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EuGH-Vorlage des BFH zum Aufteilungsgebot bei Beherbergungsleistungen

Bearbeiter: Rainer Borns

MwStSyst-RL: Art 24 Abs 1, Art 98 Abs 2

Abstract

Der BFH legt dem EuGH die Frage vor, ob das in § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 2 dUStG normierte Aufteilungsgebot vor dem Hintergrund der jüngsten Rsp des EuGH unionsrechtskonform ist. § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 2 dUStG sieht vor, dass Leistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen, nicht vom besonderen Steuersatz (7 %) umfasst sind. In diesem Zusammenhang war insbesondere fraglich, ob dieses Aufteilungsgebot selbst dann zur Anwendung kommt, wenn besagte Leistung als unselbständige Nebenleistungen zur Beherbergung einzuordnen ist.

BFH 10. 1. 2024, XI R 11/23 (XI R 34/29)

Sachverhalt

Die Klägerin (Kl) betrieb ein Hotel und ein Restaurant. Die Gäste erhielten zur Übernachtung ein Frühstück, wobei dieses mit 4,50 € pro Tag verrechnet wurde. Zudem verfügte das Hotel auch über Parkplätze, die den Gästen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Die Kl ordnete die Übernachtung, das Frühstück und das Zurverfügungstellen eines Parkplatzes als einheitliche Leistung ein und wandte den besonderen Steuersatz von 7 % an. Demgegenüber war sowohl das FA als auch das FG der Ansicht, dass es sich um keine einheitliche Leistung handelt und daher der Normalsteuersatz iHv 19 % auf die Zubereitung des Frühstücks und die Zurverfügungstellung der Parkplätze anzuwenden ist. Die Kl erhob daraufhin Revision und machte geltend, dass sowohl das Frühstück als auch die Parkplätze als unselbständige Nebenleistungen zur Beherbergung anzusehen seien und der Steuersatz der Beherbergung (§ 12 Abs 2 Nr 11 Satz 1 dUStG) auch auf die Nebenleistungen durchschlage. Zudem brachte die Kl vor, dass das Aufteilungsgebot in § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 2 dUStG vor dem Hintergrund der jüngsten EuGH-Rsp (EuGH 18. 1. 2018, C-463/16, StadionAmsterdam) unionsrechtswidrig sei.

Vorlage des BFH

Im ersten Schritt hält der BFH fest, dass die Zubereitung des Frühstücks eine selbständige Leistung ist, die gesondert von der Beherbergung eingeordnet werden muss. Demgegenüber ist das Überlassen von Parkplätzen als unselbständige Nebenleistung zur Beherbergung zu qualifizieren. Immerhin kann die Überlassung im vorliegenden Fall weder hinzugebucht noch abgewählt werden. Zudem hat diese Leistung keinen anderen Zweck als die Hauptleistung (Beherbergung) unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Grundsätzlich – so der BFH – sieht der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vor, dass eine Nebenleistung stets das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt. Demnach wäre der auf die Beherbergung anwendbare besondere Steuersatz iSd § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 1 dUStG auch auf die Überlassung des Parkplatzes anwendbar. Allerdings sieht § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 2 dUStG ein Aufteilungsgebot vor. Demnach ist der besondere Steuersatz nicht auf jene Leistungen anwendbar, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen.

Der vorlegende Senat des BFH geht basierend auf der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH 7. 3. 2022, XI B 2/21) davon aus, dass die Überlassung von Parkplätzen von jenem Aufteilungsgebot umfasst ist. Als Argument für eine Unionsrechtskonformität dieses Aufteilungsgebotes und somit einer Abweichung vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung bringt das deutsche Höchstgericht vor, dass damit etwaige Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden. Würden andere Unternehmer (zB Gastronom, Parkhausbetreiber) Parkplätze zur Verfügung stellen, könnte der besondere Steuersatz nämlich nicht angewandt werden, weshalb sich für Hotels ein Wettbewerbsvorteil ergeben würde. In weiterer Folge äußert der BFH allerdings auch Bedenken zur Unionsrechtskonformität des Aufteilungsgebotes. So hat der EuGH in der Vergangenheit nämlich festgehalten, dass eine Haupt- und Nebenleistung nicht zwei unterschiedlichen Steuersätzen unterworfen werden dürfen (EuGH 18. 1. 2018, C-463/16, Stadion AmsterdamRn 33. Demnach könnte der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung das Aufteilungsgebot verdrängen (vgl Nieskens in Rau/Dürwachter, Umsatzsteuergesetz, § 12, Rz 51).

