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EuGH zur steuerlichen Ungleichbehandlung von gebietsfremden und gebietsansässigen Immobilienfonds

Bearbeiter: Eric Coenen

deutsches InvStG 2004: §§ 11 Abs 1 Satz 2

deutsches KStG: § 1 Abs 1 Nr 5

AEUV: Art 63

Abstract

Das deutsche Investmentsteuergesetz 2004 (im Folgenden dInvStG 2004) sieht in § 11 Abs 1 Satz 2 eine Befreiung von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für im Inland ansässige Spezialimmobilienfonds vor. Diese Befreiung greift allerdings nicht für im Ausland ansässige Spezialimmobilienfonds, die der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen. Der EuGH hatte sich im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen mit der Frage auseinanderzusetzen, ob diese Ungleichbehandlung mit der Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 AEUV vereinbar ist. Nach Ansicht des EuGH ist die nationale Regelung mit der Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar und somit als unionsrechtswidrig anzusehen.

EuGH 27. 4. 2023, C-537/20, L Fund

Sachverhalt

L Fund ist ein Immobilienfonds in der Ausgestaltung eines spezialisierten Anlagefonds nach luxemburgischen Recht (fonds commun de placement in der Ausgestaltung eines fonds d’investissement spécialisé) in der Rechtsform einer société à responsabilité limitée (SARL) und hat weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland. Er ist als geschlossener Fonds mit nur zwei Anlegern ausgestaltet, die ebenfalls weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland haben. L Fund erzielt Einkünfte unter anderem aus der Vermietung und dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien. Nach luxemburgischem Recht findet dafür allerdings auf der Ebene des spezialisierten Fonds – beinahe – keine Besteuerung statt. Auch auf Ausschüttungen an die Anleger erfolgt keine Besteuerung der nichtansässigen Anleger. Nach Einreichung einer Körperschaftsteuererklärung in Deutschland aufgrund beschränkter Körperschaftsteuerpflicht wies der Kläger darauf hin, dass er keiner Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland unterliege, weil er gar kein Körperschaftsteuersubjekt sei. Für den Fall, dass er jedoch als Körperschaftsteuersubjekt anzusehen sei, wurde ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit behauptet, weil die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer gem § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004 nur für inländische Fonds gelte. Das Finanzamt hingegen sah den Fonds als ein Körperschaftsteuersubjekt an und vertrat die Auffassung, dass dieser für seine in Deutschland erzielten Einkünfte körperschaftsteuerpflichtig sei, und erließ entsprechende Steuerbescheide. Der BFH hegte Zweifel, ob die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer gem § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004 nur für inländische Fonds, nicht aber auch für ausländische Fonds, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Daher leitete der BFH ein Vorabentscheidungsverfahren ein, in dem es um die Frage der Vereinbarkeit dieser nationalen Bestimmung mit der Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 AEUV ging.

Entscheidung des EuGH

1. Vorliegen einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ergibt sich aus § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004, der insofern eine unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Spezialimmobilienfonds vorsieht, als letzteren keine Steuerbefreiung auf ihre im Inland erzielten Einkünfte gewährt wird. Nach Ansicht des EuGH ist diese Bestimmung einerseits geeignet, ausländische Spezialimmobilienfonds davon abzuhalten, in deutsche Immobilien zu investieren. Andererseits werden dadurch auch in Deutschland ansässige Anleger davon abgehalten, in solche ausländischen Spezialimmobilienfonds zu investieren (zur vergleichbaren Begründung siehe bereits EuGH 10. 5. 2012, verb Rs C-338/11 und C-347/11, Santander Asset Management SGIIC, Rn 17; 21. 6. 2018, C-480/16, Fidelity Funds, Rn 44). Damit liege eine grds verbotene Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 AEUV vor.

