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EuGH: Preisgeld bei Pferderennen als Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL

Bearbeiter: Rainer Borns

MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1

UStG: § 1 Abs 1

Abstract

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die Abtretung von potenziell erzielbaren Preisgeldern bei Pferderennen für die Unterbringung und das Training von Pferden als Vergütung iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL qualifiziert werden kann. Dabei war unklar, ob die Ungewissheit der Preisgelder einem unmittelbaren Zusammenhang iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL entgegensteht.

EuGH 9. 2. 2023, C-713/21, Finanzamt X

Sachverhalt

Der Kläger (Kl) betrieb in den Jahren 2007 bis 2012 einen Ausbildungsstall für Turnierpferde. Dabei wurde vertraglich festgehalten, dass der Kl die Pferde in einem Stall unterzustellen und zu pflegen hatte. Die Pferde wurden zudem vom Kl für Turniere vorbereitet, an denen der Kl mit den Pferden teilnahm. Die Pferdeeigentümer wurden durch die Verträge verpflichtet, die Kosten für den Unterhalt der Pferde, für die Turnierteilnahme, den Transport, den Hufschmied und den Tierarzt zu tragen. Zudem wurde vor dem Hintergrund der Turnierteilnahme vereinbart, dass die Pferdeeigentümer die Hälfte des potenziell zu erzielenden Preisgeldes an den Kl abzutreten hatten.

Das deutsche FA erließ 2015 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem die Turniererlöse als umsatzsteuerbar angenommen wurden und dem Regelsteuersatz unterworfen wurden. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab, weshalb der Kläger Revision an den BFH einlegte. In der Revision wurde ua vorgebracht, dass Preisgelder aufgrund der Ungewissheit nicht unmittelbar mit der erbrachten Leistung zusammenhängen und folglich von keiner entgeltlichen Leistung iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL auszugehen sei (EuGH 10. 11. 2016, C-432/15, Bastova, Rn 32). Das deutsche Höchstgericht hatte Zweifel, ob die in der Rs Bastova (EuGH 10. 11. 2016, C-432/15) vorgenommene Auslegung des Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL auf den vorliegenden Fall übertragbar war. Daher wurde dem EuGH folgende Frage vorgelegt:

Erbringt der Inhaber eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde an den Pferdeeigentümer eine einheitliche Leistung, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von Pferden besteht, auch insoweit gegen Entgelt, als der Pferdeeigentümer diese Leistungen durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme zustehenden Anspruchs auf Preisgeld vergütet?

Entscheidung des EuGH

Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL setzt eine Leistung gegen Entgelt für die Steuerbarkeit voraus. Gegenständlich stellt das europäische Höchstgericht fest, dass die Dienstleistung des Kl in der Unterbringung, dem Training und der Turnierteilnahme von Pferden besteht. Bezüglich der Vergütung für diese Dienstleistung führt der EuGH aus, dass dem Kl zum einen die Kosten für den Unterhalt der Pferde erstattet werden und der Kl zum anderen an den Preisgeldern beteiligt wird. Da die bloße Erstattung der Kosten, die dem Kl durch den Betrieb seines Stalls entstehen, laut EuGH keine Vergütung der erbrachten Leistungen ist, stellt sich die Frage, ob die hälftige Beteiligung am Preis als Vergütung für die Leistungen angesehen werden kann.

Dies setzt voraus, dass zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn Leistung und Gegenleistung unmittelbar zusammenhängen. Bezogen auf die Rs Bastova (EuGH 10. 11. 2016, C-432/15) bringt der EuGH weiters vor, dass eine Ungewissheit einer Vergütung unter bestimmten Umständen geeignet ist, den unmittelbaren Zusammenhang aufzuheben.

Gegenständlich stellt der EuGH fest, dass die Verträge zwischen dem Kl und den Pferdeeigentümern ein Rechtsverhältnis begründen, in dessen Rahmen die Leistungen ausgetauscht werden. Zudem ist der Abtretung ein wirtschaftlicher Wert beizumessen, der den tatsächlichen Gegenwert für die Gesamtheit der Leistung bildet. Außerdem ist die Abtretung des hälftigen Anspruches auf die Preisgelder nicht ungewiss. Daher geht der EuGH von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Unterbringung, dem Training der Pferde und der Abtretung des Preisgeldes aus. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es dem Kl als Reiter nicht gelingen sollte, bei einem Turnier tatsächlich ein Preisgeld zu erzielen. Somit ist die gegenständliche Dienstleistung als Leistung gegen Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL zu qualifizieren.

Conclusio

Der EuGH bleibt in dieser Entscheidung seiner ständigen Rechtsprechung treu, wonach Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL ein Rechtsverhältnis – in dessen Rahmen geleistet wird – und einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung verlangt. Interessant ist die gegenständliche Entscheidung vor allem mit Blick auf die Entscheidung in der Rs Bastova, in der der EuGH einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Teilnahme an einem Pferderennen und dem Preisgeld aufgrund der Ungewissheit des Preisgeldes verneint hat. Im vorliegenden Fall verneint der EuGH eine Vergleichbarkeit mit der Rs Bastova, weil bereits die Abtretung des Anspruches auf das Preisgeld als Vergütung anzusehen ist. Die Abtretung an sich ist nicht ungewiss, weshalb der EuGH dieser einen wirtschaftlichen Wert beimisst. Dies ist unabhängig davon, ob es dem Kl letztendlich gelingt, mit den Pferden Preisgelder zu erzielen. Da innerhalb eines Rechtsverhältnisses geleistet wird und ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, kann von einer Leistung gegen Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL ausgegangen werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33829 vom 28.03.2023