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MwStSyst-RL: Art 14 Abs 1 und Abs 2 lit c, Art 15 Abs 1
Abstract
In seinem Urteil in der Rs Digital Charging Solutions gibt der EuGH eine Antwort auf die korrekte Einstufung der Leistung eines Mobilitätsanbieters. Der Gerichtshof ist den Schlussanträgen der GA Ćapeta gefolgt (s Rechtsnews 35788) und hat die Leistung des Mobilitätsanbieters als (fiktive) Lieferung gem Art 14 Abs 2 lit c MwstSyst-RL eingestuft.
EuGH 17. 10. 2024, C-60/23, Digital Charging Solutions
Sachverhalt
Digital Charging Solutions GmbH (DCS) stellt Nutzern von Elektrofahrzeugen in Schweden Zugang zu einem Ladepunktenetz zur Verfügung. Die Gesellschaft ist nicht in Schweden ansässig und hat auch keine feste Niederlassung dort. Die Nutzer erhalten von ihr Daten wie Preise, Standorte und Verfügbarkeit der zum Netz gehörigen Ladepunkte. Außerdem umfasst die erbrachte Leistung Funktionen zur Suche und Lokalisierung von Ladestationen sowie Routenplanung. Die Ladepunkte selbst werden von Dritten betrieben. DCS stattet die Nutzer mit einer Karte und einer Authentifizierungsapplikation aus, bei deren Verwenden das Aufladen beim jeweiligen Ladepunktbetreiber registriert wird. Dieser stellt den Ladevorgang DCS in Rechnung. Auf Grundlage der von den Ladepunktbetreibern erhaltenen Rechnungen stellt DCS ihrerseits den Nutzern Rechnungen für die gelieferte Menge Elektrizität aus. Unabhängig davon, ob Elektrizität erworben wurde, verrechnet DCS ihren Nutzern zusätzlich eine feste Gebühr pro Monat für den Zugang und die Nutzung des Netzwerkes. Kunden können von DCS Elektrizität nicht kaufen, ohne zugleich für den Zugang zum Netzwerk zu zahlen.
Die schwedische Steuerverwaltung ging davon aus, dass DCS eine komplexe einheitliche Leistung erbringt, deren charakteristischer Teil in der Lieferung von Elektrizität besteht. Aufgrund dieser Einstufung wäre der Lieferort der gesamten Leistung in Schweden (s Art 39 MwStSyst-RL). DCS wollte hingegen, dass nur die Lieferung von Elektrizität in Schweden besteuert wird. Die Dienstleistungen (Auffinden von Ladestationen in der App, Routenplanung etc) hätten als separate Umsätze in Deutschland besteuert werden sollen. Das Oberste Verwaltungsgericht in Schweden legte dem EuGH die Frage vor, ob im vorliegenden Geschäftsmodell eine Lieferung von Elektrizität in allen Abschnitten der Umsatzkette gegeben ist, selbst wenn nur der Elektrofahrzeugnutzer über Menge, Zeitpunkt und Ort der Aufladung sowie die Art der Verwendung der Elektrizität entscheiden kann.
Urteil des EuGH
Zunächst betont der EuGH, dass die Übertragung von Elektrizität an die Batterie eines Elektrofahrzeugs an sich eine Lieferung von Gegenständen ist (Art 14 Abs 1 iVm Art 15 Abs 1 MwStSyst-RL), weil der Nutzer ermächtigt wird, Elektrizität zum Zweck des Antriebs seines Fahrzeugs zu verbrauchen (EuGH 20. 4. 2023, C-282/22, Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej, Rn 33 und 38).
