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EuGH zur Steuerbefreiung von „Schul- und Hochschulunterricht“ nach Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL

Bearbeiter: Markus Mittendorfer

MwStSystRL: Art 132 Abs 1 lit i

UStG 1994: § 6 Abs 1 Z 11

Abstract

In der Rs Dubrovin & Tröger versagt der EuGH die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen iZm erteiltem Schwimmunterricht und bekräftigt damit sein enges Verständnis von „Schul- und Hochschulunterricht“ iSd Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL.

EuGH 21. 10. 2021, C-373/19, Dubrovin & Tröger

Sachverhalt

Dubrovin & Tröger, eine deutsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt eine Schwimmschule und führt im Rahmen ihrer Tätigkeit Schwimmkurse für Kinder durch, die darauf abzielen die Grundlagen und Techniken des Schwimmens zu vermitteln. Dabei war sie der Auffassung, ihre Leistungen seien nach § 4 Nr 21 dUStG (als Umsetzung von Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL) von der Mehrwertsteuer befreit. Nach einer Steuerprüfung für die Jahre 2007−2011 ging das Finanzamt allerdings davon aus, dass die von Dubrovin & Tröger angebotenen Leistungen nicht der Umsatzsteuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht unterliegen und setzte daraufhin Umsatzsteuerjahresbescheide für diese Jahre fest. Zwar hatte der BFH in seiner bisherigen Rsp die Umsatzsteuerbefreiung für Schwimmunterricht bereits bejaht. Vor dem Hintergrund der neuen Unterrichtsdefinition des EuGH hegte er aber dennoch Zweifel, ob diese Rsp weiterhin aufrechterhalten werden könne. Der BFH stellte dem EuGH daher in einem Vorabentscheidungsersuchen ua die Fragen, ob Schwimmunterricht als „Schul- und Hochschulunterricht“ zu qualifizieren sei und ob sich die Anerkennung einer Einrichtung iSd Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL aus dem Gemeininteresse an der Erlernung des Schwimmens ergibt.

Entscheidung des EuGH

Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL befreit Umsätze aus Bildungsleistungen und ua „Schul- und Hochschulunterricht“ von der Umsatzsteuer. Die in Art 132 MwStSystRL genannten Mehrwertsteuerbefreiungen sind autonome unionsrechtliche Begriffe und damit allein durch den EuGH auszulegen, womit eine unterschiedliche Auslegung durch die Mitgliedstaaten verhindert werden soll. Unter Verweis auf seine bisherige Rsp in den Rs Horizon College, C-434/05 und A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17 kommt der EuGH zum Schluss, dass der Unionsgesetzgeber beim Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ jedenfalls einen bestimmten Typus von Unterrichtssystem vor Augen hatte, der allen Mitgliedstaaten gemein ist. „Schul- und Hochschulunterricht“ stellt dem EuGH zufolge jedenfalls auf ein „integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen Stufen dieses Systems“ ab. In seinem Vorlagebeschluss argumentierte der BFH für die Anwendung der Steuerbefreiung und verwies dabei insb auf das ausgeprägte Gemeininteresse am Schwimmunterricht. Der EuGH verneinte in der Rs Dubrovin & Tröger jedoch die Steuerbefreiung von Schwimmunterricht. Denn Schwimmunterricht bleibt − gleichwohl dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel − ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht, der nicht für sich allein der Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen als Charakteristikum des „Schul- und Hochschulunterrichts“ gleichkommt.

Conclusio

Mit seiner Entscheidung in der Rs Dubrovin & Tröger bestätigt der EuGH seine jüngere Rsp zur engen Auslegung der Umsatzsteuerbefreiung von „Schul- und Hochschulleistungen“ (vgl dazu etwa EuGH 14. 3. 2019, C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie). Damit schränkt er den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nach Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL erheblich ein. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang allerdings, was unter einem „spezialisierten, punktuell“ erteiltem Unterricht, der „für sich allein“ nicht den Anforderungen des Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL genügt, zu verstehen ist. In Österreich ist die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen in § 6 Abs 1 Z 11 UStG geregelt. Nach Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung sind etwa Fahr-, Tanz- und Schischulen nicht von der Umsatzsteuerbefreiung erfasst (vgl UStR 2000 Rz 878). Sprachschulen hingegen sollen der Umsatzbesteuerung unterliegen (UStR 2000 Rz 877). Vor dem Hintergrund der engen Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulleistungen“ durch den EuGH bleibt abzuwarten, inwiefern diese Auffassung in Zukunft aufrechterhalten werden kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31855 vom 21.12.2021