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EuGH: Zutatenliste und sonstige Aufmachung einer Verpackung

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2000/13/EG: Art 2, Art 3

Mit Art 2 Abs 1 Buchst a Z i und Art 3 Abs 1 Nr 2 der RL 2000/13/EG (EtikettierungsRL) ist es nicht vereinbar, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.

EuGH 4. 6. 2015, C-195/14, Teekanne; zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen

Ausgangsfall

Das deutsche Unternehmen Teekanne vertreibt einen Früchtetee unter der Bezeichnung „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“, auf dessen Verpackung ua Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“, „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen - Himbeer-Vanille-Geschmack“ und „nur natürliche Zutaten“ aufscheinen.

Aus dem Verzeichnis der Zutaten auf einer Seite der Verpackung ergibt sich, dass ua „natürliches Aroma mit Vanillegeschmack“ und „natürliches Aroma mit Himbeergeschmack“ enthalten ist und der Früchtetee somit tatsächlichkeine natürlichen Zutaten aus Vanille oder Himbeere oder aus Vanille oder Himbeere gewonnene Aromen enthält.

Im Ausgangsverfahren wirft eine deutsche Verbraucherschutzvereinigung Teekanne vor, durch Angaben auf der Verpackung den Verbraucher über die Zusammensetzung des Tees irregeführt zu haben. Aufgrund dieser Angaben erwarte der Verbraucher nämlich, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere oder zumindest natürliche Vanille- und Himbeeraromen enthalte. Die Vereinigung fordert Teekanne daher auf, die Werbung für den Tee zu unterlassen.

Der letztinstanzlich angerufene BGH war die Vorlagefrage vor, ob die Etikettierung eines Lebensmittels den Verbraucher irreführen kann, wenn sie den Eindruck des Vorhandenseins einer Zutat erweckt, die tatsächlich in dem Erzeugnis nicht vorhanden ist und der Verbraucher dies nur feststellen kann, wenn er das Verzeichnis der Zutaten liest.

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen erinnert der EuGH zunächst an seine Rsp, wonach Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Verzeichnis der Zutaten lesen (vgl in diesem Sinne EuGH 26.10.1995, C-51/94, Kommission/Deutschland, und EuGH 4. 4. 2000, C-465/98, Darbo).

Der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung angebracht ist, kann jedoch - so der EuGH - für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sein könnten, den Käufer gem Art 2 Abs 1 Buchst a Ziff i der RL 2000/13/EG irrezuführen.

Die Etikettierung iSv Art 1 Abs 3 Buchst a der RL 2000/13/EG umfasse nämlich alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und die auf dessen Verpackung angebracht sind. Seien einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich, könne das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, in bestimmten Fällen gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergibt.

Lassen die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen, dass dieses Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht darin vorhanden ist, ist eine solche Etikettierung daher nach Ansicht des EuGH geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen. Bei der Prüfung, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über die Zutaten irregeführt werden kann, hat das nationale Gericht ua die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen.

Anmerkung:

Zur österr. Rsp vgl zB OGH 15. 2. 2011, 4 Ob 228/10y, LN Rechtsnews 10743 vom 14. 3. 2011 („Waldbeeren Fruchtschnitte“ - nicht irreführend) oder OGH 29. 11. 2005, 4 Ob 200/05y, LN Rechtsnews 797 vom 3. 3. 2006 (Salat-Dressing - Irreführung durch Bewerbung mit „naturrein“ trotz modifizierter Stärke als Zutat).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19621 vom 08.06.2015