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EuGH: Nationale Marke – Reichweite des Verbots des Besitzens zwecks Verkauf

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL (EU) 2015/2436: Art 10

Art 10 Abs 3 Buchst b der RL (EU) 2015/2436 (MarkenRL) erlaubt dem Inhaber einer nationalen Marke, einem Dritten zu verbieten, Waren unter einem Zeichen, dessen Benutzung diese Marke verletzt, im Eintragungsmitgliedstaat (hier: Deutschland) nicht nur anzubieten und in den Verkehr zu bringen (hier: über die eigene Website des in Spanien ansässigen Dritten sowie die Online-Handelsplattform www.amazon.de), sondern auch, sie „zu den genannten Zwecken zu besitzen“.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob sich ein solches Verbot des Besitzens auch auf das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats beziehen kann - was der EuGH bejaht: Da der Markeninhaber dem Dritten verbieten kann, Waren unter dem Zeichen ua durch Onlinewerbung anzubieten, falls sich das Angebot an Verbraucher im Gebiet des Eintragungsmitgliedstaats richtet – und zwar auch dann, wenn sich der Dritte, der Server der von ihm benutzten Website oder diese Waren außerhalb des Eintragungsmitgliedstaats befinden –, ist der Markeninhaber auch berechtigt, dem Dritten zu verbieten, die Waren außerhalb des Gebiets des Eintragungsmitgliedstaats zu besitzen, wenn dieser Besitz eine Vorstufe zur Abgabe oder Ausführung eines solchen Angebots darstellt.

Im Hinblick auf Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen möchte das vorlegende Gericht weiters wissen, ob es für den „Besitz“ einer Ware erforderlich ist, die unmittelbare und tatsächliche Herrschaft über diese Ware zu haben. Nach Ansicht des EuGH erfasst der Begriff „besitzen“ in Art 10 Abs 3 Buchst b MarkenRL weiters auch die Fälle, in denen der Dritte eine mittelbare, tatsächliche Herrschaft über diese Waren hat, indem er über eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person verfügt, die die unmittelbare und tatsächliche Herrschaft über diese Waren innehat. Anderenfalls wäre es dem Markeninhaber nämlich nicht möglich, einen Wirtschaftsteilnehmer auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, der die Waren einem Dienstleister übergibt, damit dieser etwa die Lagerung oder den Transport der Waren vornimmt. Eine solche Auslegung wäre mit dem Ziel der MarkenRL unvereinbar und würde dem durch die RL garantierten Schutz teilweise seine praktische Wirksamkeit nehmen.

EuGH 1. 8. 2025, C-76/24, Tradeinn Retail Services

Zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1. Art 10 Abs 3 Buchst b der RL (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken
ist dahin auszulegen, dass
der Inhaber einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke einem Dritten verbieten kann, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Waren unter einem Zeichen nach Maßgabe der in Art 10 Abs 2 dieser RL genannten Voraussetzungen zu besitzen, um diese Waren in dem Mitgliedstaat, in dem diese Marke geschützt ist, zum Verkauf anzubieten oder in den Verkehr zu bringen.
2.Art 10 Abs 3 Buchst b der RL 2015/2436
ist dahin auszulegen, dass
es, um eine Ware iS dieser Bestimmung unter einem Zeichen nach Maßgabe der in Art 10 Abs 2 dieser RL genannten Voraussetzungen zu „besitzen“, ausreicht, über eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person zu verfügen, die die unmittelbare und tatsächliche Herrschaft über diese Ware innehat.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 37030 vom 12.08.2025