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MwStSyst-RL: Art 135 Abs 1 lit i
Abstract
In der Rs Casino de Spa (Belgien) hatte der EuGH über die Frage zu entscheiden, ob die steuerpflichtige Behandlung von Online-Glücksspielen mit Ausnahme von (Online-)Lotterien trotz des weiten Gestaltungspielraumes der Mitgliedstaaten gem Art 135 Abs 1 lit i MwStSyst-RL gegen diese Bestimmungund den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt.
EuGH 12. 9. 2024, C‑741/22, Casino de Spa
Sachverhalt
Casino de Spa ist eine belgische Gesellschaft, die Online-Glückspiele anbietet. Diese Tätigkeit war in Belgien bis zum 1. 6. 2016 MwSt-befreit. Danach trat ein Gesetz in Kraft, durch das Online-Glücksspiele mit Geldeinsatz, die keine Lotterien sind, von der Befreiung ausgenommen wurden. Der belgische Verfassungsgerichtshof erklärte dieses Gesetz am 22. 3. 2018 wegen Verstoß gegen höherrangiges belgisches Recht für nichtig. Vom Gerichtshof wurde nicht geprüft, ob die steuerpflichtige Behandlung von ausschließlich Online-Glücksspielen gegen die MwStSyst-RL verstößt. Mit der Entscheidung von 2018 erhielt der Verfassungsgerichtshof außerdem die Wirkungen der für nichtig erklärten Bestimmungen mit der Konsequenz aufrecht, dass die zwischen 1. 6. 2016 und 22. 3. 2018 gezahlte MwSt nach belgischem Recht nicht rückerstattet werden konnte (mVa budgetäre und administrative Hürden). Casino de Spa beantragte in einer MwSt-Erklärung die Rückerstattung der MwSt, die sie im gegenständlichen Zeitraum gezahlt hat. Die belgische Steuerverwaltung lehnte dies mVa die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ab. Der Fall gelangte vor das Gericht erster Instanz Lüttich, Belgien. Das Gericht hegte Zweifel ob der Unionsrechtmäßigkeit der Verfassungsgerichtshofentscheidung, nach der die (möglicherweise) unionrechtswidrig abgeführte MwSt nicht rückerstattet werden konnte. Das Gericht wollte wissen, ob diese Steuer aufgrund des Vorrangs des Unionsrecht rückerstattet werden kann. Die Voraussetzung hierfür wäre, dass das für nichtig erklärte Gesetz unionsrechtswidrig war. Aus diesem Grund fragte das belgische Gericht den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, ob die Ausnahme von ausschließlich Online-Glücksspielen von der MwSt-Befreiung gegen Art 135 Abs 1 lit i MwStSyst-RL und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt.
Entscheidung des EuGH
Aus dem Wortlaut des Art 135 Abs 1 lit i MwStSyst-RL ergibt sich, dass den Mitgliedstaaten bei der Befreiung von Glücksspielumsätzen ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Der EuGH hat außerdem bereits ausgesprochen, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele von der MwSt auszunehmen (s EuGH 24. 10. 2013, C‑440/12, Metropol Spielstätten, Rn 29). Nichtsdestotrotz müssen die Mitgliedstaaten bei der Befreiung nur bestimmter Glücksspiele den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten, wonach gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (s EuGH 10. 11. 2011, C‑259/10 und C‑260/10, The Rank Group, Rn 32 und 41). Bei der Beurteilung, ob zwei Dienstleistungen gleichartig sind, können verschiedenste Faktoren berücksichtigt werden. ZB hat der EuGH in einem Urteil entschieden, dass kulturelle Faktoren wie Gebräuche oder Traditionen im Rahmen einer solchen Prüfung relevant sein können (vgl 9. 9. 2021, C‑406/20, Phantasialand, Rn 44). In Bezug auf Glücksspiele hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und ‑gewinnen, den Gewinnchancen und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Spiel erheblichen Einfluss auf die Entscheidung für die eine oder andere Art von Glücksspielen haben können (EuGH 10. 11. 2011, C‑259/10 und C‑260/10, The Rank Group, Rn 57).
Obwohl es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Gleichartigkeit der fraglichen Dienstleistungen zu beurteilen (EuGH 20. 6. 2024, C‑135/23, GEMA, Rn 32), gab der EuGH im vorliegenden Urteil folgende Hinweise: Lotterien sind dadurch gekennzeichnet, dass die Bestimmung der Gewinner nach einer Wartezeit erfolgt und dass zugleich die Fähigkeiten der Spieler keinerlei Einfluss auf den Ausgang des Spiels ausüben. Demgegenüber können bei sonstigen Glücksspielen die Fähigkeiten des Spieles (Geschick oder Kenntnisse) einen Einfluss auf die Gewinnwahrscheinlichkeit haben.
Mit der Frage, ob Art 135 Abs 1 lit i MwStSyst-RL und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es den Mitgliedstaaten erlauben, nur elektronisch erbrachte Glücksspiele von der Steuerbefreiung auszuschließen, beschäftigte sich der EuGH in der der Rechtssache C‑73/23, Chaudfontaine Loisirs SA vom 12. 9. 2024.
Conclusio
Durch die vorliegende Entscheidung bietet der EuGH nähere Indizien für die Beurteilung der Frage, ob Lotterien mit sonstigen (Online-)Glücksspielen gleichartig sind. Die Frage ist von Relevanz, denn der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gebietet es den Mitgliedstaaten, dass sie gleichartige Dienstleistungen steuerlich nicht unterschiedlich behandeln. Im Ausgangsfall ging es um eine nationale Regelung, die Lotterien von der MwSt befreite, während sie andere Arten von Glückspielen steuerpflichtig behandelte. In Österreich sind gem § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG folgende Glückspielumsätze von der USt befreit: Wetten iSd § 33 TP 17 Abs 1 Z 1 GebG und Ausspielungen iSd § 2 Abs 1 GSpG (sublit aa), Umsätze aus der Mitwirkung im Rahmen von Ausspielungen, soweit hierfür vom Konzessionär (§ 14 GSpG) Vergütungen gewährt werden (sublit bb) und Zuwendungen iSd § 27 Abs 3 GSpG (sublit cc). Mit Ausspielungen mit Glücksspielautomaten (§ 2 Abs 3 GSpG) und mit Video-Lotterie-Terminals (Spielautomaten mit einem genau kontrollierten Zentralrechner) unmittelbar verbundenen Umsätze (sublit aa) und Vergütungen vom Konzessionär aufgrund von Ausspielungen mittels Video-Lotterie-Terminals sind jedoch USt-pflichtig.