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EuGH-Vorlage zur Rechnung bei Dreiecksgeschäften und Sanierung „missglückter“ Dreiecksgeschäfte

Bearbeiter: Christian Knotzer

UStG: Art 3 Abs 8, Art 25

AEUV: Art 267

MwStSystRL: Art 42, 197, 219a, 226

Abstract

Die Dreiecksgeschäftsregelung des Art 25 UStG sieht insb für den Erwerber (der „mittlere“ Unternehmer bzw Zwischenhändler) Vereinfachungen vor. Bei Vorliegen der Voraussetzungen bleibt ihm nämlich eine umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsland erspart. Gelangt die Regelung zur Anwendung, geht die Steuerschuld für die Lieferung des Erwerbers an den Empfänger (das ist der „letzte“ Unternehmer im Dreieck) auf den Empfänger über. Art 25 Abs 4 TS 1 UStG sieht vor, dass der Erwerber in der Rechnung ausdrücklich auf den Übergang der Steuerschuld hinweisen muss. Mit dieser Anforderung sowie der Sanierbarkeit von „missglückten Dreiecksgeschäften“ befassen sich die Vorlagefragen an den EuGH.

VwGH 8. 4. 2021, EU 2021/0002-1 (Ro 2020/13/0016)

Sachverhalt

Die Rw, eine österr GmbH, kaufte im Jahr 2014 von einem Lieferanten im Vereinigten Königreich mehrmals Fahrzeuge und veräußerte diese weiter an ein Unternehmen mit Sitz in der Tschechischen Republik (M s.r.o.). Die Fahrzeuge gelangten direkt vom Vereinigten Königreich zur M s.r.o. in die Tschechische Republik. Der Transport wurde von der Rw veranlasst. Die Ausgangsrechnungen der Rw enthielten die tschechische UID der M s.r.o., die österreichische UID der Rw und die britische UID des Lieferanten und waren ohne Ausweis von USt und mit dem Hinweis „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ ausgestellt. Im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2014 behandelte das Finanzamt die Umsätze jeweils als „missglückte Dreiecksgeschäfte“, da auf den Rechnungen der Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld gem Art 25 Abs 4 TS 1 UStG fehlte. Dies führte – durch Auftritt mit österreichischer UID der Rw – zu einem kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerb gem Art 3 Abs 8 Satz 2 UStG in Österreich. Für diesen steht ein Vorsteuerabzug nicht zu (s bereits VwGH 29. 5. 2018, Ra 2015/15/0014 mwN). Ein solches „missglücktes Dreiecksgeschäft“ sei nach Ansicht des Finanzamts auch nicht sanierbar. Gegen diesen Bescheid erhob die Rw Beschwerde, welche das BFG abwies (zum BFG Erk ausf Allram/Spies, BFGjournal 2020, 323 ff). In der Begründung bejahte das BFG die „missglückten Dreiecksgeschäfte“ und führte weiters aus, dass die Rw die gegenständlichen Rechnungen im Jahr 2016 zwar unter Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld berichtigt hätte. Die Rw konnte jedoch nicht nachweisen, dass die berichtigten Rechnungen der M s.r.o. auch tatsächlich zugestellt wurden, weshalb sich das BFG schon aus diesem Grund nicht mit der grundsätzlichen Sanierbarkeit eines „missglückten Dreiecksgeschäfts“ auseinandersetzte. Die ordentliche Revision ließ das BFG zu, da es zur Frage, ob eine formell ordnungsgemäße Rechnung mit Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Vereinfachungsregelungen zum Dreiecksgeschäft ist, keine höchstgerichtliche Rsp gebe.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH entschied, dem EuGH gem Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art 42 lit a iVm Art 197 Abs 1 lit c MwStSystRL (idF RL 2010/45/EU des Rates vom 13.  Juli 2010) dahin auszulegen, dass eine Bestimmung des Empfängers der Lieferung als Steuerschuldner auch dann vorliegt, wenn in der Rechnung, in der kein Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen wird, angegeben wird: „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“?

Art 42 lit a MwStSystRL sieht als Bedingung für die (fiktive) Besteuerung des kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerbs unter anderem vor, dass der Empfänger der Lieferung gem Art 197 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmt worden ist. Der VwGH ist der Ansicht, dass eine „Bestimmung“ als Steuerschuldner dann vorliegt, wenn die Rechnung eine Angabe enthält, wie sie in Art 226 Nr 11a MwStSystRL angeführt ist („Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“; s Rz 27). Der VwGH versteht die korrekte Rechnung daher insoweit auch als materielle Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Dreiecksgeschäfts-Regelung. Unter Verweis auf EuGH-Rsp hält es der VwGH aber auch nicht für ausgeschlossen, dass der Hinweis „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ ausreichend sein könnte, um den Empfänger als Steuerschuldner zu bestimmen (s Rz 31 f).

2. Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:

a. Kann eine derartige Rechnungsangabe nachträglich wirksam berichtigt werden (durch Angabe: „Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft gem. Art 25 UStG. Die Steuerschuld geht auf den Leistungsempfänger über“)?

b. Ist es für eine wirksame Berichtigung erforderlich, dass die berichtigte Rechnung dem Rechnungsempfänger zugeht?

c. Tritt die Wirkung der Berichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsstellung ein?

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der VwGH die Rechnung als materielle Voraussetzung für ein Dreiecksgeschäft ansieht (auch mit Verweis auf die Rs EuGH, 19. 4. 2018, C-580/16, Firma Hans Bühler), stellt der Gerichtshof die Frage, inwieweit diese überhaupt berichtigungsfähig ist (Frage 2.a.; s Rz 37). Wohl bejahendenfalls möchte der VwGH ebenfalls wissen, ob die berichtigte Rechnung dem Rechnungsempfänger auch tatsächlich zugehen muss (2.b.) und mit welcher Wirkung diese Berichtigung erfolgen würde (2.c.).

3. Ist Art 219a MwStSystRL (idF RL 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 und der Berichtigung ABl. L 299/46 vom 17. November 2010) dahin auszulegen, dass die Vorschriften über die Rechnungsstellung jenes Mitgliedstaats anzuwenden sind, dessen Vorschriften anzuwenden wären, wenn (noch) keine Bestimmung eines „Erwerbers“ zum Steuerschuldner in der Rechnung erfolgt ist; oder sind die Vorschriften jenes Mitgliedstaats anzuwenden, dessen Vorschriften bei angenommener Wirksamkeit der Bestimmung des „Erwerbers“ zum Steuerschuldner anzuwenden wären?

Die dritte Vorlagefrage bezieht sich auf das für die Rechnungssaustellung für die Lieferung des Erwerbers (hier die Rw) an den Empfänger (hier die M s.r.o.) anwendbare Recht. Diese Vorlagefrage ist auf ein Vorbringen der Rw zurückzuführen, wonach in diesem Sachverhalt auf tschechisches Recht abzustellen wäre und nach tschechischem Recht ein expliziter Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld nicht gefordert wäre.

Grundsätzlich normiert Art 219a Nr 1 MwStSystRL, dass für die Rechnungsstellung die Vorschriften jenes Mitgliedsstaats anzuwenden sind, in dem die Lieferung von Gegenständen als ausgeführt gilt. Da die Lieferung der Rw an die M s.r.o. die „ruhende“ Lieferung im Dreiecksgeschäft darstellt, gilt die Lieferung als in der Tschechischen Republik als ausgeführt, wonach tschechisches Recht anwendbar wäre. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Rechnungstellung aber auch dem Recht des Sitzstaats des Leistenden (hier Österreich) unterliegen, nämlich, wenn dieser nicht im Bestimmungsland ansässig ist und die Umsatzsteuer vom Erwerber (in Dreieckssachverhalten ist auf den Empfänger abzustellen) geschuldet wird (Art 219a Nr 2 MwStSystRL). Nun stellt sich folgendes Problem: Sollte nach tschechischem Recht eine Angabe auf der Rechnung, wie jene im Ausgangsverfahren („Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“) ausreichen, damit die Steuerschuld auf den Empfänger (hier: M s.r.o.) übergeht, hätte das zur Folge, dass die Voraussetzungen des Art 219a Nr 2 MwStSystRL erfüllt wären und die Rechnungsstellung nach österreichischem Recht zu beurteilen wäre. Nach österreichischem Recht läge aber mit dem bloßen Hinweis auf ein Dreiecksgeschäft gerade keine wirksame Bestimmung des Empfängers als Steuerschuldner vor, sodass wiederum tschechisches Recht anzuwenden wäre. Die dritte Vorlagefrage bezieht sich auf die Lösung dieses „logischen Zirkels“ (s Rz 46 f).

Conclusio

In der Rs Firma Hans Bühler (EuGH 19. 4. 2018, C-580/16) hat der EuGH bereits ausgesprochen, dass eine fehlerhafte Zusammenfassende Meldung (ZM) nicht zur Versagung der Dreiecksgeschäftsregelung führen kann (Rn 49). In diesem Urteil bewertete der EuGH die ZM aber als formelle Voraussetzung (Art 42 lit b MwStSystRL). Die Bedingungen des Art 42 lit a MwStSytRL – zu denen die Bestimmung des Empfängers als Steuerschuldner zählt – wurden vom EuGH in der Rs Firma Hans Bühler jedoch explizit als materielle Voraussetzungen bewertet (Rn 49). Vor diesem Hintergrund könnte fraglich sein, ob eine Rechnung mit dem Zusatz „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ diese materielle Voraussetzung erfüllt und, falls dies nicht der Fall ist, ob ein „missglücktes Dreiecksgeschäft“ nachträglich saniert werden kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30984 vom 04.06.2021