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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
MwStSyst-RL: Art 73
Abstract
Eine Gesellschaft beabsichtigte, Personenbeförderungsdienstleistungen anzubieten. Der Erlös aus den Fahrkartenverkäufen wäre jedoch nicht kostendeckend gewesen. Die Organisatorin, eine Gebietskörperschaft, die die Preise für die Fahrkarten festlegen konnte, musste daher der Betreiberin eine Ausgleichszahlung zur Abdeckung der Verluste leisten. Der EuGH setzte sich folglich mit der Definition der Bemessungsgrundlage nach Art 73 MwStSyst-RL auseinander und der Frage, ob derartige Ausgleichsleistungen darunter zu subsumieren sind.
EuGH 8. 5. 2025, C-615/23, Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej
Sachverhalt
Die Gesellschaft P und eine Gebietskörperschaft beabsichtigten, einen Vertrag im Bereich des Personenverkehrs abzuschließen. P sollte dabei als Betreiberin und die Gebietskörperschaft als Organisatorin einer Beförderungsdienstleistung auftreten. Die folgenden Modalitäten waren im Vertrag vorgesehen: Die Organisatorin legt die Preise der Fahrscheine fest. P erhält die nicht kostendeckenden Einnahmen aus den Fahrscheinverkäufen und darüber hinaus eine Ausgleichsleistung der Organisatorin. Die Höhe der Ausgleichsleistung ist dabei ein auf jährlicher Basis festgesetzter Pauschalbetrag. Die Betreiberin P beantragte bei der polnischen Steuerverwaltung einen Steuervorbescheid zur Frage, ob die Ausgleichsleistung neben den Umsätzen aus den Fahrscheinverkäufen Teil der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrundlage sei. Die Steuerverwaltung bejahte dies, woraufhin P Klage beim polnischen Verwaltungsgericht einbrachte. Gegen die stattgebende Entscheidung erhob die Steuerverwaltung Beschwerde beim Obersten Verwaltungsgericht Polen. Dieses legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine wie im Ausgangsverfahren beabsichtigte Ausgleichzahlung eines Dritten Teil der Bemessungsgrundlage gem Art 73 MwStSyst-RL ist.
Entscheidung
Gem Art 73 MwStSyst-RL umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistungserbringer für seine Umsätze vom Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen. Zunächst prüfte der EuGH, ob die Ausgleichzahlung als eine vom Dritten erhaltene, mit dem Preis unmittelbar zusammenhängende Subvention Teil der Bemessungsgrundlage ist. Dabei hielt der Gerichtshof fest, dass die Empfänger der von P erbrachten Dienstleistung die Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel sind. Aus diesem Grund war die Organisatorin nur „Dritte[n]“ iSv Art 73 der MwStSyst-RL. Der EuGH definierte in weiterer Folge die unmittelbar mit dem Preis zusammenhängende Subvention. Diese liegt nur vor, wenn eine Subvention für einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Dienstleistung gewährt wird und sie eine zumindest bestimmbare Gegenleistung dafür darstellt. Weiters muss die Subvention objektiv gesehen den Preis für die Abnehmer der Gegenstände oder Dienstleistungen mindern. Im vorliegenden Fall war jedoch ein Pauschalbetrag vorgesehen, dessen Zweck die Abdeckung entstehender Verluste bei der Betreiberin, nicht jedoch die Vergünstigung der Dienstleistung für die Abnehmer war. Die Subvention wirkte sich daher nicht unmittelbar auf den Preis aus. Die Ausgleichsleistung wurde vielmehr nachträglich gewährt. Außerdem erfolgte die Berechnung anhand der zurückgelegten Kilometer und daher nutzungsunabhängig. Obwohl sich jede Subvention grundsätzlich auf die Preiskalkulation eines Anbieters auswirkt, führt dieser Umstand allein nicht dazu, dass die Subvention unter Art 73 MwStSyst-RL fällt. Bei der vorliegenden Ausgleichszahlung handelte es sich im Ergebnis um keine mit dem Preis unmittelbar zusammenhängende Subvention.
In weiterer Folge stellte sich die Frage, ob die Ausgleichzahlung eine von Dritten erhaltene Gegenleistung darstellte und daher aus diesem Grund von Art 73 MwStSyst-RL erfasst ist. Damit eine Gegenleistung, die keine Subvention ist, von der Vorschrift erfasst ist, reicht es, wenn sie mit der Dienstleistung (und nicht mit dem Preis) in unmittelbaren Zusammenhang steht. Dazu verwies der Gerichtshof auf die Rs Le Rayon d’Or (EuGH 27. 3. 2014, C-151/13), bei der eine Krankenversicherung Pauschalbeträge für Pflegebedürftige an eine Beherbergungseinrichtung auszahlte. In diesem Fall war der Empfänger der Pflegedienstleistung, also der einzelne Bewohner, individualisierbar, was zur Anwendbarkeit der MwStSyst-RL führte. Im vorliegenden Fall waren die Nutzer jedoch alle potenziellen Fahrgäste und die Ausgleichszahlung wurde unabhängig von Zahl oder Identität der Fahrgäste geleistet. Es fehlte daher an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Beförderungsleistung und der Ausgleichszahlung. Der EuGH gelangte zum Ergebnis, dass eine derartige Ausgleichszahlung weder als Subvention noch als sonstige Gegenleistung Teil der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrundlage nach Art 73 MwStSyst-RL ist.
Conclusio
Aus der bisherigen EuGH-Rechtsprechung (insb EuGH 22. 11. 2001, C-184/00, Office des produits wallons) geht für die Erhöhung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage bereits hervor, dass sowohl ein Zusammenhang zwischen Preis der Lieferung oder Dienstleistung und der Subvention als auch ein Zusammenhang zwischen Subvention und Leistung vorliegen muss (näher Berger in Berger/Toifl/Wakounig [Hrsg], Kommentar zur MwSt [2024] Art 73 MwStSystRL). Diese Kriterien wurden auch im vorliegenden Fall angewandt und bestätigt.
Für öffentliche Verkehrsdienstleistungen ist dem vorliegenden Urteil zu entnehmen, dass eine Subvention mit pauschalen und von der Inanspruchnahme der Dienstleistung unabhängigen Ausgleichszahlungen nicht die Steuerbemessungsgrundlage erhöht. Eine Subvention, deren Höhe von den verkauften Fahrscheinen abhängig ist, könnte jedoch zu einem anderen Auslegungsergebnis führen.