Conclusio

Der BFH führt an, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH bisher keine Antwort zur Frage findet, ob ein derartiges Aufteilungsgebot unionsrechtskonform ist. Auf der einen Seite hat der EuGH etwa in der Rs Stadion Amsterdam (EuGH 18. 1. 2018, C-463/16) entschieden, dass eine Haupt- und eine Nebenleistung immer einem einheitlichen Steuersatz zu unterwerfen sind. Andererseits versteht der BFH die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rs The Escape Center (EuGH 22. 9. 2022, C-330/21) dahingehend, dass eine selektive Anwendung eines Steuersatzes auch bei einer einheitlichen Leistung zulässig ist. Aufgrund dieser unterschiedlichen Entscheidungen besteht die Notwendigkeit, die vorliegende Frage dem EuGH vorzulegen.

Der BFH prüft bei der Zubereitung des Frühstücks und der Überlassung der Parkplätze in einem ersten Schritt, ob es sich um unselbständige Nebenleistungen zur Beherbergung handelt. Das deutsche Höchstgericht hält fest, dass das Aufteilungsgebot nur dann zur Anwendung gelangt, wenn eine Leistung als Nebenleistung zur Beherbergung qualifiziert. Andernfalls wäre bereits der Anwendungsbereich des § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 1 dUStG nicht eröffnet, weshalb die Ausnahme in Satz 2 nicht mehr zu prüfen wäre. Wird eine Leistung allerdings als Nebenleistung zur Beherbergung eingeordnet, ergibt sich auf den ersten Blick ein Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung und dem Aufteilungsgebot.

Diesem Spannungsverhältnis könnte der Wortlaut des Aufteilungsgebots entgegengehalten werden: § 12 Abs 2 Nr 11 Satz 2 dUStG erfasst ausschließlich jene Leistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen. Folglich könnte vorgebracht werden, dass eine unselbständige Nebenleistung niemals unter Satz 2 subsumiert werden kann. Immerhin setzt die Einordnung einer Leistung als Nebenleistung voraus, dass dadurch die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden kann – maW dass die Nebenleistung der Hauptleistung dient. Basierend auf einer solchen Auslegung würde dem Aufteilungsgebot und damit dem zweiten Satz der fraglichen Bestimmung allerdings keine normative Wirkung zukommen.

Im österreichisches Umsatzsteuerrecht wird gem § 10 Abs 2 Z 3 lit c UStG der 10%ige Steuersatz nicht nur auf die Beherbergung, sondern auch auf die regelmäßig damit verbundenen Nebenleistungen angewandt. Ein vergleichbares Aufteilungsgebot gibt es bei Beherbergungsleistungen somit nicht, weshalb hier ein derartiges Spannungsverhältnis fehlt. Das österreichische Umsatzsteuerrecht kennt Aufteilungsgebote allerdings an anderen Stellen: So unterliegt etwa die Wohnraumvermietung gem § 10 Abs 2 Z 3 lit a UStG dem 10%igen Steuersatz, wobei die Wärmelieferung explizit vom besonderen Steuersatz ausgeschlossen wird, selbst wenn diese als Nebenleistung zur Wohnraumvermietung zu qualifizieren ist. Da diese Bestimmung bereits vor dem Beitritt zur Union bestand und in Art 117 Abs 2 MwStSyst-RL eine Stand-Stil-Klausel vorgesehen ist, geht die hL von keinem Verstoß gegen das Unionsrecht aus (siehe etwa Denk, Die Wohnungseigentümergemeinschaft im Umsatzsteuerrecht, 201).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35755 vom 13.08.2024