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EuGH: Verbraucherkredit – „verbundener Kreditvertrag“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2008/48/EG: Art 3, Art 10, Art 14

Der EuGH äußert sich zu deutschen Vorlagefragen betr „verbundene Kreditverträge“ ua zur verpflichtenden Angabe der Art des Kredits und der Verzugszinsen:

Ein „verbundener Kreditvertrag“ iSv Art 3 Buchst n der RL 2008/48/EG (VerbraucherkreditRL) ist ein Kreditvertrag, bei dem „der betreffende Kredit ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über die Lieferung bestimmter Güter oder die Erbringung bestimmter Dienstleistungen dient und diese beiden Verträge objektiv betrachtet eine wirtschaftliche Einheit bilden“. Im Kreditvertrag muss gegebenenfalls in klarer, prägnanter Form angegeben werden, dass es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ iSv Art 3 Buchst n VerbraucherkreditRL handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist.

Nicht angegeben werden muss hingegen, dass der Verbraucher in Höhe des Kreditbetrags, der an den Verkäufer ausgezahlt wird, von seiner Verbindlichkeit zur Zahlung des Kaufpreises befreit ist und dass der Verkäufer ihm den gekauften Gegenstand auszuhändigen hat, sofern der Kaufpreis vollständig beglichen ist.

Im Kreditvertrag ist der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben. Haben die Vertragsparteien vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe der Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, die von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegt und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegeben wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher ohne Fachkenntnisse im Finanzbereich leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, im Kreditvertrag angegeben werden.

Auch die Methode für die Berechnung der Entschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens ist im Kreditvertrag in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der Informationen in diesem Vertrag bestimmen kann.

EuGH 9. 9. 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, Volkswagen Bank

Zu drei deutschen Vorabentscheidungsersuchen.

Vorabentscheidung

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Art 10 Abs 2 Buchst a, c und e der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 4. 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag gegebenenfalls in klarer, prägnanter Form angegeben werden muss, dass es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ iSv Art 3 Buchst n dieser RL handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist.
2.Art 10 Abs 2 der RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass in einem „verbundenen Kreditvertrag“ iSv Art 3 Buchst n dieser Richtlinie, der ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über die Lieferung eines Gegenstands dient und vorsieht, dass der Kreditbetrag an den Verkäufer dieses Gegenstands ausgezahlt wird, angegeben wird, dass der Verbraucher in Höhe des ausgezahlten Betrags von seiner Verbindlichkeit zur Zahlung des Kaufpreises befreit ist und dass der Verkäufer ihm, sofern der Kaufpreis vollständig beglichen ist, den gekauften Gegenstand auszuhändigen hat.
3.Art 10 Abs 2 Buchst l der RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.
4.Art 10 Abs 2 Buchst r der RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann.
5.Art 10 Abs 2 der RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass im Kreditvertrag alle Situationen anzugeben sind, in denen den Parteien des Kreditvertrags ein Kündigungsrecht nicht durch diese Richtlinie, sondern nur durch die nationalen Rechtsvorschriften zuerkannt wird.
6.Art 14 Abs 1 der RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er es dem Kreditgeber verwehrt, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gem dieser Bestimmung durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art 10 Abs 2 dieser RL vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat.
7.Die RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass der Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts gem Art 14 Abs 1 der RL 2008/48 durch den Verbraucher keinen Rechtsmissbrauch annehmen darf, wenn eine der in Art 10 Abs 2 dieser RL vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte.
8.Art 10 Abs 2 Buchst t der RL 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren verbundenen Kosten, darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist, über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, anzugeben sind. Was diese Informationen betrifft, reicht ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten der außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, nicht aus.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31463 vom 20.09.2021