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EuGH: Steuerbefreiung für Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und die Lieferung von Wärme

Bearbeiter: Markus Mittendorfer

MwStSyst-RL: Art 135 Abs 1 lit l

Abstract

Eine nationale Regelung, nach der die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die wiederum Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, von der Mehrwertsteuer befreit sind, verstößt gegen die MwStSyst-RL. Das Urteil des EuGH hat direkte Auswirkungen auf Österreich, weil § 6 Abs 1 Z 17 UStG eine vergleichbare Steuerbefreiung für Eigentümergemeinschaften enthält.

EuGH 17. 12. 2020, C-449/19, WEG Tevesstraße

Sachverhalt

Die WEG Tevesstraße ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft und errichtet im Jahr 2012 auf einem Grundstück, das im Eigentum der Mitglieder dieser Gemeinschaft steht, ein Blockheizkraftwerk. Der erzeugte Strom wird sodann an ein Energieversorgungsunternehmen verkauft, während die erzeugte Wärme entgeltlich an die Eigentümer geliefert wird. Die WEG Tevesstraße macht daraufhin den Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb des Blockheizkraftwerkes geltend. Die deutsche FinVw verweigert allerdings den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Anteil des geltend gemachten Vorsteuerbetrages. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass die Lieferung von Wärme durch Wohnungseigentümergemeinschaften an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, nach § 14 Nr 13 des deutschen UStG steuerbefreit sei. Ein Vorsteuerabzug stehe demnach nicht in vollem Umfang zu. Das FG Baden-Württemberg hat Zweifel an der Unionsrechtskonformität dieser Bestimmung und ersucht den EuGH daraufhin um eine Vorabentscheidung dahingehend, ob die MwStSyst-RL einer solchen nationalen Regelung entgegensteht.

Entscheidung des EuGH

In seinem Urteil in der Rs C-449/19 befasst sich der EuGH mit der Auslegung von Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL. Im Kern geht es um die Frage, ob die gegenständliche deutsche Bestimmung in Art 135 Abs 1 Z l MwStSyst-RL Deckung findet.

In seiner Begründung hält der EuGH zunächst fest, dass die MwStSyst-RL auf den gegenständlichen Fall anwendbar sei und es sich bei der Wärmelieferung um die Lieferung eines Gegenstandes handle, die grds der MwSt unterliegt. Was die Auslegung von Art 135 Abs 1 MwStSyst-RL betrifft, verweist er in weiterer Folge auf seine stRsp, wonach die Begriffe „Verpachtung“ und „Vermietung von Grundstücken“ eng auszulegen seien. In der Rsp des EuGH wird die Vermietung von Grundstücken mangels Definition in der MwStSyst-RL dahingehend verstanden, dass der Vermieter dem Mieter gegen Vergütung auf bestimmte Zeit das Recht einräumt, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und jede Person von diesem Recht auszuschließen. Die in Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL vorgesehene Steuerbefreiung für die Verpachtung und Vermietung von Grundstücken finde ihre Begründung in der Tatsache, dass sich eine solche Tätigkeit idR als eine passive Tätigkeit darstellt und zu keiner signifikanten Wertschöpfung führt. Die Tätigkeit der WEG Tevesstraße besteht allerdings in der entgeltlichen Lieferung von Wärme, die durch das von ihr betriebene Blockheizkraftwerk erzeugt wird. Die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer ist von der Befreiung nach Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL aber nicht umfasst. Mit der Lieferung der Wärme gegen Entgelt verkauft die WEG Tevesstraße nämlich einen körperlichen Gegenstand, der wiederum auf die Nutzung eines anderen körperlichen Gegenstandes zurückzuführen ist. Den Erwerbern der Wärme (also den Eigentümern) werde dabei nicht das Recht eingeräumt, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Es liege daher keine „Vermietung von Grundstücken“ iSd der stRsp des EuGH vor. Die deutsche Regelung finde somit keine Deckung in der MwStSyst-RL und sei daher unionsrechtswidrig.

Conclusio

Das österreichische Recht kennt mit § 6 Abs 1 Z 17 UStG eine der deutschen Regelung vergleichbare Steuerbefreiung für Eigentümergemeinschaften. Nach § 6 Abs 1 Z 17 UStG sind Leistungen von Personenvereinigungen zur Erhaltung, Verwaltung oder zum Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht […] unecht von der Umsatzsteuer befreit. Aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rs WEG Tevesstraße ergeben sich daher auch für Österreich weitreichende Konsequenzen: § 6 Abs 1 Z 17 UStG dürfte – genauso wie die gegenständliche deutsche Bestimmung – ebenfalls nicht den Vorgaben der MwStSyst-RL entsprechen (vgl diesbezüglich Denk, Die Wohnungseigentümergemeinschaft im Umsatzsteuerrecht [2020] 5 f).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30493 vom 25.02.2021