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EuGH zur Einordnung von Werbegeschenken als unselbständige Nebenleistungen zu Zeitschriften-Abonnements

Bearbeiter: Rainer Borns

MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1 lit a, Art 16

Abstract

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob Prämien für den Abschluss von Zeitschriften-Abonnements als unentgeltliche Zuwendungen iSd Art 16 Abs 1 lit a MwStSyst-RL einzuordnen sind, oder ob diese Werbegeschenke unselbständige Nebenleistungen der Zeitschriften- Abonnements sind. Eine unselbständige Nebenleistung liegt laut EuGH vor, wenn sie für den Durchschnittsverbraucher keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel ist, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

EuGH 5. 10. 2023, C-505/22, Deco Proteste

Sachverhalt

Deco Proteste ist ein in Portugal ansässiges Unternehmen, das Zeitschriften herausgibt und vertreibt. Diese Erzeugnisse werden nur im Rahmen eines Abonnements verkauft, wobei im Rahmen von Werbekampagnen Abo-Prämien für den Abschluss neuer Abonnements angeboten werden. Diese Prämien bestehen entweder aus einem Tablet oder einem Smartphone mit einem Stückwert von unter 50 Euro. Die Prämie wird den Kunden zugeschickt, nachdem die erste Monatsrate für das Abonnement bezahlt wurde. Es gibt keine Mindestvertragsdauer. Folglich behalten die Abonnenten die Prämie auch, wenn das Abonnement nach dem ersten Monat gekündigt wird.

Die Steuerbehörde war der Ansicht, dass es sich bei den Abo-Prämien um unentgeltliche Zuwendungen iSd Art 16 Abs 1 MwStSyst-RL handle, weshalb die Prämien mit dem Einkaufspreis angesetzt wurden und die Ausgabe dem Normalsteuersatz unterworfen wurde. Deco Proteste machte daraufhin geltend, dass die Gewährung dieser Prämien keine unentgeltliche Zuwendung sei, da keine Absicht bestehe, unentgeltlich zu handeln. Vielmehr hänge die Prämie mit dem Wert des Zeitschriften-Abonnements zusammen, weshalb die Werbegeschenke als Nebenleistung zum Abo-Abschluss zu sehen seien. Daraufhin setzte das Gericht das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob ein Geschenk, das Abonnenten bei Abschluss eines Abonnements erhalten, eine unentgeltliche Zuwendung oder ein Nebengeschäft des Zeitschriften-Abonnements sei.

Entscheidung des EuGH

Zunächst weist der EuGH darauf hin, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten ist. Sollte ein Umsatz mehrere Elemente umfassen, muss überprüft werden, ob es sich um mehrere eigene und selbständige getrennt zu beurteilende Leistungen oder um eine einheitliche Leistung handelt. Ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung ist, darf nicht künstlich aufgespalten werden. Laut EuGH ist von einer solchen einheitlichen Leistung auszugehen, wenn die Einzelleistungen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die Beurteilung, ob es sich um eine einheitliche Leistung oder mehrere eigenständige Leistungen handelt, muss aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers getroffenf werden. Eine einheitliche Leistung ist etwa anzunehmen, wenn ein Teil als Haupt- und einer als Nebenleistung ausgemacht werden kann. Von einer unselbständigen Nebenleistung ist etwa dann auszugehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel ist, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Im vorliegenden Fall bringt der EuGH vor, dass die Gewährung von Abo-Prämien ein integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie der Deco Proteste ist. Abonnements werden erheblich häufiger abgeschlossen, wenn sie mit Abo-Prämien verbunden sind. Daher kann ein Zusammenhang zwischen den Prämien und den Abonnements für die Zeitschriften hergestellt werden. Der EuGH überlässt es allerdings dem vorlegenden Gericht, zu entscheiden, ob dieser Zusammenhang eng genug ist, um diese Leistungen als untrennbar miteinander verbunden anzusehen. Diesbezüglich nennt der EuGH bestimmte Sachverhaltselemente, die für die Entscheidung des vorlegenden Gerichts von Bedeutung sind: Einerseits führt die Verlängerung eines Abonnements nicht zur Gewährung einer neuen Prämie. Zudem führt Deco Proteste auch Werbekampagnen, ohne Prämien anzubieten. Diese Merkmale zeigen, dass die Leistungen nicht unbedingt untrennbar miteinander verbunden sind. Andererseits sprechen laut EuGH auch Gründe für das Vorliegen einer Haupt- und Nebenleistung. So ermöglicht die Prämie den neuen Abonnenten, die Hauptleistung des Dienstleisters, die Lektüre der Zeitschriften, unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, da mithilfe des Tablets oder Smartphones der Zugriff auf eine digitale Fassung dieser Zeitschrift möglich ist. Letztlich überlässt es der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht zu prüfen, ob von einer Haupt- und einer Nebenleistung auszugehen ist.

Conclusio

Der EuGH kommt zu keinem abschließenden Ergebnis, sondern überlässt es dem vorlegenden Gericht, zu entscheiden, ob die Werbegeschenke als unselbständige Nebenleistungen zum Abschluss der Abonnements einzustufen sind. Dabei lässt sich allerdings klar die Tendenz des Gerichtshofes erkennen, dass die Prämie als unselbständige Nebenleistung zu qualifizieren ist. Auf Basis dieser Einordnung wäre die Prämie nicht als unentgeltliche Zuwendung iSd Art 16 Abs 1 MwStSyst-RL anzusehen, weshalb die Werbegeschenke das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Abonnements teilen. Dies hat insb Auswirkungen auf den Steuersatz. Würden derartige Geschenke als Hauptleistung und infolgedessen als unentgeltliche Zuwendung iSd Art 16 Abs 1 MwStSyst-RL eingestuft werden, wäre der Normalsteuersatz (hier: 23 %) anwendbar. Bei Nebenleistungen ist der Steuersatz der Hauptleistung (hier: 6 %) einschlägig.

Sowohl die deutsche (Abschn 3.3 Abs 20 UStAE) als auch die österreichische (UStR 2000 Rz 374) Finanzverwaltung haben bisher angenommen, dass Sachprämien von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen an Neuabonnenten für den Abschluss eines längerfristigen Abonnements als Nebenleistung zum Abonnement zu qualifizieren sind. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Entscheidung wird diese Ansicht der Finanzverwaltung wohl zu ändern sein. Der EuGH hat die kurze Laufzeit des Abonnements für eine Einordnung als unselbständige Nebenleistung nämlich als nicht schädlich erachtet. Folglich ist die Laufzeit des Abonnements nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist in Zukunft zu berücksichtigen, ob das Werbegeschenk zur optimalen Nutzung der Hauptleistung dient.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34986 vom 24.01.2024