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EuGH: Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 93/13/EWG: Art 3, Art 4

Nach Art 3 Abs 1 RL 93/13/EWG (KlauselRL) ist eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. In der Rs C-421/14, Banco Primus, hat der EuGH in Rn 66 des Urteils im Wesentlichen festgestellt, dass das nationale Gericht bei Beurteilung des Vorliegens eines solchen Missverhältnisses insb prüfen muss, ob die Möglichkeit des Gewerbetreibenden zur Fälligstellung des gesamten Darlehens davon abhängt, dass der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt hat, die im Rahmen der vertraglichen Beziehungen wesentlich und im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist, ob die Möglichkeit zur Fälligstellung von den allgemeinen Vorschriften abweicht, die auf diesem Gebiet in Ermangelung spezifischer vertraglicher Bestimmungen anwendbar sind, und ob das nationale Recht dem Verbraucher angemessene und wirksame Mittel zur Beseitigung der Wirkungen der Fälligstellung des Darlehens gibt. Diese Kriterien sind nicht so zu betrachten, dass sie entweder kumulativ oder alternativ erfüllt sein müssen, sondern sind vielmehr als Teil der Gesamtheit der Umstände zu verstehen, die den Abschluss des betreffenden Vertrags begleiten.

Ein Verzug von mehr als 30 Tagen bei der Begleichung einer Rate des Darlehens kann im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens für sich genommen grundsätzlich eine hinreichend schwere Nichterfüllung des Darlehensvertrags darstellen.

Klar und verständlich abgefasste Vertragsklauseln betr den Hauptgegenstand des Vertrags und die Angemessenheit zwischen Preis/Entgelt und den Dienstleistungen/Gütern sind gem Art 4 Abs 2 KlauselRL grds nicht auf ihre Missbräuchlichkeit zu prüfen. Abgesehen von diesen Fällen stehen Art 3 Abs 1 und Art 4 KlauselRL aber einer Klausel entgegen, die ausdrücklich und unmissverständlich vorsieht, dass das Darlehen fällig gestellt werden kann, wenn die Zahlung einer fälligen Rate nicht innerhalb einer bestimmten Frist erfolgt, sofern diese Klausel nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

EuGH 8. 12. 2022, C-600/21, Caisse régionale de Crédit mutuel de Loire-Atlantique und du Centre Ouest

Zu einem französischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33404 vom 15.12.2022