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Abstract
Eine nationale Regelung, die ohne Rücksicht auf fremdübliche Bedingungen ein Abzugsverbot für Zinszahlungen in Bezug auf konzerninterne Darlehen von nichtansässigen Gesellschaften vorsieht, wenn der Hauptzweck des Schuldverhältnisses die Erzielung erheblicher Steuervorteile zu sein scheint, ist mit der Niederlassungsfreiheit gem Art 49 AEUV unvereinbar.
EuGH, C-484/19, Rs Lexel vom 20. 1. 2021
Sachverhalt
Lexel ist eine schwedische Gesellschaft der Gruppe Schneider Electric. Im Dezember 2011 erwarb Lexel 15 % der Aktien der konzernzugehörigen, in Belgien ansässigen Gesellschaft SESI, die zuvor von einer anderen Konzerngesellschaft gehalten wurden. Zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs hatte Lexel ein Darlehen bei einer konzerninternen Bank aufgenommen und zahlte dafür Zinsen. Die Bank verwendete die eingenommenen Zinsen, um Verluste aus der Tätigkeit einiger konzernzugehörigen Gesellschaften mit Sitz in Frankreich auszugleichen. Die in Frankreich ansässigen Gesellschaften bildeten eine steuerliche Einheit. Obwohl sich der französische Körpersteuersatz in den Jahren 2013 und 2014 auf etwa 34 % belief, wurde in Frankreich in den beiden Jahren keine Steuer auf die Zinseinnahmen erhoben, weil die steuerliche Einheit einen Verlust verzeichnete. Lexel wollte die Zinszahlungen in den Steuererklärungen für die Jahre 2013 und 2014 zum Abzug bringen, doch die schwedische Steuerverwaltung versagte den Abzug unter Verweis auf § 10d (3) des schwedischen EStG, wonach der Zinsabzug nicht möglich ist, wenn ein Schuldverhältnis mit einem nichtansässigen, verbundenen Unternehmen hauptsächlich zu dem Zweck begründet wurde, einen erheblichen Steuervorteil zu erzielen. Im Zuge eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung der Steuerverwaltung hatte das schwedische Gericht Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des schwedischen Rechts mit der Niederlassungsfreiheit, da das Zinsabzugsverbot nicht zur Anwendung gelangt wäre, wenn es sich bei den beiden Gesellschaften um schwedische Konzerngesellschaften gehandelt hätte. Das Gericht wandte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.
Entscheidung des EuGH
In der E befasst sich der EuGH mit der Frage, ob eine nationale Regelung, die ein Abzugsverbot für Zinszahlungen an nichtansässige Konzerngesellschaften vorsieht, wenn der Hauptzweck für die Begründung des Schuldverhältnisses die Erlangung eines erheblichen Steuervorteils zu sein scheint, mit der Niederlassungsfreiheit gem Art 49 AEUV vereinbar ist. Zu Beginn stellt der EuGH fest, dass eine Ungleichbehandlung vorliegt, die sich nachteilig auf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit auswirken kann. Eine Ungleichbehandlung ist mit Art 49 AEUV vereinbar, wenn sie Sachverhalte betrifft, die nicht miteinander vergleichbar sind oder sie einer Rechtfertigungsprüfung standhält. Nach Ansicht des EuGH unterscheidet sich die Situation, in der eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat Zinsen auf ein Darlehen entrichtet, das bei einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft derselben Gruppe aufgenommen wurde, hinsichtlich der Zahlung der Zinsen nicht von einer Situation, in der eine zinsempfangende Konzerngesellschaft in demselben Mitgliedstaat ansässig ist. Schließlich prüft der EuGH auf der Rechtsfertigungsebene, ob die Regelung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann. Der EuGH verneint die Rechtfertigung aus Gründen der Vermeidung von Steuerbetrug und -umgehung, da die Bestimmung auch fremdvergleichskonforme Geschäfte erfasst und somit der Zweck der Regelung nicht in der Bekämpfung rein künstlicher Konstruktionen liegt (vgl EuGH, C-524/04, Rs Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn 82, 83). Darüber hinaus sieht der EuGH die Regelung auch nicht aus dem Erfordernis gerechtfertigt, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, weil das Ziel der Regelung vielmehr darin lag, die Aushöhlung der schwedischen Besteuerungsgrundlage zu verhindern (vgl EuGH, C-382/16, Hornbach-Baumarkt AG, Rn 43). Zum Schluss prüft der EuGH, ob die Regelung aus einer Gesamtbetrachtung beider Rechtfertigungsgründe heraus rechtfertigbar ist (vgl EuGH, C-311/08, Rs SGI, Rn 66). Der EuGH lehnt auch diese Rechtfertigungsmöglichkeit ab und entscheidet, dass ein Verstoß gegen Art 49 AEUV vorliegt.
Conclusio
Das Zinsabzugsverbot bei Zahlungen an Konzerngesellschaften in Niedrigsteuerländern gem § 12 Abs 1 Z 10 KStG sieht keine Ausnahme bei fremdüblichen Bedingungen vor. Im Lichte dieser EuGH-Rsp ist daher fraglich, ob die österreichische Regelung im Einklang mit dem Unionsrecht ist (vgl Jerabek/Neubauer, SWI 2021, 137).