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EuGH: Österreichische Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen unionsrechtswidrig

Bearbeiter: Annika Streicher, Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht, WU Wien

UStG 1994: § 23

§ 23 UStG (Besteuerung von Reiseleistungen) ist nicht richtlinienkonform, wie der EuGH kürzlich im Zuge einer von der Kommission eingebrachten Vertragsverletzungsklage feststellte. Österreich wendet die Margenbesteuerung nur im B2C-Geschäft an und erlaubt darüber hinaus eine pauschale Ermittlung der Marge. Beides steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.

EuGH vom 27. 1. 2021, C-787/19, Kommission/Österreich

Sachverhalt

Die Margenbesteuerung ist in Art 306-310 MwStSyst-RL festgelegt und normiert ein Spezialregime für die Besteuerung der Umsätze von Reiseunternehmen. Unternehmen, die Reiseleistungen erbringen, müssen ihre Marge zum Normaltarif in dem Land versteuern, in dem sie ihr Unternehmen betreiben. Die Marge ist der Differenzbetrag zwischen dem Preis, den der Kunde für die Reise bezahlt, und dem Preis, den der Unternehmer für den Zukauf von Reisevorleistungen aufwenden musste. Der Reiseunternehmer darf die auf die zugekauften Reisevorleistungen entfallende Vorsteuer nicht abziehen. Der österreichische Gesetzgeber wendet die in § 23 UStG umgesetzte Margenbesteuerung nicht auf B2B-Reiseleistungen an, also etwa auf den Verkauf von Konferenzreisen an Unternehmer. Außerdem gestattet er den Reiseunternehmen aus Verwaltungsvereinfachungsgründen, die Margenermittlung pauschal durchzuführen und fordert keine gesonderte Ermittlung für jede einzelne Reiseleistung. Die Kommission betrachtete diese beiden Punkte als richtlinienwidrig und brachte beim EuGH eine Vertragsverletzungsklage ein.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH stimmt der Kommission in beiden Punkten zu. Zur ersten Rüge hält er fest, dass seit der Rs Kommission/Spanien (C-189/11) die Anwendung der sog Kundenmaxime eindeutig klargestellt ist. Das bedeutet, dass die Margenbesteuerung auf die Leistungserbringung an jede Art von Kunden angewendet werden muss, dh auch im B2B-Bereich. Nicht ausreichend ist die bloße Anwendung auf Fälle, in denen die Reiseleistung an die Person, die die Reise auch antritt, erbracht wird (sog Reisendenmaxime). Das mit der Sonderregelung verfolgte Ziel – die Vereinfachung der Mehrwertsteuervorschriften für Reisebüros und die ausgewogene Verteilung der Einnahmen aus der Erhebung der Mehrwertsteuer – lässt sich nach Ansicht des EuGH am besten durch Anwendung der Kundenmaxime erreichen. Das Vorbringen Österreichs, die Regelung sei als Ausnahme eng auszulegen und daher nur auf B2C-Fälle anzuwenden, überzeugt den EuGH nicht. Zur zweiten Rüge hält der EuGH fest, dass die Marge für jede einzelne Leistung gesondert zu ermitteln ist. Eine pauschale Ermittlung ist nicht zulässig. Das stellte er bereits in der Rs Kommission/Deutschland (C-380/16) fest. Das Argument, die Einzelermittlung bereite Unternehmen große praktische Schwierigkeiten und benachteilige kleinere Unternehmen, überzeugt das Gericht nicht. Die Mitgliedstaaten müssen auch Regelungen anwenden, die sie für verbesserungsbedürftig halten.

Conclusio

Die Änderung von § 23 UStG wurde seit dem Ergehen der Urteile in Kommission/Spanien und Kommission/Deutschland immer wieder verschoben. Österreichische Interessensvertretungen hatten sich dafür eingesetzt, die aus ihrer Sicht drohende Verschlechterung hinauszuzögern. Nach aktuellem Stand hätte die Neufassung von § 23 UStG am 1. 1. 2022 in Kraft treten sollen. Nun ist Österreich zur Herstellung des unionsrechtskonformen Zustandes verpflichtet. Eine Frist dafür ist in Art 260 AEUV nicht vorgesehen und auch der EuGH kann keine Frist anordnen. Der betroffene Mitgliedstaat muss die erforderlichen Maßnahmen unverzüglich einleiten und schnellstens durchführen. Da die Richtlinienwidrigkeit der österreichischen Umsetzung bereits seit Längerem absehbar war, werden Unternehmen und Beraterbranche von der anstehenden Änderung aber nicht unvorbereitet getroffen. Die Kommission erkennt das Verbesserungspotenzial im Bereich der Margenbesteuerung selbst und führte im Jahr 2020 eine öffentliche Konsultation durch. Fraglich ist, ob die relevante Regelung in der MwStSyst-RL auch tatsächlich geändert wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30453 vom 19.02.2021