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RL 2011/7/EU: Art 3, Art 7
Im „Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen“ erlaubt Art 3 Abs 5 RL 2011/7/EU [zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr; ZahlungsverzugRL] ein Abweichen von der darin vorgesehenen Zahlungshöchstfrist von 60 Kalendertagen, sofern zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Eine solche Frist muss „im Vertrag … ausdrücklich … vereinbart“ sein und darf „für den Gläubiger nicht grob nachteilig iSv Art 7“ dieser RL sein.
Das Erfordernis einer ausdrücklichen Vereinbarung bedeutet, dass unter Berücksichtigung aller Vertragsunterlagen und der darin enthaltenen Klauseln nachgewiesen werden kann, dass die Vertragsparteien ihren übereinstimmenden Willen zum Ausdruck gebracht haben, gerade durch die Klausel gebunden zu sein, die eine abweichende Zahlungshöchstfrist festlegt. Art 3 Abs 5 ZahlungsverzugRL verlangt somit die Äußerung eines übereinstimmenden Willens dieser Parteien beim Abschluss des Vertrags, die über die bloße ausdrückliche Erwähnung einer solchen Frist in einer Vertragsklausel hinausgeht, unabhängig davon, ob es sich ganz oder teilweise um einen vorformulierten Standardvertrag oder einen ähnlichen Vertrag handelt. Diesem Erfordernis kann nicht nur dann Genüge getan werden, wenn eine solche Klausel von den Parteien individuell ausgehandelt wurde, sondern auch dann – ua im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags –, wenn eine dieser Parteien die betreffende Klausel in den Vertragsunterlagen hervorgehoben hat, um sie klar von den anderen Klauseln des Vertrags zu unterscheiden und damit ihren Ausnahmecharakter zum Ausdruck zu bringen und es der anderen Partei somit zu ermöglichen, ihr in voller Kenntnis der Sachlage zuzustimmen.
Einer Vertragsklausel, die eine vom Schuldner einseitig festgelegte Zahlungsfrist von mehr als 60 Kalendertagen vorgibt, steht somit die Wendung „im Vertrag wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart“ entgegen, es sei denn, es kann unter Berücksichtigung aller Vertragsunterlagen und Klauseln in diesem Vertrag festgestellt werden, dass die Vertragsparteien ihren übereinstimmenden Willen zum Ausdruck gebracht haben, gerade durch diese Klausel gebunden zu sein.
Selbst wenn eine Klausel über eine längere Zahlungsfrist auf einer ausdrücklichen Vereinbarung beruht, die die genannten Voraussetzungen erfüllt, besteht - unabhängig von einer etwaigen beherrschenden wirtschaftlichen Stellung des Schuldners in seiner Beziehung zum Gläubiger – für den Gläubiger ein effektiver Schutz gegen die ungerechtfertigte Verwendung einer Vertragsklausel mit einer längeren Zahlungsfrist, weil die Mitgliedstaaten nach Art 7 Abs 1 ZahlungsverzugRL bestimmen müssen, dass eine grob nachteilige Vertragsklausel entweder nicht durchsetzbar ist oder einen Ersatzanspruch für den Schaden begründet, der dem Gläubiger durch ihre Anwendung entstanden ist. Bei der Entscheidung darüber, ob eine Vertragsklausel grob nachteilig für den Gläubiger ist, werden nach Art 7 Abs 1 Unterabs 2 Buchst a bis c ZahlungsverzugRL alle Umstände des Falles geprüft, einschließlich folgender Aspekte: jede grobe Abweichung von der guten Handelspraxis, die gegen den Grundsatz des guten Glaubens und der Redlichkeit verstößt; die Art der Ware oder der Dienstleistung und insb, ob der Schuldner einen objektiven Grund für die Abweichung von der Zahlungsfrist des Art 3 Abs 5 ZahlungsverzugRL hat.
EuGH 6. 2. 2025, C-677/22, Przedsiębiorstwo A. (Délai de paiement de 120 jours fixé par le débiteur)
Zu einem polnischen Vorabentscheidungsersuchen.