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EuGH: Golfclub als „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ von Umsatzsteuer befreit?

Bearbeiter: Annika Streicher

UStG 1994: § 6 Abs 1 Z 14

MwStSyst-RL: Art 132 Abs 1 lit m

Abstract

Ein Golfclub kann sich nicht unmittelbar auf die Umsatzsteuerbefreiung für Sport-Dienstleistungen in Art 132 Abs 1 lit m MwStSyst-RL berufen. Die Regelung ist aufgrund des Ermessens, das sie den Mitgliedstaaten für ihre Umsetzung einräumt, nicht unmittelbar anwendbar. Die in der betreffenden Umsatzsteuerbefreiung gebrauchte Wendung „Einrichtungen ohne Gewinnstreben“ ist unionsrechtsautonom dahingehend auszulegen, dass sie die Abwesenheit von Gewinnstreben für die Mitglieder und die bloße Rückzahlung der von den Mitgliedern geleisteten Einlagen bei Auflösung meint.

EuGH vom 10. 12. 2020, Golfclub Schloss Igling, C-488/18

Sachverhalt

Der Golfclub Schloss Igling nahe München ist ein privatrechtlicher Verein, dessen Zweck die Pflege und Förderung des Golfsports ist. Er betreibt einen Golfclub samt Anlagen. Die Mittel des Golfclubs dürfen nur für die satzungsmäßig festgelegten Zwecke verwendet werden und sein Vermögen fällt bei Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution. Im strittigen Zeitraum erzielte der Golfclub Umsätze ua aus Greenfees und Startgeldern bei Turnieren. Das FA verweigerte die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Z 22 dUStG (Umsetzung von Art 132 Abs 1 lit m MwStSyst-RL), die auf von gemeinnützigen Einrichtungen durchgeführte Sport-Dienstleistungen anwendbar ist. Der Golfclub sei keine gemeinnützige Körperschaft iSd §§ 51 ff AO, weil seine Satzung keine hinreichend genauen Regeln zur Vermögensbindung vorsehe und nicht ausschließlich Zwecke ohne Gewinnstreben verfolge. Weil das FG München dahingehend entschied, legte der BFH legte dem EuGH die folgenden zwei Fragen vor: erstens, ob die Befreiung in Art 132 Abs 1 lit m MwStSyst-RL unmittelbar anwendbar ist. Zweitens – für den Fall der unmittelbaren Anwendbarkeit der Regelung – wie die darin enthaltene Wendung „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ auszulegen ist.

Entscheidung des EuGH

Art 132 Abs 1 lit m MwStSyst-RL ist nicht unmittelbar anwendbar. Einer unmittelbaren Anwendung sind RL-Bestimmungen nur dann zugänglich, wenn sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind und wenn der betreffende Mitgliedstaat die RL nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Eine Bestimmung ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung oder Wirksamkeit weiterer Akte der EU oder der Mitgliedstaaten bedarf (s EuGH C-108/14 und C-109/14, Larentia+Minerva und Marenave Schiffahrt). Sie ist hinreichend genau, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt (s EuGH C-194/08, Gassmayr). Da Art 132 Abs 1 lit m MwStSyst-RL regelt, dass die Mitgliedstaaten „bestimmte Dienstleistungen“ von der Besteuerung ausnehmen können und weder eine abschließende Liste noch eine Verpflichtung zur Befreiung aller in Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden Leistungen vorsieht, ist diese Regelung nicht unmittelbar anwendbar. Das ist durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessensspielraum zur weiteren Ausgestaltung der Befreiung ausgeschlossen. Ähnlich entschied der EuGH in British Film Institute (C-592/15) zur ähnlich gefassten Befreiung für kulturelle Dienstleistungen.

Die Wendung „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ ist nach Ansicht des EuGH unionsrechtsautonom auszulegen, um eine einheitliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu gewährleisten. Eine Einrichtung ohne Gewinnstreben darf nicht das Ziel haben, für ihre Mitglieder Gewinne zu erwirtschaften. Das Fehlen eines Gewinnstrebens setzt voraus, dass während des gesamten Bestehens und bei der Auflösung keine Gewinne für die Mitglieder erwirtschaftet werden. Erwirtschaftet die Einrichtung dennoch in einem späteren Zeitraum Gewinne, so darf sie diese nicht an ihre Mitglieder verteilen, um die Steuerbegünstigung nicht zu verlieren (s EuGH C-174/00, Kennemer Golf,). Eine Einrichtung ohne Gewinnstreben ist somit eine Einrichtung, „deren Vermögen fortwährend der Verwirklichung des von ihr verfolgten Zwecks dient und nach ihrer Auflösung nicht auf ihre Mitglieder übertragen werden kann, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt“ (s Rz 51).

Conclusio

Die Steuerbefreiung des Art 132 Abs 1 lit m MwStSyst-RL wurde in § 6 Abs 1 Z 14 öUStG umgesetzt. Nötig sind hier „Umsätze von gemeinnützigen Vereinigungen“, wobei hierfür auf §§ 34-36 BAO verwiesen wird. Die in §§ 3943 BAO aufgestellten Anforderungen müssen wohl aber auch berücksichtigt werden (s Ruppe/Achatz, UStG5 § 6 Rz 333). § 39 BAO enthält in Z 5 den Grundsatz der Vermögensbindung und in Z 2 den Grundsatz, dass Gewinnstreben für das Vorliegen von Gemeinnützigkeit schädlich ist. In diesem Aspekt scheint § 6 Abs 1 Z 14 UStG mit der vorliegenden Entscheidung also konform zu sein.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30441 vom 17.02.2021