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EuGH: Umsatzsteuer bei Rundfunkgebühren

Bearbeiter: Maximilian Pfluger

MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1 lit c, Art 370, Anhang X Teil A Nr 2

Abstract

In diesem Urteil hatte der EuGH über die mehrwertsteuerrechtlichen Auswirkungen der Änderungen im dänischen Besteuerungssystem in Bezug auf die Mediengebühr zu entscheiden. Der EuGH hatte konkret zu beurteilen, ob die Zwangsgebühr, die den öffentlichen Rundfunk finanziert, eine Dienstleistung iSd Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL ist. Weiters hatte der EuGH zu entscheiden, ob eine Ausweitung der Besteuerungsobjekte eine wesentliche Änderung des Besteuerungssystem darstellt. Eine wesentliche Änderung würde der Besteuerung iSd MwStSyst-RL entgegenstehen.

EuGH 19. 12. 2024, C-573/22, Foreningen C u.a., ECLI:EU:C:2024:1040

Sachverhalt

Der EuGH hatte aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Landesgerichts für Ostdänemark (Østre Landsret) zu entscheiden, ob die Erhebung von Mehrwertsteuer (MwSt) auf die dänische Mediengebühr zulässig ist. Von 2007–2017 diente diese Gebühr zur Finanzierung der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt sowie weiterer Film- und Kultureinrichtungen.

Die Kläger, bestehend aus zwei natürlichen Personen und der GruppeForeningen C u.a. argumentierten, dass die Erhebung der MwSt aufgrund von Art 370 MwStSyst-RL unzulässig sei, weil die Anwendung der leg cit eine entgeltliche Dienstleistung iSd Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL voraussetze. Das dänische Finanzministerium hielt dagegen, dass Art 370 MwStSyst-RL eine Sondervorschrift darstelle, die es ermögliche, das vor dem Jahr 1978 bestehende Besteuerungssystem aufrecht zu erhalten.

Das vorlegende Gericht bezog sich hauptsächlich auf das Urteil Český rozhlas (mVa EuGH 22. 6. 2016, C-11/15, Český rozhlas, EU:C:2016:470) und führte aus, dass die Mediengebühr kein Entgelt für eine Dienstleistung sei. Daher beziehe sich die zu klärende Rechtsfrage darauf, ob MwSt auf eine Gebühr erhoben werden kann, für die es keine Gegenleistung gibt. In eventu wollte das Gericht klären, ob die Änderung des Mediengebührengesetzes seit 1978 Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Sonderbestimmung des Art 370 MwStSyst-RL hat. Die ursprüngliche Gebühr stellte auf den Besitz von Fernseh- und Radiogeräten ab. Diese wurde durch eine Gebühr für den Besitz jedes Gerätes mit der Möglichkeit zum Empfang von Bildprogrammen und -diensten ersetzt.

Dem EuGH wurden ua folgende Fragen zur Beantwortung vorgelegt:

1.Darf Mehrwertsteuer unter der Sonderregelung des Art 370 MwStSyst-RL auf Mediengebühren erhoben werden, obwohl keine Entgeltlichkeit gegeben ist?
2.Darf eine Besteuerung bestehen bleiben, wenn der betreffende Mitgliedstaat den Anwendungsbereich der Mediengebühr ausgeweitet hat?

Entscheidung des EuGH

Die erste Vorlagefrage betrifft Art 2 Abs 1 lit c und Art 370 iVm Anhang X Teil A Nr 2 MwStSyst-RL. Zentral für die Rechtsfrage ist, ob eine Tätigkeit, die durch eine Zwangsgebühr finanziert wird, weiterhin der MwSt unterliegen darf, unabhängig davon, ob eine entgeltliche Dienstleistung iSd Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL vorliegt.

Der EuGH stellt klar, dass Art 370 MwStSyst-RL den Mitgliedstaaten ermöglicht, vor dem Jahr 1978 bestehende Besteuerungssysteme beizubehalten und vergleicht Art 370 MwStSyst-RL mit dem Art 378 MwStSyst-RL. Bereits in dem Urteil GIShat der EuGH entschieden, dass ein bestehendes Besteuerungssystem beibehalten werden darf, soweit die Modalitäten in den Grundzügen unverändert bleiben (mVa EuGH 26. 10. 2023, C-249/22, GIS, EU:C:2023:813, Rn 42). Es ist eben das Wesen einer solchen Sonderregelung, dass sie nicht Teil des harmonisierten Besteuerungssystems ist, sondern die bestehende Besteuerung der betreffenden Leistung unverändert lässt. Im Urteil GIShat der EuGH entschieden, dass Art 2 Abs 1 lit c iVm Art 378 MwStSyst-RL dahin gehend auszulegen sind, dass eine bestehende Besteuerung einer Tätigkeit, die durch Zwangsgebühren finanziert wird, weiterhin der MwSt unterworfen werden kann, selbst wenn die Tätigkeit keine entgeltliche Dienstleistung iSd Art 2 Abs 1 lit c MwStSyst-RL darstellt (mVa EuGH 26. 10. 2023, C-249/22, GIS, EU:C:2023:813, Rn 52). Diese Ausführungen können auf die Auslegung des Art 370 MwStSyst-RL sinngemäß übernommen werden. Der EuGH kommt zum Ergebnis, dass Art 2 Abs 1 lit c und Art 370 MwStSyst-RL der Fortführung der Besteuerung der Mediengebühr durch Dänemark nicht entgegensteht.

