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EuGH: Umsatzsteuerbarkeit der entgeltlichen Umwandlung eines Erbnießbrauchs in Volleigentum

Bearbeiter: Annika Streicher

MwStSystRL: Art 14 Abs 2 lit a, Art 13 Abs 1

Abstract

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die entgeltliche Umwandlung eines Erbnießbrauchs an einer Immobilie in Volleigentum ein umsatzsteuerbarer Vorgang ist. Fraglich war weiters, ob die Gemeinde, in deren Eigentum die Immobilie stand, als Einrichtung des öffentlichen Rechts iSd Art 13 Abs 1 MwStSystRL gehandelt hatte. Der EuGH bejahte die erste Frage und verneinte die zweite, weshalb der Umsatz steuerbar war.

EuGH vom 25. 2. 2021, C-604/19, Gmina Wrocław

Sachverhalt

Die polnische Gemeinde Wrocław ist Eigentümerin von Immobilien. Eine dieser Immobilien war mit einem sog Erbnießbrauch (ein Fruchtgenussrecht) belastet. Dieser ermöglicht dem Erbnießbraucher die Nutzung eines Grundstücks gegen Entrichtung eines jährlichen Entgelts. Die Bestellung eines Erbnießbrauchs ist eine umsatzsteuerbare Lieferung von Gegenständen. Später wurde das Erbnießbrauchsrecht kraft Gesetzes in Volleigentum am Grundstück umgewandelt, wofür der Erbnießbraucher ein Umwandlungsentgelt leisten musste. Dem EuGH wurden zwei Fragen vorgelegt: erstens, ob das Umwandlungsentgelt gem Art 14 Abs 2 lit a MwStSystRL der Besteuerung unterliegt. Zweitens, ob die Gemeinde hier als Einrichtung des öffentlichen Rechts iSd Art 13 Abs 1 MwStSyst-RL gehandelt hatte und der Vorgang somit nicht steuerbar war.

Entscheidung des EuGH

Zur ersten Frage führte der EuGH aus, dass eine Lieferung von Gegenständen vorliegt. Gem Art 14 Abs 1 MwStSystRL ist die Lieferung von Gegenständen die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Abs 2 enthält eine Aufzählung von Umsätzen, die „neben dem in Absatz 1 genannten Umsatz“ als Lieferung von Gegenständen gelten. Abs 2 ist mit seinen autonomen Anwendungsvoraussetzungen lex specialis gegenüber Abs 1. Abs 2 lit a nennt die Übertragung des Eigentums an einem Gegenstand gegen Zahlung einer Entschädigung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes. Unerheblich ist, ob die erfolgte Zahlung alle Tatbestandsmerkmale des in Art 2 Abs 1 lit a MwStSystRL verwendeten Begriffs der Lieferung von Gegenständen „gegen Entgelt“ erfüllt. Ebenso gibt es keine Voraussetzungen zu Art und Höhe der Zahlung. Diese muss lediglich unmittelbar mit der Übertragung des Eigentums verbunden sein und tatsächlich geleistet werden. Daher war das Umwandlungsentgelt als Entschädigung zu qualifizieren.

Auch hatte die Gemeinde nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts iSd Art 13 Abs 1 MwStSystRL gehandelt. Diese Regelung schließt Umsätze von Einrichtungen des öffentlichen Rechts von der Eigenschaft als Steuerpflichtiger und somit von der Steuerbarkeit aus, sofern dies keine größeren Wettbewerbsverzerrungen bewirkt. Sie ist unter zwei Voraussetzungen anwendbar: notwendig sind erstens die Eigenschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts und zweitens das Tätigwerden im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung (EuGH 20. 3. 2014, C-72/13, Gmina Wrocław). Nötig für das Vorliegen der zweiten Voraussetzung ist das Gebrauchen hoheitlicher Befugnisse durch die Einrichtung des öffentlichen Rechts. Die Eigentumsübertragung erfolgte aber auf Grund des Gesetzes. Die Gemeinde hatte selbst keine Entscheidungsbefugnis und führte nur eine vom nationalen Gesetzgeber beschlossene Maßnahme aus. Sie hatte lediglich die Aufgabe, eine Bescheinigung zu erteilen und den neuen Eigentümer über seine Zahlungspflicht zu informieren.

Conclusio

Der EuGH verneinte die Anwendbarkeit von Art 13 Abs 1 MwStSystRL aufgrund des nicht vorhandenen Entscheidungsspielraums der Gemeinde in der Ausführung des Bundesgesetzes. Nach Ansicht der Autorin sollte die Entscheidung nicht dahingehend verstanden werden, dass Art 13 Abs 1 MwStSystRL bereits dann unanwendbar ist, wenn die Gemeinde Landes- oder Bundesrecht vollzieht und nicht in ihrem eigenen Kompetenzbereich tätig wird. Schließlich kann auch Landes- oder Bundesrecht den Gemeinden noch einen Entscheidungsspielraum überlassen. In diesen Fällen müsste Art 13 Abs 1 MwStSystRL anwendbar bleiben. Fraglich ist aber, wo die Grenze zwischen zu wenig und gerade genug Entscheidungsspielraum zu ziehen ist. Der EuGH wird hier wohl auch in Zukunft keine Kriterien festlegen, weil diese Abgrenzung stark von der politischen Organisationsstruktur des jeweiligen Mitgliedsstaates abhängt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30714 vom 07.04.2021