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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
KStG 1988: § 1 Abs 3 Z 1, § 3, § 21 Abs 1 Z 1a
Abstract
Eine in den USA ansässige Investmentgesellschaft erhält von zwei österreichischen börsennotierten Aktiengesellschaften Dividenden. Unter Berufung auf § 21 Abs 1 Z 1a KStG begehrte die Investmentgesellschaft die Rückerstattung von einbehaltener, aber nicht anrechenbarer Quellensteuer. Fraglich ist, ob ein gebietsfremdes Gebilde, das einerseits die gleichen Merkmale wie ein OGAW (Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren) aufweist und daher kraft § 188 InvFG idF vor AIFMG als transparent zu behandeln war, andererseits jedoch Rechtspersönlichkeit besitzt und mit einer juristischen Person vergleichbar ist, von der Erstattung der Kapitalertragsteuer (KESt) ausgeschlossen werden kann oder ob dies eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist. Diese Frage legte der VwGH dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, der zum Ergebnis kommt, dass die transparente Behandlung der Investmentgesellschaft keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, wenn die Einkünfte der Investmentgesellschaft direkt den Anteilsinhabern zugerechnet werden und auch die Besteuerung auf deren Ebene erfolgt.
EuGH 30. 4. 2025, C-602/23, Finanzamt für Großbetriebe
Sachverhalt
Die Revisionswerberin (Rw) ist eine Investmentgesellschaft mit Sitz in den USA. Nach US-amerikanischem Recht ist sie ein eigenständiges Teilvermögen (sog „Series“) eines in Delaware ansässigen Trusts. Die Series ist in den USA als juristische Person anzusehen und damit auch eine steuerpflichtige Körperschaft. Die Zurechnung der Einkünfte erfolgt somit an sich zur Series. Werden die Einkünfte jedoch an die Anteilsinhaber in den Vereinigten Staaten ausgeschüttet, so werden sie diesen auch direkt zugerechnet und es kommt zu einer Durchgriffsbesteuerung. Für den Series besteht eine Steuerbegünstigung: Werden mind 90 % der steuerpflichtigen Einkünfte ohne realisierte Wertsteigerung ausgeschüttet, so kann die Ausschüttung steuerlich geltend gemacht werden. Damit kann die amerikanische Bundeseinkommensteuer bei Vollausschüttung auf bis zu null reduziert werden. Das BFG stellte fest, dass es sich bei der Series um einen frei handelbaren Publikumsfonds handelt. Dieser ist einem österreichischen Investmentfonds und damit einem OGAW (Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren) vergleichbar.
Die Rw bezog 2013 Dividendenausschüttungen mehrerer österreichischen Aktiengesellschaften, wobei nach Anwendung des DBA Ö-USA eine Steuer von 15 % einbehalten wurde. In weiterer Folge begehrte die Rw mVa auf die Kapitalverkehrsfreiheit eine Rückerstattung der in Ö einbehaltenen KESt auf Basis von § 21 Abs 1 Z 1a KStG. Das Finanzamt (FA) versagte die Rückerstattung unter Verweis auf den Wortlaut der Bestimmung. Das BFG erkannte hingegen eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit und gewährte die Rückerstattung der einbehaltenen KESt. Dagegen erhob das FA Revision. Der VwGH legte die Frage nach der Unionsrechtswidrigkeit von § 21 Abs 1 Z 1a KStG im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens dem EuGH vor.
Entscheidung des EuGH
Konkret legte der VwGH dem EuGH drei Fragen vor, von denen der EuGH die folgenden beiden beantwortet hat:
1. Stellt eine Bestimmung wie § 188 InvFG 2011, die bewirkt, dass ausländische Gebilde, die einer inländischen Körperschaft vergleichbar sind, in Ö von der Rückerstattung der KESt ausgenommen werden, wenn sie materiell OGAW iSd RL 2009/65 entsprechen und daher im Inland nicht als Körperschaften tätig sein dürfen, weil für derartige Gebilde in Ö nur die Rechtsform als transparentes Sondervermögen vorgesehen ist, eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 AEUV dar?
2. Wenn die erste Frage bejaht wird: Liegt eine objektiv vergleichbare Situation zwischen einer inländischen Körperschaft, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegt, aber mangels beim Publikum beschaffter Gelder kein OGAW ist und deshalb auch im Inland als Körperschaft tätig sein darf, einerseits und einer ausländischen Investmentfondsgesellschaft, die wegen beim Publikum beschaffter Gelder nach inländischen Grundsätzen ein OGAW wäre und deshalb im Inland nicht als Körperschaft tätig sein dürfte, andererseits vor?
Der EuGH prüft beide Fragen gemeinsam. Nach der stRsp des EuGH verbietet Art 63 Abs 1 AEUV die Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den MS sowie zwischen MS und Drittstaaten. Eine Beschränkung besteht in der unmittelbaren oder mittelbaren Ungleichbehandlung, die nicht objektiven Unterschieden entspricht und die geeignet ist, natürliche oder juristische Personen vom grenzüberschreitenden Kapitalverkehr abzuhalten. §§ 186, 188 InvFG sehen vor, dass sowohl gebietsansässige als auch gebietsfremde Investmentfonds, deren Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt sind, transparent behandelt werden. Werden gebietsansässige und gebietsfremde Investmentfonds gleich behandelt, so kann es nur zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit kommen, wenn der gebietsfremde Investmentfonds nicht mit gebietsansässigen Fonds vergleichbar wäre, sondern mit gebietsansässigen juristischen Personen.
