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EuGH: Mindesthonorare für Rechtsanwälte – Wettbewerbsbeschränkung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AEUV: Art 101

EUV: Art 4

Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht va wissen, ob und inwieweit nationale Gerichte bei der Festlegung des Kostenbetrags, dessen Erstattung als Anwaltskosten verlangt werden kann, durch eine Honorarordnung gebunden sind, die von einem Berufsverband der Rechtsanwälte erlassen wurde, dem Rechtsanwälte nach dem Gesetz zwingend angehören, und in der Mindesthonorare festgesetzt sind. Auf zwei Vorabentscheidungsersuchen des vorlegenden Gerichts zur Auslegung von Art 101 AEUV hin hat der EuGH bereits entschieden, dass eine nationale Regelung wie hier, die es einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten nicht erlaubt, eine Vergütung unter dem Mindestbetrag der Honorarordnung des Berufsverbands zu vereinbaren, und die es dem Gericht nicht gestattet, die Erstattung eines unter diesem Mindestbetrag liegenden Honorarbetrags anzuordnen, den Wettbewerb im Binnenmarkt iSv Art 101 Abs 1 AEUV beeinträchtigen kann (EuGH 23. 11. 2017, C-427/16 und C-428/16, CHEZ Elektro Bulgaria und FrontEx International). Anhand der ihm vorliegenden Akte konnte der EuGH jedoch nicht beurteilen, ob die fragliche nationale Regelung als notwendig für die Umsetzung eines legitimen Ziels angesehen werden konnte. Daran schließt sich das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen nun an und der EuGH hält dazu fest:

Sollte ein nationales Gericht feststellen, dass eine nach einer nationalen Regelung verbindliche Verordnung, mit der die Mindesthonorare der Anwälte festgesetzt werden, gegen Art 101 Abs 1 AEUV verstößt, muss es die Anwendung dieser nationalen Regelung auf die Partei ablehnen, die zur Zahlung der Anwaltskosten verurteilt wurde, und zwar auch dann, wenn diese Partei keinen Vertrag über Anwaltsdienstleistungen und Anwaltshonorare abgeschlossen hat und die in dieser Verordnung vorgesehenen Mindestbeträge die tatsächlichen Marktpreise der Anwaltsdienstleistungen widerspiegeln.

Eine nationale Regelung, die es einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten nicht erlaubt, eine Vergütung unter dem Mindestbetrag der Honorarordnung des Berufsverbands zu vereinbaren, und die es dem Gericht nicht gestattet, die Erstattung eines unter diesem Mindestbetrag liegenden Honorarbetrags anzuordnen, ist als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung iSd Art 101 Abs 1 AEUV anzusehen. Bei Vorliegen einer solchen Beschränkung können die angeblich mit dieser nationalen Regelung verfolgten legitimen Ziele nicht geltend gemacht werden, um das fragliche Verhalten dem Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen (Art 101 Abs 1 AEUV) zu entziehen.

EuGH 25. 1. 2024, C-438/22, Em akaunt BG

Zu einem bulgarischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35006 vom 30.01.2024