Mit der Klarstellung, dass die Elektrofahrzeugnutzer über Menge, Zeitpunkt und Ort der Aufladung sowie über Art der Verwendung der Elektrizität entscheiden, spricht das vorlegende Gericht die EuGH-Urteile in den Rs Auto Lease Holland und Vega International an (s EuGH 6. 2. 2003, C-185/01, Auto Lease Holland und 15. 5. 2019, C-235/18, Vega International Car Transport and Logistic). In diesen hat der EuGH entschieden, dass Empfänger einer Lieferung gem Art 14 Abs 1 MwStSyst-RL jene Person ist, die über die erwähnten Umstände frei entscheiden kann (EuGH 6. 2. 2003, C-185/01, Auto Lease Holland, Rn 36; 15. 5. 2019, C-235/18, Vega International Car Transport and Logistic, Rn 34). Wie die GA bereits in ihren SA ausführte, stellt nun auch der EuGH klar, dass seine Rsp in den zitierten Rs auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist. In beiden Rs stand die Finanzierung des Bezugs von Kraftstoff im Vordergrund. Im Ausgangsverfahren liegt jedoch keinerlei Kreditmechanismus vor. Dies wird insbesondere dadurch bestätigt, dass DCS keine Vergütung in Form eines Prozentsatzes der in Rechnung gestellten Elektrizität erhebt. Vielmehr erhebt DCS eine feste Gebühr, welche von der dem Nutzer gelieferten Menge an Elektrizität oder der Anzahl der Ladevorgänge völlig unabhängig ist. Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und den Nutzern nimmt jene die Rolle eines „Vermittlers“ ein. Deswegen prüft der EuGH, ob die Konstellation den Anwendungsvoraussetzungen der Kommissionsregelung (Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL) entspricht.
Die Anwendungsvoraussetzungen der leg cit haben autonomen Charakter ggü denen von Art 14 Abs 1 MwStSyst-RL (EuGH 25. 2. 2021, C-604/19, Gmina Wrocław, Rn 55). Zum einen muss ein Auftrag zwischen dem Kommittenten und Kommissionär gegeben sein, in dessen Rahmen der Kommissionär im eigenen Namen aber für Rechnung des Kommittenten handelt. Zum anderen muss Gleichartigkeit zwischen den Lieferungen der Gegenstände bestehen, die der Kommissionär erwirbt und anschließend überträgt (EuGH 12. 11. 2020, C-734/19, ITH Comercial Timișoara, Rn 51). Der EuGH bejaht die erste Anwendungsvoraussetzung: Es könnte entweder eine Verkaufskommission mit den Ladepunktbetreibern als Kommittenten und DCS als Kommissionär oder eine Einkaufskommission mit den Elektrofahrzeugnutzern als Kommittenten und DCS als Kommissionär vorliegen. Auch die zweite Voraussetzung ist erfüllt, weil die Lieferung von Gegenständen, die als vom Kommissionär erworben gelten, und die Lieferung der von ihm verkauften Gegenstände identisch sind (zwei Lieferungen von Elektrizität).
Zuletzt prüft der EuGH, inwieweit sich die Einstufung der Leistungen von DCS als getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung auf die zweite Anwendungsvoraussetzung auswirkt. Dabei geht der Gerichtshof grds davon aus, dass der Verkauf von Elektrizität einerseits und der Zugang zum Ladepunktnetz, etc andererseits zwei getrennte Umsätze sind. Bei unterstellter Einheitlichkeit der Leistungen, wäre die zweite Anwendungsvoraussetzung trotzdem erfüllt. Denn die Dienstleistungselemente wären in dem Fall nur eine Nebenleistung zur Lieferung von Elektrizität oder die Lieferung von Elektrizität würde den charakteristischen Bestandteil einer komplexen einheitlichen Leistung darstellen.
Conclusio
Die Anwendung des Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL bewirkt, dass der Kommissionär (hier: DCS) so behandelt wird, als ob er Elektrizität erhalten und anschließend geliefert hätte (EuGH 12. 11. 2020, C-734/19, ITH Comercial Timișoara, Rn 49 und 50). In diesem Urteil folgt der EuGH im Wesentlichen den Schlussanträgen der GA. Abgesehen von der Einstufung des Umsatzes eines Mobilitätsanbieters gibt der Gerichtshof auch nützliche Hinweise zur Auslegung des Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL im Allgemeinen. Es wird klargestellt, dass der zweite Anwendungsvoraussetzung (Gleichartigkeit) auch erfüllt ist, wenn der Kommissionär eine einheitliche Leistung erbringt. Präziser ist dies der Fall, wenn die Einstufung der einheitlichen Leistung der Einstufung der Leistung im anderen Rechtsverhältnis entspricht. Die Ausführungen des EuGH sind für die Auslegung der österreichischen Kommissionsregelung in § 3 Abs 3 UStG relevant.