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MwStSyst-RL: Art 63, Art 167 ff, Art 178 f, Art 218
MwSt-Erstattungs-RL: Art 5, Art 8, Art 10, Art 15, Art 20, Art 23
Abstract
In Rs Wilo Salmson festigt der EuGH seine Rsp zur Notwendigkeit einer Rechnung für den Vorsteuerabzug. Dabei stellt der Gerichtshof klar, dass die Geltendmachung eines Vorsteuerrückerstattungsanspruchs grds den Besitz einer Rechnung durch den Steuerpflichtigen verlangt. Er hält allerdings auch fest, dass der Rechnungsbegriff sehr weit zu verstehen ist. In Bezug auf die Geltendmachung des Anspruchs auf Vorsteuerrückerstattung macht er klar, dass eine einvernehmliche oder einseitige Annullierung und Neuausstellung einer Rechnung jedenfalls keine Auswirkung auf ein bereits entstandenes Vorsteuerabzugsrecht hat, weshalb auch der Erstattungszeitraum für die Vorsteuer dadurch nicht geändert werden kann.
EuGH 21. 10. 2021, C-80/20, Wilo Salmson France
Sachverhalt
Wilo Salmson, eine in Frankreich ansässige Gesellschaft, kaufte im Jahr 2012 bei der rumänischen Gesellschaft Zollner Produktionsgeräte. Zollner stellte für den Verkauf dieser Produktionsgeräte Rechnungen mit rumänischer Mehrwertsteuer aus. Wilo Salmson ist zwar eine zum Vorsteuerabzug berechtigte Gesellschaft, jedoch umsatzsteuerlich nicht in Rumänien registriert, weshalb die Gesellschaft in weiterer Folge einen Antrag auf Erstattung der in Rumänien angefallenen Mehrwertsteuer im Rahmen des Vorsteuerrückerstattungsverfahrens stellt. Dieser Antrag wurde von den rumänischen Steuerbehörden allerdings „aus Gründen, die sich auf die dem Antrag beigefügten Unterlagen und die Nichtübereinstimmung der beigefügten Rechnungen mit den gesetzlichen Vorgaben beziehen“ abgelehnt. Der leistende Unternehmer stornierte im Jahr 2015 die ursprünglich in 2012 ausgestellten Rechnungen, stellte daraufhin neue Rechnungen aus. Wilo Salmson beantragte anschließend erneut die Erstattung der Vorsteuer. Der neue Antrag im Jahr 2015 wurde ebenfalls abgelehnt, weil die Vorsteuer nach Ansicht der rumänischen Steuerbehörden den falschen Besteuerungszeitraum betraf. Das Landesgericht Bukarest stellte dem EuGH daraufhin ua die Frage, ob dem neuen Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer stattzugeben gewesen wäre.
Entscheidung des EuGH
In seiner Urteilsbegründung geht der EuGH näher auf die Bedeutung der Rechnung für den Vorsteuerabzug und die Auswirkungen fehlerhafter Rechnungen ein. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht gem Art 167 iVm Art 63 MwStSyst-RL grds im Zeitpunkt der Leistungsausführung. Der Antrag auf Vorsteuerrückerstattung ist nach Art 178 MwstSyst-RL allerdings erst dann möglich, wenn der steuerpflichtige Leistungsempfänger im Besitz einer Rechnung ist. Diese beiden Voraussetzungen (Leistungsausführung und Vorliegen einer Rechnung) markieren damit auch den Zeitraum, in dem sowohl der Vorsteuerabzug als auch der Erstattungsanspruch geltend zu machen sind und ab dem gegebenenfalls Fristen zu laufen beginnen. Der EuGH betont in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Vorsteuerabzug und ggf ein Erstattungsanspruch auch dann gewährt werden müssen, wenn die Rechnung bestimmte formelle Anforderungen nicht erfüllt. Eine Rechnung iSd Art 178 MwStSyst-RL muss daher nicht allen in Art 226 MwStSyst-RL aufgezählten Formalien entsprechen, sondern liegt bereits dann vor, wenn die Angaben vorliegen, die erforderlich sind, um festzustellen, dass der Steuerpflichtige die MwSt schuldet. Eine einvernehmliche oder einseitige Annullierung und Neuausstellung einer Rechnung hat somit keine Auswirkung auf ein bereits entstandenes Vorsteuerabzugsrecht und der Erstattungszeitraum kann dadurch auch nicht abgeändert werden.
Conclusio
In der Rs Wilo Salmson geht der EuGH auf wesentliche Grundsätze des Vorsteuerabzugs ein und macht dabei deutlich, dass der Begriff „Rechnung“ sehr weit zu verstehen ist. Zudem stellt der EuGH fest, dass durch Annullierung und Neuausstellung einer Rechnung der Erstattungszeitraum nicht beeinflusst werden kann. Der Zeitpunkt des erstmaligen Besitzes einer (zum Vorsteuerabzug berechtigenden) Rechnung ist daher insb für den maßgebenden Erstattungszeitraum relevant. Könnte der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs durch die Stornierung und Neuausstellung einer Rechnung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, würde die Fallfrist im Vorsteuerrückerstattungsverfahren nämlich ausgehebelt werden. Nur bei späterer Rechnungsausstellung kann der Erstattungsantrag damit auch später gestellt werden. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Auffassung der FinVw, die davon ausgeht, dass abziehbare Vorsteuern, die in vorangegangene Erstattungszeiträume fallen, nur dann geltend gemacht werden können, wenn diese noch nicht geltend gemacht worden sind und die Frist zur Abgabe des Erstattungsantrags für diese Erstattungszeiträume noch nicht abgelaufen ist (siehe UStR 2000, Rz 2837).