§ 188 InvFG bezweckt, dass ausländische Investmentfonds unabhängig von ihrer Rechtsform dann mit inländischen Investmentfonds gleichgestellt werden, wenn ihr Vermögen nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt wird. Ob jedoch tatsächlich eine Vergleichbarkeit zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Investmentfonds besteht, beantwortet der EuGH selbst nicht abschließend, sondern trägt diese Prüfung dem nationalen Gericht auf. Allgemein hält der Gerichtshof jedoch fest, dass ein gebietsfremder Investmentfonds mit Rechtspersönlichkeit nicht zwangsläufig in einer anderen Situation als ein gebietsansässiger Investmentfonds ohne Rechtspersönlichkeit ist, wenn die vom Gebilde erhaltenen Dividenden seinen Anteilsinhabern zugerechnet werden und auch auf Ebene der Anteilsinhaber besteuert werden. Daher ist vom nationalen Gericht va zu berücksichtigen, dass die Rw im Jahr 2013 ihre gesamten Einkünfte ausschüttete und daher keine US-amerikanische Bundeseinkommensteuer entrichtete und dass für die Anwendung des ermäßigten KESt-Satzes von 15 % anerkannt wurde, dass die Anteilsinhaber der Series Nutzungsberechtigte der Einkünfte iSd Art 10 des DBA waren. Darüber hinaus verweist der EuGH auch auf seine bisherige Rsp, in der er ausführt, dass ein Organismus für gemeinsame Anlage in Satzungsform nicht zwangsläufig in einer anderen Situation als ein Organismus für gemeinsame Anlage in Vertragsform ist. Dies va dann, wenn der Organismus für gemeinsame Anlage in Satzungsform in seinem Niederlassungsstaat von der ESt befreit ist oder als steuerlich transparent angesehen wird (mVaEuGH 7. 4. 2022, C-342/20, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö, Rn 73 und 74).
Allgemein beantwortete der EuGH die ersten beiden Fragen somit wie folgt: Es liegt kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor, wenn Vergleichbarkeit zwischen dem gebietsansässigen und dem gebietsfremden Investmentfonds besteht und insofern die Einkünfte direkt den Anteilsinhabern zugerechnet und auch auf deren Ebene besteuert werden.
Conclusio
Der nun vom EuGH entschiedene Fall hat das BFG und den VwGH in den vergangenen Jahren bereits mehrfach beschäftigt (VwGH 13. 1. 2021, Ro 2018/13/0003; BFG 3. 10. 2017, RV/7103986/2015; 22. 4. 2022, RV/7100203/2021; für einen umfassenden Überblick aus der Lit siehe Blum in Kofler et al [Hrsg], CJEU – Recent Developments in Direct Taxation 2023 [2024] 99; siehe zu den Fällen auch V. Bendlinger, LexisNexis Rechtsnews 31085 v 23. 6. 2021 in lexis360.at; V. Bendlinger, LexisNexis Rechtsnews 32738 v 1. 7. 2022 in lexis360.at; Schragl, LexisNexis Rechtsnews 34900 v 2. 1. 2024 in lexis360.at). Mit der vorliegenden Entscheidung und der zu erwartenden darauffolgenden Entscheidung des VwGH dürfte die Unionsrechtskonformität der alten Rechtslage von § 188 InvFG zumindest insoweit abgesegnet sein, als die Altfassung des § 188 InvFG jedenfalls konform ist, sofern das ausländische Vehikel einem inländischen OGAW vergleichbar ist. Es ist allerdings auch für die Altfassung des § 188 InvFG nicht geklärt, inwieweit ein Durchgriff durch eine Auslandsgesellschaft zulässig ist, die im Inland die Kriterien eines OGAW (etwa keine Veranlagung von Publikumsgeldern) gerade nicht erfüllen würde. Für die geltende Fassung von § 188 InvFG scheint die Unionsrechtskonformität im Lichte der Entscheidung des EuGH zumindest für die Z 1 und Z 2 bestätigt. Hinsichtlich § 188 Abs 1 Z 3 InvFG bestehen die Bedenken der Unionsrechtskonformität allerdings weiterhin fort (dazu sei an dieser Stelle auf die umfassenden Ausführungen von Blum/Pinetz [Blum/Pinetz, Besteuerung ausländischer Investmentfonds im AIFMG: Herstellung der Unionsrechtskonformität? RdW 2014, 490] verwiesen).
Das Grundproblem im vorliegenden Fall liegt va darin, dass die österreichischen Regeln sowohl gebietsansässige als auch gebietsfremde Investmentgesellschaften transparent behandeln, unabhängig davon, ob sie eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen (siehe dazu im Detail Blum in Kofler et al [Hrsg], CJEU – Recent Developments in Direct Taxation 2023 [2024] 99 [103 ff]). Der EuGH stellt daher fest, dass zu prüfen ist, ob ein in den USA ansässiger Trust, der Rechtspersönlichkeit besitzt, mit einem OGAW oder einer inländischen juristischen Person vergleichbar ist. Diese Prüfung nimmt er jedoch nicht selbst vor, sondern trägt sie dem nationalen Gericht auf. Er gibt – basierend auf seiner bisherigen Rsp – jedoch zu bedenken (EuGH 7. 4. 2022, C-342/20, A SCPI, Rn 73 und 74), dass va zu berücksichtigen ist, ob auf Ebene des ausländischen Investmentvehikels eine Besteuerung erfolgt. Denn wenn diese unterbleibt, erfüllt das Vehikel dieselbe Funktion wie ein transparentes Vehikel. In einem solchen Fall würde die Besteuerung der Einkünfte direkt bei den Anteilsinhabern erfolgen.