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EuGH: Rückerstattung iZm missbräuchlicher Klausel – Beginn der Verjährungsfrist

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 93/13/EWG: Art 6, Art 7

Hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist für einen Anspruch auf Rückerstattung von Kosten, die der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einem Gewerbetreibenden aufgrund einer Vertragsklausel gezahlt hat, deren Missbräuchlichkeit nach der Zahlung dieser Kosten durch rk Gerichtsentscheidung festgestellt wurde, stellt der EuGH zunächst klar, dass Art 6 Abs 1 und Art 7 Abs 1 der RL 93/13/EWG [über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen; KlauselRL] iVm dem Effektivitätsgrundsatz dem entgegenstehen, dass die Verjährungsfrist am Tag der Zahlung unabhängig von der Frage zu laufen beginnt, ob der Verbraucher bei der Zahlung von der Missbräuchlichkeit dieser Klausel Kenntnis hatte oder vernünftigerweise haben konnte, oder bevor die Nichtigkeit dieser Klausel durch diese Entscheidung festgestellt wurde.

Art 6 Abs 1 und Art 7 Abs 1 KlauselRL stehen weiters dem entgegen, dass die Verjährungsfrist an dem Tag zu laufen beginnt, an dem das oberste nationale Gericht zuvor in einer getrennten Rechtssache ein Urteil erlassen hat, das eine entsprechende Standardklausel für missbräuchlich erklärt. Da dem Gewerbetreibenden insoweit keine Informationspflicht obliegt, kann nicht angenommen werden, dass der Verbraucher vernünftigerweise Kenntnis davon haben kann, dass eine Klausel in seinem Vertrag dieser Standardklausel entspricht. Auch wenn die höchstrichterliche Rsp eines Mitgliedstaats angemessen veröffentlicht wird, kann von einem Verbraucher, der angesichts seiner schwächeren Position gegenüber dem Gewerbetreibenden durch die KlauselRL geschützt werden soll, nicht eine juristische Recherche erwartet werden. Eine solche nationale Rsp ist auch nicht zwangsläufig geeignet, ipso facto alle Klauseln dieser Art in allen Verträgen für missbräuchlich zu erklären; grds ist noch im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die konkrete Vertragsklausel dieser Standardklausel entspricht und wie diese für missbräuchlich zu erklären ist. Die Missbräuchlichkeit einer konkreten Vertragsklausel kann von spezifischen Umständen beim Vertragsabschluss und ua von den besonderen Hinweisen des Gewerbetreibenden an den Verbraucher abhängen. Von einem angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher kann daher nicht verlangt werden, dass er sich nicht nur eigenständig regelmäßig über die nationale höchstrichterliche Rsp zu entsprechenden Standardklauseln informiert, sondern auch anhand eines Urteils eines obersten nationalen Gerichts ermittelt, ob eine konkrete Klausel missbräuchlich ist. Überdies wäre es nicht mit der KlauselRL vereinbar, den Gewerbetreibenden für seine Untätigkeit angesichts einer höchstgerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit zu belohnen. Wie im Ausgangsverfahren verfügt der Gewerbetreibende als Finanzinstitut idR über eine Rechtsabteilung, die den Vertrag formuliert hat und in der Lage ist, die Entwicklung der höchstgerichtlichen Rsp zu verfolgen und daraus Schlüsse für die vom Finanzinstitut abgeschlossenen Verträge zu ziehen. Ein solches Finanzinstitut verfügt grds auch über einen Kundenservice, der alle erforderlichen Informationen hat, um problemlos Kontakt zu den betroffenen Kunden aufzunehmen.

EuGH 25. 4. 2024, C-484/21, Caixabank (Délai de prescription)

Zu einem spanischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35368 vom 30.04.2024