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MwStSystRL: Art 167, 168
Abstract
Der EuGH hatte sich mit der Frage des Vorsteuerabzugs bei konzerninternen Dienstleistungen zu beschäftigen. Der Gerichtshof kam dabei zu dem Schluss, dass der Anspruch auf Vorsteuerabzug nach den objektiven Inhalten des jeweiligen Umsatzes zu beurteilen ist. Nicht relevant ist dabei, ob die Dienstleistungen gleichzeitig an mehrere Konzerngesellschaften erbracht werden oder ob sie tatsächlich erforderlich waren.
EuGH 12. 12. 2024, C-527/23, Weatherford Atlas Gip
Sachverhalt
Weatherford Atlas Gip (W) gehört zu der Unternehmensgruppe Weatherford. 2016 übernahm das Unternehmen durch eine Verschmelzung die rumänische Gesellschaft Forserco SA (F SA), einschließlich ihrer Rechten und Pflichten. In den Jahren 2015 und 2016 hatte die F SA in Rumänien Dienstleistungen für einige Kunden erbracht. Für deren Erbringung erwarb sie allgemeine Verwaltungsdienstleistungen der Weatherford-Gruppe, im Zusammenhang mit IT, Personalwesen, Marketing, Buchhaltung und Beratung. Diese Verwaltungsdienstleistungen wurden von der Weatherford-Gruppe gleichzeitig auch an andere Unternehmen derselben Gruppe verkauft.
Nach der Verschmelzung kam es zu einer Prüfung durch die rumänische Steuerverwaltung, wobei diese das Recht von W verweigerte, als Gesamtrechtsnachfolger der F SA Vorsteuerabzug für die erworbenen Verwaltungsdienstleistungen geltend zu machen. Dies begründete die Steuerverwaltung ua damit, dass nicht nachgewiesen wurde, ob ein Zusammenhang zwischen den erworbenen Dienstleistungen und der Tätigkeit der F SA bestand. Außerdem wurde nicht nachgewiesen, ob die durch F SA erworbenen Dienstleistungen für sie überhaupt notwendig waren.
Die W legte hiergegen Einspruch ein, der von der Steuerverwaltung mit Entscheidung zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob die W eine Anfechtungsklage beim Regionalgericht Prahova in Rumänien. Das Gericht wies darauf hin, dass lediglich strittig sei, ob der Steuerpflichtige die Dienstleistungen benötigt habe oder nicht. Dahingehend ist fraglich, ob das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Basis einer subjektiven Bewertung durch die Steuerverwaltungen in Bezug auf die Notwendigkeit von Dienstleistungen, versagt werden kann, wenn erwiesen ist, dass die damit verbundenen Kosten zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen zählen.
Das Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Darf eine nationale Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug bei konzerninternen Dienstleistungen mit der Begründung versagen, dass diese Dienstleistungen gleichzeitig auch an andere Konzerngesellschaften erbracht wurden und ihr Erwerb nicht erforderlich oder zweckmäßig sei?
Entscheidung
Das Recht auf Vorsteuerabzug gem Art 167 ff MwStSystRL setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und den Ausgangsumsätzen bestehen muss (s EuGH 20. 1. 2022, C-90/20, Apcoa Parking Danmark, EU:C:2022:37, Rn 27 mwN). Bei Fehlen eines solchen Zusammenhangs kann das Recht auf Vorsteuerabzug aber auch dann weiterhin bestehen bleiben, wenn die Kosten zu den allgemeinen Aufwendungen gehören und als solche Kostenelemente der Ausgangsumsätze sind (s EuGH 4. 10. 2024, C-475/23, Voestalpine Giesserei Linz, EU:C:2024:866, Rn 21).
Das Bestehen eines solchen Zusammenhangs muss dabei anhand des objektiven Inhalts der Umsätze beurteilt werden. Daher muss das vorlegende Gericht ermitteln, inwieweit die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich erbracht wurden, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine besteuerten Umsätze zu bewirken. Nur insoweit belastet die Vorsteuer die erbrachten Dienstleistungen des Steuerpflichtigen und darf abgezogen werden (s EuGH 1. 10. 2020, C-405/19, Vos Aannemingen, EU:C:2020:785, Rn 40ff).
Weiterhin muss der Betroffene „Steuerpflichtiger“ iSd MwStSystRL sein. Vorliegend weist der EuGH daraufhin, dass die Weatherford-Gruppe aus unterschiedlichen Steuerpflichtigen besteht, also keine Mehrwertsteuergruppe bildet, da die Gruppenmitglieder nicht auf das Gebiet desselben Mitgliedsstaates gem Art 11 MwStSystRL beschränkt sind (s auch EuGH 11. 3. 2021, C-812/19, Danske Bank, EU:C:2021:196, Rn 24).
Bei der Frage nach dem Recht auf Vorsteuerabzug unerheblich ist demgegenüber der Umstand, dass die Verwaltungsdienstleistungen der Weatherford-Gruppe gleichzeitig an mehrere Empfänger erbracht wurden. Außerdem unerheblich ist die Frage, ob der Erwerb der Dienstleistungen erforderlich oder zweckmäßig war. Das Mehrwertsteuersystem soll die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von deren Zweck oder Ergebnis gewährleisten. Das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug bleibt daher auch dann bestehen, wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später nicht ausgeübt wird (s EuGH 13. 6. 2024, C-696/22, , EU:C:2024:499, Rn 94).
Somit ist Art 168 MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass er der Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch eine Steuerverwaltung mit der Begründung, dass die konzerninternen Dienstleistungen gleichzeitig auch an andere Konzerngesellschaften erbracht wurden und ihr Erwerb nicht erforderlich sei, entgegensteht, wenn der Steuerpflichtige die Dienstleistungen auf der nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet.
Conclusio
Der Vorsteuerabzug stellt einen integralen Bestandteil des europäischen Mehrwertsteuersystems dar und kann grds nicht eingeschränkt werden. Zweck ist, den Steuerpflichtigen vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer zu entlasten. Dies soll die Neutralität der MwSt im unternehmerischen Bereich gewährleisten (s EuGH 7. 3. 2024, C-341/22, Feudi di San Gregorio Aziende Agricole, EU:C:2024:210, Rn 27). Insbesondere der Vorsteuerabzug bei konzerninternen Dienstleistungen ist dabei immer wieder ein Thema in der Rechtsprechung.
Das vorliegende Urteil bestätigt die hA in Österreich: Zum einen sind die Wirkungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft auf Innenleistungen zwischen dem im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (s UStR 2000, Rz 240). Zum anderen bleibt auch in Österreich das Recht auf Vorsteuerabzug bestehen, wenn die Kosten für bezogene Dienstleistungen als allgemeine Aufwendungen im Preis für die Ausgangsumsätze aufscheinen, da hierdurch ein direkter Zusammenhang zu bejahen ist (s UStR 2000, Rz 1802).