verfügt, für das er sich entschieden hat.

EuGH 23. 1. 2018, C-430/17, Walbusch Walter Busch

Zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Die Frage, ob in einem konkreten Fall auf dem Kommunikationsmittel für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht iSv Art 8 Abs 4 der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 10. 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der RL 93/13/EWG des Rates und der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der RL 85/577/EWG des Rates und der RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ist unter Berücksichtigung sämtlicher technischer Eigenschaften der Werbebotschaft des Unternehmers zu beurteilen. Hierbei hat das nationale Gericht zu prüfen, ob – unter Berücksichtigung des Raumes und der Zeit, die von der Botschaft eingenommen werden, und der Mindestgröße des Schrifttyps, der für einen durchschnittlichen Verbraucher, an den diese Botschaft gerichtet ist, angemessen ist, – alle in Art 6 Abs 1 dieser RL genannten Informationen objektiv in dieser Botschaft dargestellt werden könnten.

Art 6 Abs 1 Buchst h und Art 8 Abs 4 der RL 2011/83/EU sind dahin auszulegen, dass – falls der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht, und wenn ein Widerrufsrecht besteht – der Unternehmer über das jeweilige Fernkommunikationsmittel vor dem Abschluss des Vertrags die Information über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts erteilen muss. In einem solchen Fall muss der Unternehmer dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular gem Anhang I Teil B dieser RL auf andere Weise in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26682 vom 24.01.2019