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EuGH: Vorsteuerabzug bei Abweichung von beabsichtigter und tatsächlicher Verwendung der Eingangsleistung

Bearbeiter: Christian Knotzer

MwStSystRL: Art 9, Art 135 Abs 1 lit b, Art 167, 168, 173, 174

Abstract

In der Rs Sonaecom äußerte sich der EuGH zu zwei Rechtsfragen iZm dem Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften. Zum einen steht der Vorsteuerabzug auch dann zu, wenn der Steuerpflichtige Dienstleistungen in Vorbereitung auf den Erwerb einer Beteiligung bezieht, der Erwerb in der Folge jedoch nicht stattfindet. Zum anderen steht der Vorsteuerabzug für bezogene Leistungen dann nicht zu, wenn diese – entgegen der ursprünglichen Absicht – für einen unecht steuerbefreiten Ausgangsumsatz verwendet werden.

EuGH 12. 11. 2020, C-42/19, Sonaecom

Sachverhalt

Bei Sonaecom handelte es sich um eine in Portugal ansässige Holdinggesellschaft. Neben ihrer Tätigkeit des Erwerbs, des Haltens und der Verwaltung von Beteiligungen erbrachte sie einigen ihrer Tochtergesellschaften auch mehrwertsteuerpflichtige Verwaltungs- sowie strategische Koordinierungsleistungen (sog gemischte Holding). Im streitgegenständlichen Jahr 2005 bezog sie zum einen Beratungsdienstleistungen, die dem Erwerb einer Beteiligung an einer Gesellschaft (Cabovisão) dienen sollten, welcher Sonaecom – nach Erwerb – steuerpflichtige Verwaltungsdienstleistungen erbringen wollte. Dieser Erwerb wurde jedoch nicht verwirklicht. Zum anderen nahm sie im Jahr 2005 auch Dienstleistungen iZm der Organisation, Einrichtung und Absicherung der Ausgabe einer Anleihe in Anspruch. Ausweislich der Vorlageentscheidung war das durch die Ausgabe der Anleihe aufgebrachte Kapital dazu bestimmt, den bestehenden Tochtergesellschaften Kapital zur Investition in eine neue Technologie zur Verfügung zu stellen. Davon abweichend wurde das Kapital in der Folge jedoch der Muttergesellschaft von Sonaecom als Darlehen zur Verfügung gestellt. Für beide Eingangsumsätze machte Sonaecom die gesamte Vorsteuer geltend. Sowohl die portugiesische Finanzverwaltung als auch das erstinstanzliche Gericht versagten jedoch den Abzug. Das Oberste Verwaltungsgericht in Portugal setzte das Verfahren aus und wandte sich an den EuGH. Mit den vorgelegten Fragen wollte das Gericht im Wesentlichen wissen, ob in diesen beiden Fällen das Recht auf Vorsteuerabzug zusteht.

Entscheidung des EuGH

Holdinggesellschaften können nur dann als Steuerpflichtige iSd MwStSystRL gelten, wenn diese in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften eingreifen und diesen mehrwertsteuerpflichtige Leistungen erbringen. Sollte die Holding nur einem Teil ihrer Tochtergesellschaften derartige Leistungen erbringen, liegt eine gemischte Holding vor. Diese ist als Steuerpflichtiger iSd MwStSystRL anzusehen, insoweit sie mehrwertsteuerpflichtige Leistungen erbringt.

Sonaecom beabsichtigte gegenüber Cabovisão mehrwertsteuerpflichtige Leistungen zu erbringen. Hinsichtlich dieser wirtschaftlichen Tätigkeit steht Sonaecom der Vorsteuerabzug zu, und zwar bereits im Zeitpunkt der ersten Investitionsausgaben. Dieses Recht auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später nicht ausgeführt wird und daher (und auch sonst) nicht zu steuerpflichtigen Ausgangsleistungen führt. Eine andere Auslegung würde auch dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität widersprechen, da idente Investitionsvorhaben unterschiedlich besteuert werden könnten, je nachdem, ob ein Unternehmen bereits steuerpflichtige Ausgangsumsätze tätigt oder diese erst vorbereitet.

Weiters muss nach stRsp des EuGH für das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen bestehen. Fehlt ein solcher Zusammenhang, kann ein Recht auf Vorsteuerabzug nur zustehen, wenn die Kosten für die Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm getätigten Ausgangsumsätze darstellen. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen. Letzteres, so der EuGH, trifft auf die Beratungsleistungen iZm dem geplanten Erwerb von Cabovisão zu, weshalb der Vorsteuerabzug zusteht.

Bei den iZm der Ausgabe der Anleihe in Anspruch genommenen Dienstleistungen liegt hingegen ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu einer Ausgangsleistung vor, nämlich der Kreditgewährung an die Muttergesellschaft der Sonaecom. Die tatsächliche Verwendung der Eingangsleistung hat dann Vorrang vor der beabsichtigten Verwendung. Da die Gewährung von Krediten jedoch einen (unecht) steuerbefreiten Umsatz darstellt, steht der Vorsteuerabzug in diesem Fall nicht zu.

Conclusio

Grundsätzlich ist bei einem Abweichen der beabsichtigen von der tatsächlichen Verwendung einer Eingangsleistung auf die spätere tatsächliche Verwendung abzustellen, um zu beurteilen, ob ein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht. Die Absicht des Steuerpflichtigen ist aber nicht gänzlich irrelevant. Wird eine Eingangsleistung nämlich gar nicht verwendet (und liegt auch kein Eigenverbrauch vor) stellt der EuGH auf die ursprünglich beabsichtigte Verwendung ab. Steht diese (zumindest) mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen in Zusammenhang, steht der Vorsteuerabzug zu.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30295 vom 25.01.2021