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EuGH: Streit über Erfinderstellung betr Patente – internationale Zuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VO (EU) 1215/2012: Art 24

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft Patente, die in Drittstaaten angemeldet und erteilte wurden, nämlich in China und den Vereinigten Staaten. Der Rechtstreit besteht zwischen zwei Gesellschaften mit Sitz im selben Mitgliedstaat (hier: Schweden) und es geht um die Feststellung des Inhabers eines Rechts, das vorgeblich ebenfalls dort (in Schweden) entstanden ist – und zwar des Rechts an den Erfindungen, die den Patentanmeldungen und erteilten Patenten zugrunde liegen. Der einzige Auslandsbezug (Patentanmeldung und -erteilung) betrifft nicht das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats. Diese Situation fällt zwar in den Anwendungsbereich der VO (EU) 1215/2012 (EuGVVO 2012; Brüssel Ia-VO), aber nicht in den Anwendungsbereich von deren Art 24 Nr 4:

Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien sind gem Art 24 Nr 4 EuGVVO 2012 in einem Verfahren betr die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Unionsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt. Im vorliegenden Fall wurden die Patente nicht in einem Mitgliedstaat angemeldet und erteilt, sondern in Drittstaaten (USA und China); da Art 24 Nr 4 EuGVVO 2012 diese Situation nicht regelt, ist diese Bestimmung auch nicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar. Außerdem betrifft ein Rechtsstreit wie hier nicht „die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten“, sodass es nicht erforderlich ist, die Zuständigkeit dafür den Gerichten vorzubehalten, die eine sachliche und rechtliche Nähe zum Register aufweisen. Die Fragen, wem die betreffenden Erfindungen gehören und wer deren Erfinder ist, betreffen nicht die Beantragung eines Rechts des geistigen Eigentums oder das Recht als solches, sondern deren Gegenstand. Bei der Ermittlung des Erfinders, die wie hier der einziger Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, handelt es sich um eine vorgelagerte Frage, die sich von der Frage nach dem Bestehen einer Patentanmeldung oder nach der Erteilung des entsprechenden Patents unterscheidet und auch nicht die Gültigkeit einer solchen Anmeldung betrifft. Die Tatsache, dass das fehlende Recht an einer Erfindung einen Ungültigkeitsgrund für die Anmeldung darstellen kann, ist für die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten betr die Erfinderstellung ohne Belang. Selbst wenn zur Ermittlung des Erfinders die Ansprüche der Patentanmeldung geprüft werden sollten, um den Beitrag jedes Mitarbeiters zur Erfindung zu bestimmen, beträfe diese Prüfung nicht die Patentierbarkeit der Erfindung.

EuGH 8. 9. 2022, C-399/21, IRnova

Zu einem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen.

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen weist der EuGH weiters darauf hin, dass selbst ein Rechtsstreit, der eine Patentverletzung betrifft und bei dem daher der Umfang des Patentschutzes im Hinblick auf das Patentrecht des Landes eingehend zu prüfen ist, in dessen Hoheitsgebiet das Patent erteilt wurde, nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaats fällt (weil die erforderliche sachliche oder rechtliche Nähe zum Ort der Patenteintragung fehlt), sondern nach Art 4 Abs 1 EuGVVO 2012 in die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Bekl seinen Wohnsitz hat (vgl zB EuGH 13. 7. 2006, GAT, C-4/03, Rn 16, Zak 2006/588).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33029 vom 12.09.2022