2. Vergleichbarkeit der Sachverhalte

Eine Diskriminierung liegt etwa dann vor, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (grundlegend dazu EuGH 14. 2. 1995, C-279/93, Schumacker, Rn 30). Gebietsansässige und Gebietsfremde sind allerdings nach der Rsp des EuGH grds nicht als vergleichbar anzusehen (EuGH 18. 3. 2010, C-440/08, F. Gielen, Rn 47), wobei vielfach von diesem Grundsatz abgewichen wird (dazu Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union [2018] § 3 Rn 126). Im vorliegenden Fall hat der EuGH die Vergleichbarkeit von inländischen und ausländischen Spezialimmobilienfonds bejaht, weshalb es zwingend einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bedarf. Dies deshalb, weil ein gebietsfremder Fonds auch in Deutschland ansässige Anleger haben kann, die in Deutschland besteuert würden. Ein weiterer Grund für die Vergleichbarkeit ist einerseits das Prinzip der steuerlichen Neutralität von Investmentfonds, wonach Direktinvestitionen steuerlich gleichzubehandeln sind wie Investitionen über einen zwischengeschalteten Fonds (Rn 59 des Urteils). Andererseits könne die Befreiung des § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004 auch im Fall eines nach ausländischem Recht errichteten Investmentfonds an die Voraussetzung geknüpft werden, dass die Anleger des Fonds tatsächlich besteuert werden (Rn 60 des Urteils). Das Ziel der nachgelagerten Besteuerung auf der Ebene des Fonds iSd Transparenzprinzips kann daher sowohl im Inlands- als auch im Auslandsfall erfüllt werden, sodass der EuGH die Vergleichbarkeit bejahte.

3. Vorliegen eines zwingenden Grundes im Allgemeininteresse

Die hier vorliegende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004 kann allerdings dann zulässig sein, wenn sie durch zwingende Gründe im Allgemeininteresse gerechtfertigt ist, zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zur Zielerreichung erforderlich ist (siehe etwa EuGH 17. 3. 2022, C-545/19, AllianzGI-Fonds AEVN, Rn 75). Als einschlägige Rechtfertigungsgründe brachte die deutsche Regierung vor, dass die nationale Regelung auf der einen Seite die Kohärenz des nationalen Steuersystems gewährleistet. Dieses Argument wurde vom EuGH jedoch mit der Begründung verneint, dass im Falle inländischer Anleger eines ausländischen Spezialimmobilienfonds eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung entstehe, wenn sowohl eine Besteuerung auf der Ebene des Fonds stattfinden würde als auch auf Ebene der inländischen Investoren (Rn 73 des Urteils).

Auf der anderen Seite wurde als Rechtfertigungsgrund eingewendet, die nationale Regelung diene der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten. Nach Ansicht des EuGH greift diese Rechtfertigung jedoch nicht, weil durch eine Befreiungsbestimmung für inländische Einkünfte eines in Deutschland ansässigen Fonds nicht die Besteuerung ausländischer Fonds mit Einkünften derselben Art gerechtfertigt werden kann (in diesem Sinne auch Bödecker/Intemann/Ronig, BeckOK InvStG 2004 § 11 Rn 24.5). Daher stehe mangels Vorliegens eines Rechtfertigungsgrunds die nationale Befreiungsbestimmung des § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004 von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nur für inländische Spezialimmobilienfonds der Kapitalverkehrsfreiheit entgegen.

Conclusio

Die Besteuerung von Investmentfonds ist in vielen Staaten von der steuerpolitischen Überlegung gekennzeichnet, Steuerneutralität zwischen direkten Investitionen und indirekten Investitionen durch Zwischenschaltung eines Fonds herzustellen (vgl Hwang/Weidmann, General Report Investment Funds, IFA 2019, 10). Dieses Prinzip zieht der EuGH auch als wesentlichen Grund für die generelle Vergleichbarkeit der Sachverhalte in dem zugrundeliegenden Fall heran, weshalb es zwingend einer Rechtfertigung der in § 11 Abs 1 Satz 2 dInvStG 2004 normierten Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischen Spezialimmobilienfonds bedarf. Ein solcher Rechtfertigungsgrund ist nach Ansicht des EuGH allerdings nicht auszumachen, weil die Regelung weder der Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems noch der Sicherstellung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten dient. Im Ergebnis ist dem EuGH wohl zuzustimmen, wonach die Befreiungsbestimmung nur für inländische Spezialimmobilienfonds als mit der Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 AEUV unvereinbar anzusehen ist (zum selben Ergebnis kommend siehe Englisch in Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz [2010] Rn 28-29).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34277 vom 17.07.2023