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EuGH: Vergabe – technische Spezifikationen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2014/24/EU: Art 18, Art 42

Nach Art 42 Abs 3 RL 2014/24/EU (VergabeRL) sind die technischen Spezifikationen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen zu formulieren (Buchst a), unter Bezugnahme auf technische Spezifikationen und Normen (Buchst b; zur Rangfolge der verschiedenen Normen siehe dort) oder gem den Buchst c oder d der Bestimmung durch eine Kombination dieser beiden Methoden. Es besteht keine Hierarchie zwischen den in Art 42 Abs 3 Buchst a bis d VergabeRL aufgezählten Methoden der Formulierung der technischen Spezifikationen und die Liste dieser Methoden ist grds auch als abschließend anzusehen – unbeschadet zwingender nationaler technischer Vorschriften iSd Art 42 Abs 3 VergabeRL (die mit dem Unionsrecht vereinbar sind) und unbeschadet von Art 42 Abs 4 VergabeRL.

Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf gem Art 42 Abs 4 VergabeRL in technischen Spezifikationen (ua) nicht auf Marken, Patente, Typen oder eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden, das die von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen charakterisiert, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nach Art 42 Abs 3 VergabeRL nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

Abgesehen von den Fällen, in denen sich die Verwendung eines Materials zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt, muss der öffentliche Auftraggeber daher im Rahmen der technischen Spezifikationen davon absehen, die Verwendung eines bestimmten Materials vorzuschreiben, entweder indem er es vermeidet, ein solches Material in den Auftragsunterlagen zu erwähnen, oder indem er ein oder mehrere Materialien erwähnt und dabei aber den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzufügt. Somit wird der öffentliche Auftraggeber entsprechend dem Ziel der VergabeRL (Öffnung für den Wettbewerb) dazu veranlasst, die Zuschlagskriterien auf eine Vielzahl von Angeboten anzuwenden, die sowohl solche umfassen können, mit denen Waren angeboten werden, die aus Materialien bestehen, deren Verwendung in dem betreffenden Sektor üblich ist, als auch solche, mit denen Waren aus weniger üblichen oder sogar innovativen Materialien angeboten werden. Der öffentliche Auftraggeber gibt den interessierten Wirtschaftsteilnehmern somit die Möglichkeit, die Gleichwertigkeit solcher Materialien nachzuweisen.

Verwendet ein öffentlicher Auftraggeber eine technische Spezifikation, die nicht mit den Regeln des Art 42 Abs 3 und 4 VergabeRL vereinbar ist, und schließt er damit bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren aus, verletzt er damit zwangsläufig die in Art 42 Abs 2 VergabeRL enthaltene Verpflichtung, Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zu den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewähren, und das ebenfalls darin enthaltene Verbot, die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise zu behindern.

EuGH 16. 1. 2025, C-424/23, DYKA Plastics

Zu einem belgischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36322 vom 24.01.2025