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EuGH: Kann eine Zweigniederlassung ein von der Organschaft eigenständiger umsatzsteuerlicher Steuerpflichtiger sein?

Bearbeiter: Christina Pollak

MwStSyst-RL: Art 9, 11

UStG: § 2 Abs 2

Abstract

Der EuGH beschäftigt sich in diesem Urteil mit der Frage, ob eine schwedische Zweigniederlassung ein eigenständiger Steuerpflichtiger ist, wenn die dänische Hauptniederlassung Teil einer Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) ist. Der EuGH bestätigte die Anwendbarkeit des sog „Reverse-Skandia“ Prinzips, wonach die Zweigniederlassung ein von der Hauptniederlassung getrennter Steuerpflichtiger ist.

EuGH vom 11. 3. 2021, C-812/19, Danske Bank

Sachverhalt

Danske Bank, eine Gesellschaft mit Hauptniederlassung in Dänemark, gehörte einer dänischen Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) an. Ihre Tätigkeit in Schweden übte Danske Bank über eine dort ansässige Zweigniederlassung aus. Danske Bank verwendet im Rahmen ihrer Tätigkeit in den skandinavischen Ländern eine IT-Plattform. Die anteiligen Kosten dieser IT-Plattform rechnete die dänische Hauptniederlassung der schwedischen Zweigniederlassung zu.

Danske Bank beantragte einen Vorbescheid beim schwedischen Finanzamt. Durch diesen Vorbescheid wollte Danske Bank in Erfahrung zu bringen, ob die Zugehörigkeit der Hauptniederlassung zu einer dänischen Mehrwertsteuergruppe zur Folge hat, dass die Zweigniederlassung als ein getrennter Steuerpflichtiger anzusehen ist. Das schwedische Finanzamt bestätigte das Vorliegen zweier getrennter Steuerpflichtiger, was zur Folge hätte, dass die Dienstleistungen, die die Hauptniederlassung an die Zweigniederlassung erbrachte, steuerbare Dienstleistungen sind. Gegen diesen Vorbescheid reichte Danske Bank Klage beim Obersten Verwaltungsgerichtshof in Schweden ein, der ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH initiierte.

Entscheidung des EuGH

Kern dieser Entscheidung war die Frage, ob eine Haupt- und eine Zweigniederlassung, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, getrennte Steuerpflichtige sind, wenn die Hauptniederlassung Teil einer Mehrwertsteuergruppe ist.

Der EuGH betonte, dass eine Leistung zwischen einer Haupt- und einer Zweigniederlassung, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, nur dann steuerbar ist, wenn zwischen beiden Niederlassungen ein Rechtsverhältnis besteht, das einen gegenseitigen Leistungsaustausch bedingt. In Ermangelung eines solchen Rechtsverhältnisses würde ein einziger Steuerpflichtiger vorliegen und so wäre ein Leistungsaustausch zwischen Haupt- und Zweigniederlassung als nicht steuerbare interne Transaktion zu qualifizieren. Um festzustellen, ob ein Rechtsverhältnis zwischen Haupt- und Zweigniederlassung besteht, ist zu prüfen, ob die Zweigniederlassung einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht. Eine etwaige Zugehörigkeit zu einer Mehrwertsteuergruppe gem Art 11 MwStSyst-RL ist bei der Prüfung zu berücksichtigen. Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe werden zu einem einzigen Steuerpflichtigen. Dabei ist zu beachten, dass gem dem Wortlaut von Art 11 MwStSyst-RL Mehrwertsteuergruppen ex lege auf einen Mitgliedstaat beschränkt sind.

Der EuGH hielt in dieser Hinsicht bereits fest, dass Dienstleistungen, die eine Hauptniederlassung in einem Drittland an ihre Zweigniederlassung in einem Mitgliedstaat erbringt, steuerbare Umsätze sind, wenn die Zweigniederlassung zu einer Mehrwertsteuergruppe gehört (s EuGH 17. 11. 2014, C‑7/13, Skandia America). Dieser Grundsatz ist auch im vorliegenden Fall anzuwenden: Die Hauptniederlassung ist im vorliegenden Fall Teil einer Mehrwertsteuergruppe. Aus diesem Grund werden die sonstigen Leistungen durch die Mehrwertsteuergruppe an die Zweigniederlassung in Schweden erbracht („Reverse-Skandia“ Prinzip). Zudem kann eine schwedische Zweigniederlassung aufgrund der beschränkten Territorialität von Mehrwertsteuergruppen auf einen Mitgliedstaat nicht Teil einer dänischen Mehrwertsteuergruppe sein.

Der EuGH entschied, dass die in einem Mitgliedstaat ansässige Hauptniederlassung, die zu einer Mehrwertsteuergruppe gehört, und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Zweigniederlassung für Mehrwertsteuerzwecke als getrennte Steuerpflichtige anzusehen sind, wenn die Hauptniederlassung für die Zweigniederlassung Dienstleistungen erbringt und ihr die Kosten für diese Dienstleistungen zurechnet.

Conclusio

In der Rs Danske Bank hält der EuGH an seiner Rsp in Skandia America fest. In der Praxis sollte demnach geprüft werden, ob Haupt- oder Zweigniederlassung Teil einer Organschaft sind, weil dies uU zur Folge haben kann, dass Leistungen zwischen Haupt- und Zweigniederlassung als steuerbare Umsätze zu qualifizieren wären. In Österreich und Deutschland ist, anders als in Dänemark, Steuerpflichtiger bei einer Organschaft der Organträger mit den zugehörigen Organgesellschaften. Die Organschaft an sich ist somit kein eigenständiger Steuerpflichtiger. Diese abweichende Umsetzung wirft die Frage auf, ob der in Danske Bank bestätigte Grundsatz bereits (und uU auch für die Vergangenheit) in Österreich anwendbar ist (s auch UStR 2000, Rn 241). Es wird mit Spannung erwartet, ob und wie der österr Gesetzgeber und die österr Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagieren werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30796 vom 26.04.2021