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EuGH-GA: Flug – Bestätigte Buchung, Annullierung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

VO (EG) 261/2004: Art 2, Art 3, Art 5, Art 7, Art 8, Art 14

1. Nach Art 3 Abs 2 Buchstabe a VO (EG) 261/2004 (FluggastrechteVO) ist der Anwendungsbereich dieser Verordnung eröffnet, wenn der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ für den betreffenden Flug verfügt. Nach Art 2 Buchstabe g FluggastrechteVO ist das Dokument, das einen Anspruch des Fluggasts auf Beförderungsleistung begründen kann, ein „Flugschein“ oder ein „anderer Beleg“, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Ein Fluggast kann über eine „bestätigte Buchung“ verfügen kann, wenn er von einem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ iSv Art 2 Buchstabe g FluggastrechteVO erhalten hat, der eine Beförderungszusage für einen bestimmten, durch Abflugs- und Ankunftsort, Abflugs- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug enthält, auch wenn das Reiseunternehmen eine Platzreservierung für diesen Flug bei dem betreffenden Luftfahrtunternehmen weder vorgenommen noch von diesem bestätigt erhalten hat; dies ist nicht der Fall, wenn der Fluggast ein als „Reiseanmeldung“ bezeichnetes Dokument erhalten hat, das nicht Ausdruck einer verbindlichen Zusage des Reiseunternehmens ist, die in diesem Dokument spezifizierte Reiseleistung zu erbringen.

2. Nach der Definition in Art 2 Buchstabe b FluggastrechteVO ist „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Der bloße Umstand, dass die für den betreffenden Flug vorgenommene Buchung des Reiseunternehmens beim Luftfahrtunternehmen nicht mit den Abflug- oder Ankunftszeiten bestätigt wurde, die in der Buchung des Fluggasts beim Reiseunternehmen angegeben waren, oder dass diese Buchung des Reiseunternehmens erst nach der Buchung des Fluggasts vorgenommen wurde, schließt es nicht aus, dass das Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem solchen Fluggast „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ iSv Art 2 Buchstabe b FluggastrechteVO sein kann.

3. Die „planmäßige Ankunftszeit“ eines Fluges iSv Art 2 Buchstabe h, Art 5 Abs 1 Buchstabe c und Art 7 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 FluggastrechteVO kann sich je nach den Umständen des Falles auch aus einem „anderen Beleg“ iSv Art 2 Buchstabe g FluggastrechteVO ergeben, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat.

4. Eine Annullierung eines Fluges iSv Art 2 Buchstabe l und Art 5 Abs 1 der FluggastrechteVO liegt vor, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen den im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Flug um mindestens zwei Stunden vorverlegt.

5. Nach Art 7 Abs 2 FluggastrechteVO kann das Luftfahrtunternehmen die in Abs 1 vorgesehene Ausgleichszahlung um 50 % kürzen, wenn eine anderweitige Beförderung zum Endziel mit einem Alternativflug angeboten wird, dessen Ankunftszeit die „planmäßige Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges“ nicht um eine maximale Zeitspanne überschreitet, die nach Maßgabe der vom Flug abgedeckten Entfernung bestimmt wird. In den Fällen, in denen die Vorverlegung eines Fluges eine „Annullierung“ darstellt, darf das ausführende Luftfahrtunternehmen die in Art 7 Abs 1 FluggastrechteVO vorgesehene Ausgleichszahlung nicht auf der Grundlage von Art 7 Abs 2 FluggastrechteVO kürzen.

6. Das Angebot einer anderweitigen Beförderung iSv Art 8 Abs 1 Buchstabe b FluggastrechteVO kann unter den in diesem Artikel festgelegten Voraussetzungen in einer vor Reisebeginn erteilten Information über die Vorverlegung eines Fluges bestehen.

7. Art 14 Abs 2 FluggastrechteVO verpflichtet das ausführende Luftfahrtunternehmen, den Fluggast über die genaue Bezeichnung des Unternehmens und die Anschrift zu unterrichten, unter der er seinen Ausgleichsanspruch geltend machen kann, und gegebenenfalls klarzustellen, welche Unterlagen er seinem Antrag beizufügen hat. Was den Umfang des Entschädigungsanspruchs betrifft, reicht es für die Einhaltung der Bestimmungen von Art 14 Abs 2 aus, wenn die schriftliche Information die insoweit in dieser Verordnung vorgesehenen Regeln darlegt; es ist nicht erforderlich, dass nach Maßgabe des Einzelfalls ein konkreter Betrag berechnet wird.

Schlussanträge des Generalanwalts 23. 9. 2021, C-146/20, C-188/20, C-196/20 und C-270/20, Corendon Airlines

Zu drei deutschen und einem Vorabentscheidungsersuchen des LG Korneuburg (C-270/20).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31485 vom 24.09.2021