Die zweite Vorlagefrage behandelt die Auslegung von Art 370 iVm Anhang X Teil A Nr 2 MwStSyst-RL. Der Kern der Vorlagefrage ist, ob die Besteuerung fortgesetzt werden darf, wenn die Regelung auf jedes Gerät, das zum Empfang von Rundfunkprogrammen, wie Smartphones oder Computer, geeignet ist, erweitert wurde. Art 370 MwStSyst-RL erlaubt es den Mitgliedstaaten die Besteuerung von Tätigkeiten öffentlicher Rundfunkanstalten beizubehalten, solange das Besteuerungssystem im Wesentlichen unverändert bleibt (mVa EuGH 26. 10. 2023, C-249/22, GIS, EU:C:2023:813, Rn 42 f). Änderungen aufgrund von technischen Neuerungen, wie durch die Einbeziehung von Smartphones oder Computern, führen nicht zu einem Entfall der Ausnahme nach Art 370 MwStSyst-RL. Für den EuGH ist entscheidend, dass die Zahlungspflicht weiterhin an das Endgerät anknüpft, nicht entscheidend sind technische Spezifikationen. Der EuGH begründet diese Auslegung damit, dass Art 370 MwStSyst-RL nicht auf die Anzahl der besteuerten Geräte abstellt. Das Höchstgericht führt aus, dass sich die Zahl der gebührenpflichtigen Geräte auch aufgrund von leichterer Verfügbarkeit und sinkender Preise von TV-Geräten verändert hat. Ein weiteres Argument ist, dass die Hauptfunktion der neu umfassten Geräte unerheblich ist. Auch Fernsehgeräte haben andere Funktionen als bloß den Empfang von Programmen öffentlicher Rundfunkanstalten (mVa EuGH 22. 6. 2016, C-11/15, Český rozhlas, EU:C:2016:470, Rn 26). Der Besteuerung der Tätigkeit des öffentlichen Rundfunks, die mittels Zwangsgebühr finanziert wird, steht nicht entgegen, dass auch Geräte, wie Smartphones und Computer, mitumfasst sind.

Conclusio

Zur Beurteilung, ob ein bestehendes Besteuerungssystem, dessen Anwendungsbereich erweitert wurde, beibehalten werden darf, stellt der EuGH auf zwei wesentliche Kriterien ab: Einerseits muss die Besteuerung der Tätigkeit am 1. 1. 1978 bestanden haben (Art 370 MwStSyst-RL) und andererseits dürfen die Modalitäten im Wesentlichen nicht geändert werden (EuGH 26. 10. 2023, C-249/22, GIS, EU:C:2023:813, Rn 43).

Aufgrund der Einführung des neuen ORF-Beitrages („Haushaltsabgabe“) mit 1. 1. 2024 könnte sich in Österreich wieder die Frage stellen, ob die neue Haushaltsabgabe umsatzsteuerpflichtig sein könnte. Die Haushaltsabgabe unterliegt aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung, im Gegensatz zu der früheren GIS-Gebühr, nicht der Umsatzsteuer (ErläutRV 2082 BlgNR 27. GP 15; auch Urtz, „GIS-Gebühr“ und neuer ORF-Beitrag [„Haushaltsabgabe“]: Fehlende Umsatzsteuerpflicht und beihilfenrechtliche Probleme, ÖStZ 2024/492, 527 [535]) In weiterer Folge könnte man fragen, ob grundsätzlich eine Umsatzsteuerpflicht bei der neuen Ausgestaltung der Haushaltsabgabe möglich wäre. Hierzu ist wiederum zu prüfen, ob die Modalitäten im Wesentlichen unverändert geblieben sind. Urtz ist der Ansicht, dass sich die Modalitäten eben nicht geändert haben, da auch der ORF-Beitrag kein Entgelt iSd MwStSyst-RL ist (Urtz, ÖStZ 2024, 527 [536 f]).

Österreich könnte aufgrund des Wahlrechts des Art 378 MwStSyst-RL die neue Haushaltsabgabe der MwSt unterwerfen. Vergleichbar mit dieser Entscheidung, wird primär dem Umstand Rechnung getragen, dass sich technische Gegebenheiten geändert haben. Die Anknüpfung an den Haushalt und nicht mehr an die Rundfunkempfangseinrichtung (Urtz, ÖStZ 2024, 527 [535]) berücksichtigt vor allem, dass heute nahezu jeder Haushalt mittels Computer, Smartphone oder Tablet über das Internet den Inhalt des ORF konsumieren kann (ErläutRV 2082 BlgNR 27. GP 23 f). Diese Änderung der Anknüpfungsform ist vergleichbar mit der Änderung der dänischen Rechtslage in der zweiten Vorlagefrage.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36450 vom 03.03.2025